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Die Krise als Chance? – ein Versuch, aus der Not eine Tugend zu machen

Als Resultat der Wirtschaftskrise sind nahezu alle Jobs in Deutschland deutlich unsicherer geworden. Nur wenige Branchen trotzen dem Trend. Zahlreiche zum Teil hochqualifizierte Mitarbeiter wurden entlassen und fragen sich, wie es für sie weitergehen soll. Wir stellen die provozierende Frage, ob die Krise nicht ein Anstoß sein kann, die persönliche berufliche Situation zu überdenken und eventuell den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.

Für viele Arbeiter und Angestellte hat das Jahr 2009 große Veränderungen mit sich gebracht. Selbst in Branchen, in denen man sich bisher vor Krisen sicher fühlte, gab es Entlassungen im großen Stil. Die Wirtschaftskrise hat die Mittelklasse erreicht und auch Mitarbeiter im besten Alter mit jahrelanger qualifizierter Berufserfahrung wurden auf die Straße gesetzt. Fast jedem Arbeiter und Angestellten wurde bildlich vor Augen geführt, dass heutzutage kein Job mehr sicher ist. Die schlechte Nachricht - erst im Jahre 2010 wird sich die Wirtschaftskrise auf dem Arbeitsmarkt mit ihrem ganzen Ausmaß niederschlagen.

Zahlreiche gut ausgebildete und erfahrene Arbeitnehmer wurden in den letzten Monaten auf die Straße gesetzt. In zahlreichen Fällen - dem deutschen Arbeitsrecht sei Dank - mit zum Teil nicht unerheblichen Abfindungen. Aber auch bei Beträgen von zum Teil mehreren Zehntausend Euro kann sich jeder Arbeitslose ausrechnen, wie schnell das Geld aufgebraucht sein wird, wenn man keine Beschäftigung mehr findet. Die ARGE zahlt maximal ein Jahr Arbeitslosengeld (bei Arbeitslosen ab 55 Jahren bis zu 18 Monaten) und häufig können Arbeitslose von den monatlichen Zahlungen der ARGE nicht die Verpflichtungen bedienen, die sich im Laufe der Jahre in Form von Krediten für Heim, Auto und andere Anschaffungen angesammelt haben. Die "Verbrennung" der Abfindung fängt also bei vielen mit dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit an.

 

Arbeitsmarkt im Umbruch

 

Die meisten Arbeitslosen werden versuchen, so schnell wie möglich wieder eine neue feste Anstellung zu finden. Dies wird aber aktuell zum einen durch die Wirtschaftskrise, welche fast die gesamte Wirtschaft erfasst hat, zum anderen durch Branchen, die zusätzlich mit strukturellen Problemen zu kämpfen haben, erschwert. Der Anruf bei Konkurrenzunternehmen in derselben Branche ist in der jetzigen Situation folglich in den meisten Fällen aussichtslos. Zu allem Unglück ist davon auszugehen, dass sich die Situation nicht allzu schnell ändern wird.

Der gesamte Arbeitsmarkt befindet sich im Umbruch. Während in der Generation unserer Eltern viele Angestellte mit guter Ausbildung ihrer beruflichen Stellung in einem Unternehmen über Jahrzehnte sicher sein konnten, wenn sie denn wollten, ist dies heute nicht mehr so. Ganze Industriebereiche sind inzwischen aufgrund der niedrigeren Produktionskosten ins Ausland abgewandert und diese Umwälzungen haben auch Auswirkungen auf die Anstellungsverhältnisse in anderen Branchen. In den vergangenen Jahren ist der Kündigungsschutz langsam aufgeweicht worden - und es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzt. Je schlechter es der Wirtschaft generell geht, desto einfacher wird es die Politik den Unternehmen machen, Mitarbeiter im Ernstfall auf die Straße zu setzen. Zum einen, um Insolvenzen vorzubauen, zum anderen, weil man sich eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes erhofft, die dann auch zu schnelleren Neueinstellungen bei einem Aufschwung führen soll. Fakt ist in jedem Fall, dass Anstellungsverhältnisse bei weitem nicht mehr so sicher sind, wie sie es vor zwanzig oder dreißig Jahren noch waren. Wenn diese Sicherheit jedoch nicht mehr gegeben ist, dann sollte man sich überlegen, ob etwa der Schritt in eine mögliche Selbständigkeit noch so groß ist, wie er erscheint.

