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Häusliche Gewalt – das Schweigen der Männer

Überall in Deutschland gibt es häusliche Gewalt. Dabei geht es nicht nur um Schläge, sondern auch um andere Formen der Gewalt, die als psychischer Druck ausgeübt werden. Die Zahlen belegen, dass es in aller Regel Männer sind, die gewalttätig gegenüber Frauen oder Kindern sind. Doch auch die Männer selbst sind Opfer. Die Dunkelziffer der von Frauen geschlagenen Männer ist extrem hoch, da die meisten Betroffenen aus Scham und Angst keine Hilfe suchen. So oder so, häusliche Gewalt ist nicht nur schrecklich, sie ist strafbar. Wenn es denn überhaupt zu einer Anzeige kommt.

Es gibt weder eine soziale Schicht, noch eine spezielle Altersgruppe oder religiöse Sichtweise, die besonders von häuslicher Gewalt betroffen ist. Es kann jeden treffen, wer „aus gutem Hause“ kommt, ist ebenso gefährdet wie Menschen, die aus finanziell schwachen Verhältnissen kommen. Selbst wenn Kinder nicht direkt betroffen sind, leiden sie doch am meisten unter der Gewalt. Allein das Beobachtete zu verarbeiten, ist oft nur schwer oder gar nicht möglich.

 

Die Gewaltspirale

Die Gewaltspirale funktioniert meistens nach einem wiederkehrenden Prinzip. Zunächst wird die gewaltausübende Person wütend, das Opfer versucht zu beschwichtigen, zu beruhigen, doch das steigert nur die Wut. Die Misshandlung beginnt.

Dann folgt die Entschuldigung, und die zeigt, wie unlösbar die Situation sich darstellt. Denn die Person, die Gewalt ausgeübt hat, bittet nicht einfach um Entschuldigung. Fast im selben Atemzug macht sie das Opfer dafür verantwortlich. Sätze wie „Warum machst Du das aber auch immer wieder? Du weißt doch, dass mich das wütend macht!“ sind keine Seltenheit und bringen das Opfer in eine Rolle, die katastrophale Auswirkungen auf die Psyche hat. Die Abschwächung, dass es doch eigentlich nicht so schlimm gewesen ist, komplettiert das grauenvolle Bild.

Die dritte Phase ist wohl die gefährlichste und schmerzlichste. Sie kann als „Ruhe vor dem Sturm“ bezeichnet werden, denn der Täter verhält sich während dieser Zeit sehr ruhig, oft sogar ausgesprochen nett. Er macht Geschenke, spricht das Geschehene aber nicht an. Es ist, als ob nie etwas passiert wäre. Für das Opfer führt das zu zwei vorrangigen Gefühlen. Erstens zu der Hoffnung, dass es vielleicht nur ein einmaliger Ausrutscher war. Und zweitens zu einem dauerhaften Gefühl der Angst. Diese Gewaltspirale kann sich etliche Male wiederholen, ohne dass es zu einem Ende kommt. Die einzige Lösung ist die Trennung oder die Einsicht beim Täter, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Beides geschieht jedoch eher selten.

 

Formen der Gewalt

Gewalt äußert sich in einer Vielzahl von Formen. Die offensichtliche körperliche Gewalt ist natürlich die eindeutigste, zu ihr gehört neben Schlägen auch das Kratzen oder Beißen, das Verbrennen oder Werfen mit Gegenständen und Messerattacken. Nicht weniger folgenreich ist psychische Gewalt, die sich schon in massiven Drohungen äußern kann. Die Ankündigung von Schlägen, sexueller Gewalt, Rufmord, aber auch Selbstmorddrohungen lösen Angst und Panik beim Opfer aus, selbst wenn es nicht zur Umsetzung kommt. Die vielleicht schlimmste Form ist die Drohung, sich selbst und dem Kind etwas anzutun. Sie führt beim Opfer zu einer lähmenden Angst.

Die dritte Form der Gewalt ist sexueller Natur. Hier sind die Opfer fast immer Frauen, doch auch Kinder sind in erschreckender Weise bedroht. Die Fälle der Kirche zeigen, dass auch bei dieser Thematik keine menschlichen Bereiche ausgenommen werden können. Herkunft oder soziale Hintergründe sind nicht maßgeblich für körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt. Es geht immer um Machtfantasien. Und die gibt es überall.

 

Der bedrohte Mann

Auch Männer sind Opfer von häuslicher Gewalt. Sie leiden nicht weniger als Frauen in der Opferrolle, Hilfe holen sie sich jedoch noch seltener als das bei Frauen der Fall ist. Es mag beinahe zynisch klingen, aber Frauen wird die Opferrolle gesellschaftlich eher „zugestanden“ als Männern. Ein Mann ist potentieller Täter, aber doch kein leidendes Opfer. So sehen es die meisten misshandelten Männer auch. Ihre Hilflosigkeit ist weder schlimmer noch harmloser als die betroffener Frauen. Sie ist genauso tragisch und schrecklich. Eindrucksvoll hat die Machtlosigkeit eines Mannes, der von seiner Frau misshandelt und gequält wird, der Schauspieler Matthias Brandt in dem Film „Gegenüber“ dargestellt (mehr Infos dazu unter http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,511093,00.html).

 

Ausweg aus dem Schweigen

Das Schweigen der Männer – sind sie Täter und in der Ruhephase vor der nächsten Tat, besteht ebenso Handlungsbedarf wie für all jene, denen als Opfer der Mut fehlt, sich Hilfe zu holen. Misshandelte Frauen und Männer können nicht darauf hoffen, dass sich die Situation von alleine verbessert. Das ist fast nie der Fall. Aber man kann etwas unternehmen:

 

  • Bei Verletzungen ist der Gang ins Krankenhaus wichtig. Es muss dokumentiert werden, dass es sich nicht um einen Treppensturz oder das Stoßen an der Tür handelt.
  • Auch vertrauensvolle Zeugen können später eine entscheidende Rolle spielen.
  • Selbst wenn es viel Mut erfordert, der Gang zur Polizei wird über kurz oder lang sowieso nötig. Die wimmelt Opfer gern ab, das ist aber unzulässig. Im Notfall sollte man es bei einer anderen Dienststelle versuchen.
  • Es gibt zahlreiche Opferberatungsstellen, die wichtige psychologische Unterstützung leisten. Niemand darf mit seinem Leid alleine sein.

 

Natürlich geht diesen Maßnahmen immer der Versuch voraus, mit dem Partner oder der Partnerin zu sprechen, um den Teufelskreis zu durchbrechen. Hin und wieder handelt es sich vielleicht tatsächlich um den viel zitierten Ausrutscher. Doch meistens ist das leider nicht so.