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„Was kann der Staat tun, damit die Deutschen wieder mehr Kinder bekommen?“ Eine Glosse

Deutschland hat – trotz einer vergleichbar guten Konjunktur – noch immer eine der niedrigsten Geburtenraten aller Industriestaaten. Woran liegt das – und was könnte der Staat tun, um den Menschen im Lande das Kinderkriegen attraktiver zu machen? Eine Unternehmensberatung suchte im Auftrag des Bundesfamilienministeriums nach Antworten. Hier ihre Empfehlungen.

Vor dem Hintergrund der gleichbleibend niedrigen Geburtenrate in Deutschland hat das Bundesfamilienministerium die internationale Unternehmensberatung Ronald Thaler & Partner beauftragt, der Frage nachzugehen „Was kann der Staat tun, damit die Deutschen wieder mehr Kinder bekommen“. Zur Beantwortung dieser Frage haben die Mitarbeiter von Ronald Thaler in den vergangenen Monaten zahlreiche Interviews durchgeführt und verschiedene Studien analysiert. Am Vormittag hat Projektleiterin Dr. Constanze Imhoff-Quartz der Bundesregierung schließlich die Ergebnisse ihrer Untersuchungen präsentiert und den Abschlussbericht vorgestellt. Vaterfreuden.de hatte die Gelegenheit, im Anschluss mit Dr. Imhoff-Quartz ein Interview zu führen.


Vaterfreuden.de: Warum bekommen die Deutschen denn nun momentan so wenige Kinder?


Dr. Imhoff-Quartz: Man muss das Ganze differenziert betrachten. Es sind nicht alle Deutschen, die vergleichsweise wenige Kinder bekommen. Sowohl die absolute Oberschicht als auch die Unterschicht bekommen ausreichend Kinder. Bei den einen wie den anderen sind Familien mit drei und mehr Kindern keine Seltenheit. Lediglich die Mittelschicht ist, was die Produktion von Nachwuchs angeht, zurückhalternder. Die Mittelschicht stellt in Deutschland jedoch die bei weitem größte Bevölkerungsschicht dar. Daher die insgesamt sehr niedrige Geburtenrate.


Aufgrund einer gefühlten Unsicherheit zögern viele Deutsche mit dem Kinderkriegen


Vaterfreuden.de: Woran liegt es, dass die Mittelschicht in Deutschland so wenige Kinder in die Welt setzt?


Dr. Imhoff-Quartz: Eine aktuelle Studie ist den Gründen hierfür nachgegangen. Bei einigen der Befragten war es schlicht Bequemlichkeit – sie wollten die Anstrengungen, die ein Kind mit sich bringt, schlicht nicht auf sich nehmen. Die meisten Befragten hätten grundsätzlich gerne Kinder, zögern jedoch aufgrund von ihnen wahrgenommenen Unsicherheiten: bei Beruf, Wohnung, Kinderbetreuung und weiteren weniger wichtigen Punkten. Im Gespräch mit der Bundesregierung sahen sich deren Vertreter außerstande, den Bürgern all diese Unsicherheiten durch staatliche Maßnahmen zu nehmen.
Interessant ist jedoch der Vergleich zwischen der Wahrnehmung der Bürger und den messbaren externen Faktoren. Trotz der gefühlten Unsicherheit geht es der Mittelschicht in Deutschland – vor allem auch im internationalen Vergleich – sehr gut. Auch finanziell – die Arbeitslosenquote ist niedrig, die Löhne und Einkommen recht sicher und ausreichend hoch, dazu wechselt zur Zeit viel Geld durch Erbschaften den Besitzer. Davon profitieren auch Menschen in dem Alter, in dem normalerweise die Familienplanung ansteht. Es wird dieser Tage auch viel Wohneigentum gekauft – ein gutes Indiz für eine vergleichsweise hohe Kaufkraft und einen generellen Glauben an eine positive zukünftige Entwicklung.


Vaterfreuden.de: Was haben Sie der Bundesregierung vor diesem Hintergrund empfohlen?


Dr. Imhoff-Quartz: Kinder werden von weiten Teilen der Bevölkerung als grundsätzlich erstrebenswert, aber auch anstrengend und teuer wahrgenommen. Etwas, was zwar nett und schön ist, man aber nicht mehr haben muss, um glücklich zu sein.


Vaterfreuden.de: Da gab es in den letzten Generationen einen Wertewandel.


Dr. Imhoff-Quartz: Korrekt. Aber Dinge, die schön sind, die man aber nicht unbedingt haben muss und die sich nicht rechnen, sind per Definition Luxusgüter.


Vaterfreuden.de: Ja, und?


Ein neuer Ansatz: Kinder in der Gesellschaft als Luxusgüter neu positionieren


Dr. Imhoff-Quartz: Wir haben dem Familienministerium empfohlen, Kinder in der gesellschaftlichen Wahrnehmung neu zu positionieren – als Luxusgüter nämlich.


Vaterfreuden.de: Wie bitte?


Dr. Imhoff-Quartz: Sehen Sie – niemand BRAUCHT einen Porsche. Trotzdem hätten sehr viele Menschen gerne einen, wenn sie ihn denn haben könnten. Niemand BRAUCHT ein Kind. Warum Kinder nicht in einer groß angelegten, vom Familienministerium finanzierten Werbekampagne als ein erstrebenswertes, begehrenswertes Gut neu positionieren? Als etwas, mit dem man vor den Nachbarn angeben kann? Etwas, was die eigene soziale Stellung aufwertet?