 

Chance Selbstständigkeit

 

Die Selbständigkeit hat in Deutschland einen schweren Stand. Nur etwa 11% aller Arbeitstätigen arbeiten selbständig - und auch diese Zahl ist erst aufgrund der durch die ARGE geförderten Selbständigkeiten zusammengekommen. Dies ist im Vergleich beispielweise zu den meisten englischsprachigen Ländern wenig. Auch das Ansehen von Unternehmern ist nicht so ausgeprägt wie im Ausland. Die angesehensten Berufe sind in der Regel die von Ärzten (selbständig, aber aufgrund unseres Gesundheitswesens mit einer Art Gebietsschutz und damit garantierten Einnahmen), Pfarrer, Professoren, Lehrer, Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Polizisten und Postangestellte, in den meisten Fällen also Angestellte im öffentlichen Dienst.


Die Gründe, warum die Selbständigkeit in Deutschland kein allzu gutes Image hat, mag zum einen an der Mentalität hierzulande liegen, zum anderen an den historischen Gegebenheiten. Wir Deutschen schätzen nun einmal eine gewisse Sicherheit und sind eher risikoavers. Dazu hatten Angestellte über viele Jahrzehnte eine traumhafte soziale Absicherung, so dass man die Chancen, die eine Selbständigkeit bietet, häufig eher skeptisch beäugt hat. Dabei gibt es doch gerade auch in Deutschland gute Beispiele, dass sich eine Selbständigkeit lohnen kann - von SAP zu den vielen Familienunternehmen, die als Mittelstand das Rückrad unserer Wirtschaft bilden. Auch sie haben einmal klein angefangen.

 

Warum ist die Selbständigkeit aber in den letzten Jahren im Vergleich zum Angestellten-Dasein interessanter geworden:

  • die sprichwörtliche Sicherheit eines Arbeitsplatzes als Angestellter hat stark abgenommen (ganze Branchen in der Krise, erodierter Kündigungsschutz, niedrigere Abfindungen)
  • die Altersvorsorge in Angestelltenverhältnissen ist nicht mehr automatisch gesichert (immer weniger attraktive Betriebsrenten, staatliches Rentensystem nicht mehr sicher)
  • Förderung der Selbständigkeit aus der Arbeitslosigkeit durch die ARGE (Gründungszuschuss)



Die Chancen einer Selbständigkeit liegen auf der Hand:

  • eigenbestimmtes Arbeiten und weniger Abhängigkeit von Entscheidungen Dritter
  • potentiell höhere Lebensqualität durch mehr Zufriedenheit im Beruf und höheres Einkommen
  • freiere Zeiteinteilung, von der auch die Familie meist profitieren kann (in den meisten Fällen jedoch nicht weniger Arbeit)
  • steuerliche Vorteile, mögliche private Krankenversicherung, private Rentenvorsorge
  • eine Investition in die Zukunft, die durch den Gründungszuschuss vom Staat gefördert wird
  • man geht mit dem Trend - es ist zu erwarten, dass immer mehr Unternehmen beträchtliche Teile Ihres Geschäfts outsourcen
  • gerade im Dienstleistungssektor gibt es viele Bereiche, in denen die Anfangsinvestitionen überschaubar sind. Das Internet erleichtert es, auch mit beschränktem Budget Geschäft zu akquirieren.

 

Was ich sagen möchte - eine Selbständigkeit ist eine Chance, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und eine mögliche Alternative zum Angestellten-Dasein oder zur Arbeitslosigkeit. Voraussetzungen für eine funktionierende Selbständigkeit sind natürlich eine Geschäftsidee und ein tragbarer Business-Plan. Hierfür gibt es Stellen, die Beratung anbieten.


Je weniger attraktiv eine Position als Angestellter ist und je schwieriger es ist, eine solche Anstellung zu bekommen, desto mehr sollte man sich Gedanken machen, ob man denn Fähigkeiten oder eine Idee hat, auf der sich eine Selbständigkeit aufbauen kann.
Viele der "neuen Arbeitslosen" sind ja hoch qualifiziert und haben durch die Abfindung ein gewisses Startkapital. Eine attraktive Alternative zu einer im schlimmsten Fall absehbaren Dauerarbeitslosigkeit in einer sterbenden Branche kann eine Selbständigkeit in jedem Fall sein.

Wie sagte doch Janis Joplin - "Freedom is another word for nothing left to lose".

Eine Überlegung ist der Gang in die Selbständigkeit allemal wert.

 



Weitere Informationen zur Selbständigkeit aus der Arbeitslosigkeit heraus:

http://www.gruendungszuschuss.de/

http://www.gruenderlexikon.de



Ein gutes Buch, um seine Interessen und Fähigkeiten zu entdecken:

http://www.amazon.de/Wishcraft-Lebenstr%C3%A4ume-Berufsziele-entdecken-verwirklichen/dp/3980920402/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1263400503&sr=8-1

 

 

Stefan Hahndorf ist Geschäftsführer der Vaterfreuden GmbH. Seit Mitte der neunziger Jahre ist er in der deutschen Agentur- und Medienlandschaft als Angestellter, Berater und Unternehmer tätig.