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Medizinisches Phänomen: Wer Kinder hat, lebt länger

Schlaflose Nächte, ständiger Stress, Druck in der Schule, Konflikte in der Pubertät, Termine über Termine. So wunderschön es ist, Kinder zu haben, sie machen nun einmal auch eine Menge Ärger. Doch das wirkt sich auf die Lebenserwartung der Eltern keinesfalls negativ aus, wie das andere Stressfaktoren ja sonst durchaus tun. Im Gegenteil, mit Kindern lebt man länger.

Das Wohlergehen von Kindern ist ein häufig gesuchter Begriff im Internet. Kein Wunder, wir wollen schließlich, dass es unseren Kleinen gut geht. Da googelt man schon einmal nach der richtigen Strategie in der Erziehung oder sucht Rat, wenn man nicht mehr weiter weiß. Und wer will nicht wissen, wie sich das Elterndasein auf die Kinder auswirkt? Anders herum hält sich die Suche im Netz allerdings in Grenzen. Was für Auswirkungen Kinder auf ihre Eltern haben, ist längst nicht so gefragt bei Google & Co. Dabei ist es hoch interessant, wie die Ergebnisse einer US-amerikanischen Studie zeigen.

 

Eltern haben gut niesen

Rodlescia Sneed von der Carnegie Mellon University hatte es auf rund 800 Testpersonen abgesehen, denen Sie etwas unter die Nase rieb. Gemeinsam mit ihren Kollegen verabreichte sie den Teilnehmern über Nasentropfen Erkältungsviren. Mit dabei waren sowohl Eltern als auch Kinderlose. Das Nasenspray wirkte bei etwa Dreiviertel der Testpersonen, sie stecken sich prompt mit dem Virus an. Betroffen waren hier Eltern und Nicht-Eltern gleichermaßen. Doch die Überraschung folgte erst später. Die Kinderlosen zeigten mehr als doppelt so häufig auch tatsächlich Symptome eines Schnupfens. Die meisten Eltern von einem oder zwei Kindern dagegen zeigten im Wesentlichen eines: Nichts. Keine Beschwerden, keine Symptome. Waren drei oder mehr Kinder in der Testfamilie zuhause, ließen die Schnupfensymptome sogar noch stärker nach. Weitere Untersuchungen ergaben, dass Eltern selbst dann weniger anfällig für Erkältungen waren, wenn die Kinder längst aus dem Haus waren. Die Vermutung liegt nahe, dass sie in ihrem Leben mit so vielen Viren konfrontiert waren, dass es zu einer gewissen Form der Immunität kam. Doch Tests bewiesen, dass es einen anderen Grund geben muss. Nur welchen?

 

Niedriger Blutdruck statt hohen Stressfaktors

Frauen ohne Kinder haben insgesamt mit einem höheren Blutdruck zu kämpfen, das ergab eine Studie, die bereits aus dem Jahre 2009 stammt. Allein durch das Stillen entsteht ein inneres Gleichgewicht, das die Entstehung von Stress und daraus folgend hohem Blutdruck unterbindet. Doch auch Mütter, deren Kinder bereits in die Schule gehen (und die verständlicherweise nicht mehr stillen) sind für Bluthochdruck weniger anfällig. Glaubt man Julianne Holt-Lunstad von der Brigham Young University in Provo, Utah, und ihren Co-Autoren, hängt das damit zusammen, dass ein breit gefächertes Netzwerk dabei eine Rolle spielt. Erwachsene Kinder dagegen bieten ihren Eltern oft selbst soziale Unterstützung, was sich positiv auf die Gesundheit von Eltern auswirkt. Es geht also nicht nur um die Gesundheit der Mütter, sondern auch um die von Vätern. Julianne Holt-Lunstad meint, dass es schon ausreicht, wenn Eltern das Gefühl entwickeln, Sinn und Bedeutung in ihrem durch Kinder bereicherten Leben zu finden. So wurde bei Vätern ein geringeres Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen festgestellt als bei kinderlosen Männern.

 

Norweger unter der Lupe

Ganz genau wollten es die Norweger wissen. Eine Studie nahm sich alle Norweger vor, die zwischen 1935 und 1958 geboren wurden. Das Ergebnis ist eindeutig und dennoch mysteriös. Kinderlose Menschen zwischen dem 45. und 68. Lebensjahr neigen eher dazu, vorzeitig zu sterben, als Menschen mit Kindern. Kinderlose Frauen zeigten ein um 50 Prozent erhöhtes Sterberisiko, Männer immerhin eines um 35 Prozent. Auf der Suche nach den Gründen nahm sich die Studie auch der These an, dass kinderlose Frauen ein erhöhtes Brustkrebsrisiko haben. Doch auch unter Berücksichtigung dieses Faktors ergab sich kein klareres Bild.

 

Was es nicht ist

Die Ergebnisse der unterschiedlichen Studien haben vor allem eines erzeugt: Fragezeichen. Daher nähern sich zahlreiche Forscher der Frage auf dem umgekehrten Weg, nämlich nach dem Ausschlussverfahren. So widersprechen viele von ihnen der These, dass Ehe und Elternschaft an sich körperliche Gesundheit fördern. Das ist eine vermeintlich recht sichere Aussage, belegen doch zahlreiche Studien, dass Eltern oft unzufrieden sind und häufig zu Depressionen neigen. Kritiker bemängeln jedoch, dass die Ergebnisse solcher Studien schlecht oder kaum belegbar sind und verweisen auf solche Untersuchungen, die beweisen, dass Eltern insgesamt die glücklicheren Menschen sind. Die Geister scheiden sich also an ein oder derselben Fragestellung. Wobei die Lebenserwartungen von Eltern – das zeichnet sich immer deutlicher ab – höher sind. Doch womöglich liegt das gar nicht am Elterndasein, sondern hat ganz andere Ursachen und die Kinder sind eher ein zufällig vorhandener Faktor.

 

Es muss weitergehen

Geforscht wird viel, wenn es um die Auswirkung von Kindern auf ihre Eltern geht. Und der Zusammenhang zwischen Kindern und Gesundheit ist ein Feld, das bereits von unzähligen Forschern beackert wurde. Nur Belege hat es bisher nicht gegeben, also bleibt die Frage zunächst einmal ein Geheimnis, über das heftig gestritten werden kann. Im Raum steht letztlich die These, ob es Eltern wirklich besser geht an Kinderlosen. Oder ob nicht vielleicht Menschen mit einer stabilen Konstitution und guten Abwehrkräften einfach häufiger Kinder bekommen. Rodlescia Sneed bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt: „Unsere Ergebnisse, wiewohl spannend, lassen Raum für weitere Studien, um herauszufinden, wie verschiedene Aspekte des Elternseins … mit der physischen Gesundheit in Beziehung stehen könnten." Wir wissen also in jedem Fall, dass wir noch längst nicht alles wissen.