© olly - Fotolia.com

Festgefahrene Kita-Betreuungszeiten: Was tun bei Schichtdienst?

Betreuungsgeld hin oder her – es gibt viele Eltern, für die sich die Wahl nicht stellt, weil sie berufstätig sind und das sein müssen. Für sie ist das Betreuungsangebot der Kitas von größter Bedeutung. Doch die Kita-Plätze sind begehrt, die Wartelisten lang. Erst recht, wenn Eltern im Schichtdienst arbeiten. Wohin mit den Kindern, wenn die Kindertagesstätte noch gar nicht geöffnet hat?

Jasmin gähnt. Eigentlich müsste sie demnächst ins Bett gehen, doch vorher muss sie noch einen kleinen Ausflug machen. In die Kita. Ihre Eltern arbeiten beide in einem Krankenhaus, der Dienstplan sieht heute für Mama und Papa Nachtschichten vor. Jasmin hat daher ihren kleinen Koffer schon gepackt, ihr Lieblingskuscheltier verstaut und das Kopfkissen unter den Arm geklemmt. Weil das so schön nach Zuhause riecht. Das Mädchen geht in eine 24-Stunden-Kita. Die Eltern sind dankbar für das Angebot, denn sonst wäre der Alltag kaum zu regeln. Der Bedarf an Kitas mit flexiblen Öffnungszeiten ist groß. Doch das Angebot eher mager, die Wartelisten sind zum Teil mit Babys gefüllt, die noch gar nicht geboren sind.

 

Schwerin kann's!

Die Kita „Nidulus“ in Schwerin befindet sich auf dem Gelände der Helios-Kliniken. Das Angebot der Einrichtung ist besonders, weil es über die sonst üblichen Öffnungszeiten von Kindertagesstätten hinausgeht. Hierher kommen Kinder in den Abendstunden, sie übernachten in der Kita und können auch am Wochenende und sogar den Feiertagen wie Weihnachten betreut werden. Die Eltern, die das Angebot der Kita in Anspruch nehmen, wollen nicht etwa mal richtig ausschlafen oder ein kinderfreies Wochenende genießen. Sie üben Berufe aus, die Arbeitszeiten der ungewöhnlichen Art bereithalten. Das Konzept der 24-Stunden-Kita wurde vor zwei Jahren realisiert. Seitdem kann sich die Leitung der Einrichtung kaum vor Anfragen retten. Und hier liegt ein Problem.

 

Jeder Antrag wird genau geprüft

Grit Brinkmann, die Leiterin der Kita „Nidulus“, muss sich gut organisieren. Denn die Anfragen kommen nicht nur von Eltern, die auf der Suche nach einem Betreuungsangebot sind. Aus ganz Deutschland melden sich andere Einrichtungen und Pädagogik-Profis, die mehr über das Konzept erfahren wollen. Theoretisch, so Brinkmann, könnten „wir jeden Tag jemanden durch unsere Räume führen“. Doch genau das will sie nicht, die Kinder haben Vorrang, so das Credo der Kita-Leiterin. Zum Klientel gehören alle Berufsgruppen, die um den Schichtdienst nicht herum kommen, also beispielsweise Polizisten, Feuerwehrleute, Krankenschwestern oder Ärzte. Trotzdem wird jeder Antrag genau geprüft. Die freien Plätze sind begehrt und längst nicht ausreichend, also haben nur die Fälle eine Chance, die extreme Situationen nachweisen können. Anders wäre die Logistik nicht leistbar. Andere 24-Stunden-Kitas können das bestätigen. Allzu viele davon gibt es jedoch nicht.

 

Flexible Arbeitszeiten, starre Betreuungszeiten

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wollte es genauer wissen und befragte Arbeitnehmer nach ihren Arbeitszeiten. Dabei erfuhren die Fragesteller, dass rund 68 Prozent der Interviewten hin und wieder oder sogar regelmäßig am Wochenende arbeiten. Die Personengruppe geht über die klassischen Berufe, die hier genannt wurden, hinaus. Immer mehr Menschen müssen sich an neue Arbeitszeiten anpassen, besonders deutlich wird das im Einzelhandel. Mag es für den Single praktisch sein, sich im Supermarkt abends um 22 Uhr noch Bier oder Chips kaufen zu können - die Kassiererin könnte eine Mutter sein, die regelmäßig dafür sorgen muss, dass der Nachwuchs betreut wird. Da die meisten Kitas zwischen 16 und 18 Uhr schließen, ist die Kinderbetreuung eine ganz besondere Herausforderung. Der Frankfurter Sozialforscher Harald Seehausen sieht die Entwicklung kritisch und meint, dass es nicht sein könne, dass sich alle möglichen Branchen mit flexiblen Arbeitszeiten arrangieren müssen, die Kitas aber bei ihren Öffnungszeiten bleiben. „Das geht heute eigentlich gar nicht mehr“, so Seehausen.

 

Kita-Öffnungszeiten: Im Westen nichts Neues

Der Westen in stärker von eingeschränkten Öffnungszeiten der Kita betroffen als der Osten des Landes. Ab 2013 soll zwar jedes Kind einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kita-Platz haben. Doch das scheint graue Theorie, wenn man sich die Öffnungszeiten einmal ansieht. Rund 58 Prozent der Kitas in den alten Bundesländern schließen ihre Türen erst um 7:30 Uhr oder noch später auf. Immerhin 43 Prozent sperren sie um 16 Uhr bzw. 17 Uhr wieder ab. In Ostdeutschland ist die Lage zwar entspannter, die Kitas zeigen sich flexibler. Es wäre jedoch naiv, würde man behaupten, der Bedarf könne gedeckt werden.

 

Betteln bei Oma

Ohne die 24-Stunden-Kita ist die Situation bei vielen Eltern gleich. Da muss organisiert werden, Oma, Opa, Freunde und Bekannte werden angebettelt, ob sie nicht den einen oder anderen Abend übernehmen könnten. Das führt zu Stress im Alltag und im sozialen Umfeld. Die Kita „Nidulus“ hat im Schnitt an 28 Tagen im Monat Übernachtungsbesuch. Mal sind es nur eine Handvoll Kinder, mal sind fast alle Bettchen belegt. Der Personalschlüssel ist so aufgebaut, dass die betreuten Kinder immer eine professionelle Bezugsperson in der Nähe haben. Doch dieser Luxus kostet natürlich auch etwas. Mit knapp 400 Euro für einen Betreuungsplatz ist die Kita rund 100 Euro teurer als andere Einrichtungen. Viele Eltern zahlen das gern, wenn dafür der Alltag entspannter ist. Sozialforscher Seehausen sieht denn auch in der Zukunft die Bringschuld bei den Kommunen, die ihre Angebote erweitern müssen. „Die Leute“, so Seehausen, „ziehen doch an einen Ort, von dem sie wissen, dass ihre Kinder dort gut untergebracht sind.“ Doch genau das scheint ein gravierendes Problem zu sein. Oft haben die Menschen nicht die Wahl, dorthin zu ziehen, wo die Betreuung optimal ist. Und 24-Stunden-Kitas in ländlichen Gebieten sind realistisch betrachtet das genaue Gegenteil: höchst unrealistisch.