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Wie sich das Sexleben mit Kind verändert – ein schonungslos ehrlicher Bericht

Mit einem Kind verändert sich das Liebesleben eines Paares zwangsläufig. Ein Vater berichtet ganz offen, dass sein Sexleben seit der Geburt von Tochter Lilly fast völlig zum erliegen gekommen ist – und nennt die Gründe dafür. Einfache Lösungen für das Problem sieht er nicht …

Vor ein paar Wochen schrieb ich in einem Artikel zu unseren Überlegungen und Versuchen, ein zweites Kind zu bekommen und von unserem seit der Geburt unserer Tochter vor fast 2 Jahren „fast gänzlich eingefrorenen Liebesleben“. Hierzu gab es auf Facebook einige sehr erstaunte, ja sogar empörte Kommentare, wie man bei so wenig Sex denn noch von einer Partnerschaft reden könne. Da ich aber von eigentlich allen Paaren aus unserem Bekanntenkreis weiß, dass es Ihnen ähnlich geht, möchte ich hier – wenn meine Frau auch nicht begeistert ist – über unser Sexleben schreiben und wie wir dahin kamen, wo wir jetzt sind: bei einem „fast gänzlich eingefrorenen Liebesleben“.

 

Ein Kind zeugen – nicht immer ein Spaß

Kurz ein paar Sätze zur Vorgeschichte: Als meine jetzige Frau und ich uns kennenlernten spielte Sex eine sehr große Rolle. Sie war Ende Zwanzig, ich Mitte Dreißig und wir konnten die Hände kaum voneinander lassen. Damals hatte sie sich gerade von ihrem Partner getrennt und Kinder waren überhaupt kein Thema für sie. Dies änderte sich im Laufe der Jahre langsam. Als wir den Entschluss für ein Baby fassten, war meine Frau Mitte Dreißig und ich Anfang Vierzig. Zunächst ließen wir es ganz langsam und locker angehen und sie verzichtete einfach auf die Pille. Nach sieben Jahren Beziehung kannten wir uns sehr gut, waren uns vertraut und hatten inzwischen viel weniger Sex als in der Zeit unseres Kennenlernens. Ganz normal, denke ich. Die erhoffte Schwangerschaft wollte sich nicht einstellen. So begannen wir nach etwa einem halben Jahr, „Sex nach Zyklus“ zu haben und intensivierten unser Sexleben um die vielversprechenden Tage herum, die wir errechnet hatten. Aus purem „Spaßvögeln“ wurde langsam eine ernste Sache. Nach etwas mehr als einem Jahr vergeblicher Versuche ließen wir uns auf unsere Fruchtbarkeit prüfen – zum Glück war alles in Ordnung. Allerdings wiesen uns die Ärzte auf das fortgeschrittene Alter meiner Frau hin – und so nahm der Druck noch einmal zu. Der Spaß bei der Zeugung war inzwischen weitgehend auf der Strecke geblieben. Schließlich kaufte meine Frau einen Ovulationstest, der über den Urin die fruchtbaren Tage ermittelt. Nur Wochen später kam die Erfolgsmeldung – meine Frau war schwanger. Sie hatte schlicht einen ungewöhnlichen Zyklus.
Leider verlor meine Frau das Kind in Woche 10. Wir waren jedoch inzwischen froh zu wissen, dass wir „schwanger werden können“. Ein paar Monate später gab es dann wieder frohe Kunde beim Frauenarzt.

Sex in der Schwangerschaft – nicht immer ein Vergnügen

Die Schwangerschaft lief ohne große Komplikationen ab. Meine Frau hatte ziemliches Sodbrennen und war ständig müde, jedoch nichts Schlimmes. Sex hatten wir dennoch sehr wenig. Zum einen, weil meine Frau erschöpft war, zum anderen, weil wir beide keine große Lust verspürten. Der Stress des „Zeugungssex“ hatte uns etwas die Lust verdorben. Außerdem fand meine Frau sich selbst in dieser Zeit nicht extrem sexy und für mich stellte der Sex mit einer Schwangeren keinen zusätzlichen Reiz dar.

Das Baby ist da – und Sex ist erst einmal kein Thema

Die Geburt unserer Tochter Lilly lief ohne Probleme ab. Allerdings kam sie ein paar Wochen zu früh und wog bei der Geburt weniger als 2.400 Gramm. Daher war es sehr wichtig, dass sie so viel Nahrung wie möglich zu sich nahm. So kam es, dass wir uns in den ersten Wochen mit dem Schlafen abwechselten, damit immer einer von uns wach war, für den Fall, dass Lilly Hunger haben sollte. Meine Frau und ich waren erschöpft, aber glücklich. An Sex dachten wir zu dieser Zeit überhaupt nicht. Nach den ersten Wochen, in denen einer von uns immer mit Lilly auf der Couch blieb, um dem anderen ein paar Stunden tiefen Schlaf zu ermöglichen, zog Lilly ins Beistellbett um und war damit in unserem Schlafzimmer. Ruhig waren die Nächte so nicht, aber es war bequemer für meine Frau und unser Kind genoss es, bei uns zu sein. Lust auf Sex mit dem Baby an unserer Seite kam bei uns jedoch nicht auf.

