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Kinderbetreuung in Deutschland - ein Thema für die Politik

Selbst wenn man sich bemüht, sachlich zu bleiben, fällt spontan doch der Vergleich mit dem Schwarzen Peter ein, der hin- und her- und wieder hin- und noch einmal hergeschoben wird. Die Kinderbetreuung in Deutschland ist besonders für die Politik ein wichtiges Thema, schließlich lassen sich damit Wählerstimmen gewinnen. Im besten Fall zumindest. Doch auch wenn jeder die Fahne in den Händen hält, auf der groß und breit „Kinderbetreuung“ steht, für die Kosten sollen doch bitte möglichst die anderen aufkommen. Die mit dem Schwarzen Peter eben.

Deutschlands Familienministerin Kristina Schröder spricht gern klare Worte. Das ist nicht verwunderlich, denn die Politikerin sieht das vor vier Jahren gesteckte Ziel in Gefahr. Damals hatten Bund, Länder und Kommunen vereinbart, dass bis zum Jahr 2013 für 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren Betreuungsangebote geschaffen werden sollten. Das sind immerhin stolze 750.000 Betreuungsplätze, ein ambitioniertes Ziel. Doch Schröder bekommt kalte Füße und gibt diese kühl an die Bundesländer weiter. Wenn die nicht endlich konkret in die Finanzierung einsteigen, so die Ministerin, sei das „große Ziel“ gefährdet. Das saß!

 

Lücken im Gesetz

Für Kinderbetreuung sind alle. Niemand, der etwas zu sagen hat, könnte dagegen sein, das macht keinen guten Eindruck. Doch die Bundesländer haben auch ihre eigenen Kassen im Blick. Und nutzten bisher ihre Interpretation des im Jahr 2007 verabschiedeten Gesetzes. Das ermöglicht den Ländern, im großen Stil Bundesmittel abzurufen, ohne die eigenen Kassen antasten zu müssen. Lediglich das Bundesland Saarland übernimmt bereits jetzt die Hälfte der anfallenden Kosten, alle anderen Länder zieren sich stillschweigend. Schröder rief die Länder und Kommunen auf, endlich aktiv mitzumachen. Damit die Kinderbetreuung so realisiert werden kann, wie es die Absprachen vorsehen.

 

Das Elterngeld als Wahlkampfthema

Zur Kinderbetreuung gehören nicht nur Kita-Plätze, ausgebildetes Personal und moderne Einrichtungen. Auch das Elterngeld soll dazu beitragen, dass es Kindern gut geht. Das sagen zumindest die einen. Andere greifen dieses Thema auf, um aktiv Wahlkampf zu betreiben, so macht es den Eindruck. Der Generalsekretär der FDP, Christian Lindner, etwa sagte ganz deutlich, was er vom Kindergeld hält: Nichts. Er sprach vom „bürokratisch verholzten Wohlfahrtsstaat“, der mit seinen hohen Ansprüchen diszipliniert werden müsse. Kinderbetreuung will Lindner auch, aber das Elterngeld sieht er am liebsten angeschafft. „Kinder“, so der Generalsekretär, „werden nicht am grünen Tisch gemacht“. Das Elterngeld werde lediglich zu Mitnahmeeffekten führen. Das sei mit der FDP nicht drin. Auch das saß!

 

Der Gegenschlag

Es ist nicht weiter überraschend, dass Ministerin Schröder sich das nicht bieten ließ. Und es ist im Grunde auch gar nicht weiter erwähnenswert, denn es macht im Wesentlichen deutlich, dass es zumindest nicht nur um die Sache geht, sondern auch um Machtpositionen. Das zeigt auch die Deutlichkeit, mit der Schröder auf Lindner antwortete. „Am Elterngeld wird nicht gerüttelt“, sagte die Familienministerin und legte noch nach. Die Forderung Lindners würde dazu führen, dass Eltern in Zukunft ihre zwei Monate alten Säuglinge in die Krippe geben müssten. Schnippisch fragte sie, ob diese Praxis die liberale Vorstellung von Freiheit sei.

 

Und die Kinderbetreuung?

Wenn man die Debatten, Diskussionen und Streitfälle rund um das Thema Kinderbetreuung beobachtet, stellt sich schnell eine Frage: geht es tatsächlich um das Wohl der Kinder, um die Unterstützung der Eltern und den Ausbau von Kinderbetreuung? Oder steht eher die eigene Wirkung im Vordergrund, geht es darum, verbale Kämpfe zu gewinnen, um so ein paar Wählerstimmen mehr zu bekommen? Wirft man einen Blick auf die Wahlergebnisse der FDP bei den vergangenen Wahlen, liegt dieser Verdacht nahe. Man könnte meinen, dass es Lindner, Rösler und den anderen Liberalen tatsächlich nur darum geht, mit wichtigen Themen zu polarisieren und Punkte zu machen. Andererseits streiten hier ja nicht einmal Regierung und Opposition miteinander. Es sind die beiden Koalitionspartner, die sich nicht einigen können. Die Ziele, die im Jahr 2007 vereinbart wurden, sind auf den ersten Blick durchaus lobenswert. Wenn man jedoch sieht, dass im politischen Tagesgeschäft immer wieder an Entscheidungen gerüttelt wird, kann allerdings bezweifelt werden, dass im Jahr 2013 so viele Betreuungsangebote geschaffen werden, wie das auf viel geduldigem Papier steht.

 

Ängste bei den Eltern

Die „Besser betreut GmbH“, die vom „ElternService“ der Arbeiter Wohlfahrt (AWO) unterstützt wird, hat eine Studie erstellt, die sich mit der Kinderbetreuung in Deutschland, Österreich und der Schweiz beschäftigt.

 

  • Sie kam zum Ergebnis, dass 74 Prozent der Deutschen durch familiäre Verpflichtungen Nachteile im Beruf zu haben.
  • Auf die drei befragten Länder bezogen, gaben insgesamt 65 Prozent der befragten Eltern an, von einer Vollzeit- auf eine Teilzeitstelle gewechselt zu haben, da Familie und Beruf sich nicht mehr vereinbaren ließen.
  • Und rund 20 Prozent schilderten, Betreuungsengpässe mit kreativen Lösungen wie Home-Office-Arbeit zu lösen.

Eine durchschnittliche deutsche Familie zahlt im Monat ca. 245 Euro für die Kinderbetreuung, das sind immerhin 11 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens. Weitere 8 Prozent fließen in private Kinderbetreuungsangebote. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Situation bis zum Jahr 2013 ändert. Kurz vor den Äußerungen von Christian Lindner zur Abschaffung des Elterngeldes sagte der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler übrigens „Jetzt geht’s los!“

Er meinte damit allerdings die liberalen Ziele für die Zukunft. Ganz allgemein gesprochen.

 

Jörg Wellbrock, 44, arbeitet als freier Texter und Autor. Neben seinen  hauptberuflichen Texten verfasst er Satiren, Gedichte und  Kurzgeschichten Er tritt regelmäßig auf literarischen Lesungen auf.
Wellbrock ist geschieden und hat einen 15-jährigen Sohn.

 

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