Vaterfreuden.de: Wie soll das gehen?


Dr. Imhoff-Quartz: Momentan werden Eltern mit mehr als zwei Kindern von ihren Mitmenschen häufig mitleidig belächelt. Wie wäre es, wenn durch eine Neupositionierung des „Produktes“ Kind auf einmal diejenigen mit Mitleid angesehen würden, die keine Kinder haben oder sich nur ein oder zwei Kinder „leisten“ können? Tenor: „Ihr Armen, hat es nicht für ein Drittes gereicht?“


Vaterfreuden.de: Welche Maßnahmen empfehlen Sie neben der genannten Werbekampagne?


Dr. Imhoff-Quartz: Die Neubewertung aller Fördermaßnahmen. Nichts darf tabu sein.


200 Milliarden Euro pro Jahr werden ineffektiv ausgegeben


Vaterfreuden.de: Könnten Sie etwas spezifischer sein?


Dr. Imhoff-Quartz: Die Bundesregierung gibt jedes Jahr etwa 200 Milliarden Euro für familienpolitische Maßnahmen aus – volkswirtschaftlich jedoch ineffektiv, wie eine Studie herausfand. Weder werden mehr Kinder geboren, noch werden andere Werte geschaffen. Einige Maßnahmen halten hervorragend ausgebildete Frauen vom Arbeitsmarkt fern. Unter anderem haben wir der Bundesregierung die Abschaffung von Ehegattensplitting und Betreuungsgeld empfohlen.


Vaterfreuden.de: Und stattdessen?


Dr. Imhoff-Quartz: Ein Familiensplitting würde Sinn machen. Hier würden allein Familien mit minderjährigen Kindern oder solchen, die sich noch in der Ausbildung befinden, profitieren. Die erheblichen Mehreinnahmen der Staatskasse durch den Wegfall des Ehegattensplittings für alle verheirateten Paare sollten in den Aufbau einer guten und kostenlosen Kinderbetreuung und die Verbesserung der Infrastruktur von Schulen – Stichwort Ganztagsschulen – investiert werden.


Vaterfreuden.de: Sie haben auch empfohlen, das Kindergeld abzuschaffen.


Dr. Imhoff-Quartz: Das haben wir. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass das Kindergeld in der Regel direkt in die Haushaltskasse einfließt und bei den Kindern in den seltensten Fällen ankommt. Außerdem wollen wir Kinder ja als Luxusgut positionieren. Daher empfehlen wir die Abschaffung aller direkten Zahlungen für Kinder. Bei den meisten Familien decken diese ohnehin nicht annähernd die anfallenden Kosten.


Kostenlose Kinderbetreuung und ein reduzierter Mehrwertsteuersatz auf Kinderartikel


Vaterfreuden.de: Was soll stattdessen kommen?


Dr. Imhoff-Quartz: Neben einer vollkommen kostenfreien Kinderbetreuung und der ausgeweiteten steuerlichen Absetzbarkeit von Haushaltshilfen, Tagesmüttern etc fordern wir Bildungsgutscheine für alle, freien Eintritt in Einrichtungen wie Zoos und Museen für Kinder und deren Begleiter, sowie die Bezuschussung aller Produkte rund ums Kind. Warum nicht ein reduzierter Mehrwertsteuersatz für Spielzeug und Kinderbekleidung? Wir möchten ja, dass Eltern Kinder haben und für sie Geld ausgeben – aber wir wollen die Höhe der einzelnen Posten reduzieren. Dazu haben wir nachdrücklich angeregt, dass sich der Staat wieder stärker im Wohnungsbau engagieren soll – speziell im Bereich solcher Wohnungen, die auch für größere Familien geeignet sind. Die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen würden Familien in der Summe deutlich mehr entlasten als das aktuelle Kindergeld.


Vaterfreuden.de: Wie schätzen Sie die politische Durchsetzbarkeit des von Ihnen empfohlenen Programmes ein?


Dr. Imhoff-Quartz: Die Reaktionen der Politiker waren bei der Präsentation eher zurückhaltend. Speziell, als wir Maßnahmen wie die Abschaffung des Ehegattensplittings, des Betreuungsgeldes und auch des Kindergeldes vorschlugen, wurde es still am Tisch.


Vaterfreuden.de: Ihre Prognose, was letztlich umgesetzt wird?


Dr. Imhoff-Quartz: Wahrscheinlich bleibt es bei einer Werbekampagne, die die Elternschaft stärken soll. Und zwar bei einer, die weit weniger offensiv ist als das von uns vorgeschlagene Konzept „Kinder? Ich hab‘ drei – und Sie?“ schade, denn wir haben auch prognostiziert, dass das von uns vorgeschlagene Programm mehrere Hunderttausend neue Arbeitsplätze im Kinderbetreuungs- und Bildungssektor schaffen würde. Besser bezahlte Stellen, als dies bisher der Fall ist. Wirklich schade.


Vaterfreden.de: Frau Dr. Imhoff-Quartz, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

 


Anmerkung:
Dies ist eine Glosse („pointierter, oft satirischer Meinungsbeitrag“) – nur für den Fall, dass dies nicht alle begriffen haben. Das Interview ist fiktiv, also erfunden. Es gibt weder eine Unternehmensberatung namens Ronald Thaler, noch eine Frau Dr. Constanze Imhoff-Quartz. Und auch keinen Auftrag des Bundesfamilienministeriums, von dem wir wissen. Schade eigentlich, oder? Was meinen Sie?