Unsere Tochter Lilly entwickelte sich zum Glück hervorragend. Ihr Nachtschlaf war jedoch noch immer sehr unruhig. Mit etwa einem Jahr zog sie schließlich in das Kinderbett in ihrem Zimmer um. Allerdings war sie noch immer weit davon entfernt, die Nacht durchzuschlafen. Die Müdigkeit war weiter ständiger Begleiter von uns Eltern.

Wo wir nun stehen und warum unser Liebesleben eingeschlafen ist

Inzwischen arbeitet meine Frau wieder. Ich als Heimarbeiter bin derjenige, der den größeren Teil der Kinderbetreuung übernimmt – und in der Regel auch mögliche Nachtschichten. Wenn unsere lebhafte Tochter abends nach 20 Uhr im Bett ist, beginnt für uns der gemütliche Teil. Erschöpft wie wir vom Tag sind bereiten wir uns noch etwas zu Essen zu und machen es uns damit vor dem Fernseher bequem. Meist geht meine Frau eine Stunde später in Richtung Bett. Unser Sexleben ist – wie zuvor erwähnt – nahezu komplett eingeschlafen. Woran das liegt? Zum einen an den kurzen Abenden alleine und unserer ständigen Müdigkeit. Zum anderen daran, dass es im Leben mit kleinem Kind die Spontaneität und die Freiheiten, die man früher hatte, nicht mehr gibt. Die Möglichkeit zu Sex gibt es für Eltern – selbstverständlich – nur, wenn das Kind entweder schläft oder aus der Wohnung ist. Da wir hier keine Großeltern in der Nähe haben, bei denen wir das Kind parken könnten, ist die zweite Option nicht so einfach zu bewerkstelligen. Wenn wir einen Babysitter haben, dann ist der normalerweise mit Lilly in unserer Wohnung und wir gehen auswärts Essen. Ein Hotelzimmer für ungestörte Zweisamkeit haben wir uns bisher noch nicht gemietet – und auch für das Auto fühlen wir uns inzwischen etwas zu alt.

Was also tun? „Daran arbeiten“ – klingt das sexy?

Meine Frau und ich mögen uns beide noch immer sehr und finden uns auch körperlich attraktiv. Trotzdem ergibt sich Sex nicht so einfach. Wie könnte also eine Lösung aussehen? Häufig wird geraten „daran zu arbeiten“. Klingt vernünftig. Aber ist „daran arbeiten“ sexy? Für mich ist guter Sex heiß, geil, wild – und hat sehr wenig mit dem Wort „Arbeit“ zu tun…

Uns beiden fehlt Sex und wir müssen tatsächlich daran „arbeiten“, uns bewusst körperlich anzunähern. Das wissen wir. Wir müssen uns Freiräume schaffen, Zeit ohne Kind, wir müssen wieder spontaner werden. Das klingt nach Arbeit, es klingt unsexy, aber eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Ich weiß, wir werden es schaffen – weil wir uns wichtig genug sind.

 

Nachwort:
Tatsächlich war es für mich früher nicht vorstellbar, so selten Sex zu haben, wie das seit der Geburt unseres Kindes der Fall war – zum Teil über Monate nicht. Trotzdem muss ich sagen, dass ich damit leben kann. Ich verstehe, warum die Situation so ist, wie sie ist und bereue nichts. Wir haben weniger Sex, weil wir ein Kind haben – und unsere Tochter ist mir dieses Opfer wert. Natürlich fehlt mir die Vögelei und ich habe schon häufiger mit etwas Wehmut an „früher“ gedacht. Aber ich habe nie ernsthaft überlegt, meiner Frau untreu zu werden. Das ist es mir nicht wert. Vielleicht hat mein fortgeschrittenes Alter oder unsere lange Beziehung damit etwas zu tun. Ohne Kind hätten wir sicher mehr und besseren Sex. Aber würde ich tauschen wollen? Keine Chance!

 

Dies ist ein sehr persönlicher Bericht über unser Sexleben. Nur aufgrund der Anonymität hier bin ich so offen. Ich kenne einige Paare, bei denen es zumindest ähnlich ist. Andererseits gibt es sicher zahlreiche Paare, die nach dem ersten Kind wieder zu einem richtig guten Liebesleben zurückgefunden haben. Denen möchte ich ganz herzlich gratulieren – und ihnen sagen, dass ich sie ein wenig beneide ;-)

Speziell zu diesem Thema würden wir uns sehr über Eure Kommentare freuen. