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„Lass mal, ich mach schon…“ – wenn junge Mütter nicht delegieren können

Zahlreiche junge Mütter setzen sich selbst unter enormen Druck, gerade beim ersten Kind. Sie sollen alles perfekt machen und geben ungern auch nur kleine Aufgaben ab. Dieser Stress kann zu völliger Überforderung der Frau führen. Spätestens dann wird er zu einer Belastung für die gesamte Familie. Wie kann ein junger Vater seiner Partnerin helfen, diesem Teufelskreis der Überforderung zu entgehen?

Besonders beim ersten Kind neigt eine Mutter leicht mal dazu, es mit dem Perfektionismus zu übertreiben. Kein Stäubchen darf im Kinderzimmer, kein Wasserfleck in den gespülten Babyflaschen sein. Jede Form von Unbill ist vom Nachwuchs fernzuhalten - koste es, was es wolle. Zur Not auch das letzte bisschen Kraft und den letzten Nerv. Das Kind könnte verwahrlosen, gar krank werden und wer muss sich dann kritisieren lassen? Na bitte. Einem Vater wird ja so manches nachgesehen. Wenn Papa mit dem Kleinen auf dem Spielplatz ist, dann schaut keiner kritisch, wenn Schokolade am Kindermundwinkel oder Eigelb auf dem Kinderpulli prangt. Das ist dann putzig, weil der Papa, der kann das ja nicht so. Einer Mutter aber darf so etwas nicht passieren. Ist sie vielleicht mit ihren Gedanken wieder ganz woanders als bei ihrem Kind, die grenzenlos egoistische Person?

 

Soviel dazu, was sich möglicherweise im Kopf Ihrer Frau und Mutter Ihres Kindes abspielt. In der humoristischen Schilderung steckt jedoch wohlmöglich ein ernsthafter Kern, der früher oder später zu ebenso ernsthaften Missstimmungen innerhalb der jungen Familie führen kann.

Wenn Perfektion zum Familienproblem wird

Wenn ein Vater aufmerksam ist, dann wird er bemerken, dass seine Frau zusehends verkrampft und sich einfach zu viel aufbürdet. Er wird dann fragen: „Schatz, kann ich dir das nicht abnehmen? Lass mich doch helfen.“ Meine Herren, das ist nett gemeint und es ist auch richtig, diese Worte zu sagen. Sie müssen jedoch damit rechnen, dass Ihre Partnerin Ihr Angebot nur sehr zögerlich annimmt. Wenn sie es tut, dann müssen Sie weiterhin damit rechnen, dass sie sich eben nicht entspannt, während Sie ihr einen Arbeitsschritt abnehmen, sondern dass sie tatsächlich oder zumindest in Gedanken die ganze Zeit über hinter Ihnen steht und Sie mit Argusaugen beobachtet. Sie wartet förmlich nur darauf, dass Sie etwas tun, was in ihren Augen ein Riesenfehler ist. Sie putzen das Kinderzimmer anders (nicht gründlich genug!) oder Sie waschen die Babyflaschen anders (nicht akribisch genug!). Wenn Sie mit dem Kind rausgehen, ziehen Sie es nicht richtig an (nicht warm genug!), wenn Sie die Windel wechseln, dann putzen Sie den Babypopo nicht richtig ab (nicht trocken genug!). Kurz, nichts, was Sie tun, ist gut genug. Nichts findet Gnade unter den Augen Ihrer Partnerin. Sie reagieren darauf zunächst geduldig und verständnisvoll, dann aber mit zunehmender Verärgerung. „Hör mal, ich bin doch kein Idiot! Ich kann das!“ werden Sie vielleicht ausrufen. Ihrer Frau aber wird der Sinn nicht nach dieser Art von Auseinandersetzung stehen, sie wird schlicht die Kraft nicht haben dafür. Sie wird Ihnen was auch immer Sie gerade tun aus der Hand nehmen, murmeln „Lass mal, ich mach das schon…“ und alles wird so sein wie vorher. Problem nicht gelöst.

Der Überforderungsspirale entkommen

Frauen, die zum ersten Mal Mutter werden, geraten leicht in diese Überforderungsspirale. Sie haben die Vorstellung, dass nur sie selbst wissen, was gut für ihr Kind ist. Dass Sie als Partner Dinge zwar anders lösen, dass das aber nicht zwangsläufig direkt in eine lebensbedrohliche Situation für das Kind münden muss, zu diesem Gedankenschritt ist sie oft nicht oder nicht mehr in der Lage. Sie ist innerlich festgefahren und vielleicht sogar gelähmt.

In einem Ratgeber las ich dazu den Ratschlag für Väter, die Mütter einmal für fünf Tage in den Urlaub zu schicken. Ohne Kinder, natürlich. Die Mutter dürfe vorher keine ellenlangen Listen mit Anweisungen anfertigen und überall in der Wohnung mit Tesafilm befestigen, sie dürfe weiterhin nicht jeden Tag 10x anrufen und fragen, ob alles in Ordnung ist. Vielmehr solle sie quasi dazu gezwungen werden, die Kontrolle abzugeben und sich einfach mit dem Gedanken anfreunden, dass der Vater die Kinder schon nicht töten oder zumindest fürs Leben traumatisieren wird.

Kleine Schritte gehen

Das ist – ansatzweise – eine gute Idee. In der praktischen Umsetzung ist es vielleicht doch ein wenig radikal. Wir empfehlen kleinere Schritte. Das Kind mal ein paar Stunden, vielleicht einen Nachmittag lang, allein beim Vater lassen. Die Mutter ein wenig Kraft tanken und ein wenig Vertrauen fassen lassen. Vorträge, die mit „Und wenn Du die Fläschchen dann…“ oder mit „Aber nicht vergessen, die Creme auf den Popo…“ vielleicht mit einem liebevollen Kuss und einem „Schatz, vertrau mir, ich kann das.“ unterbrechen. Die Frau zur Tür bringen, sanft hinausschieben und sagen: „Wenn das Haus brennt, rufe ich an.“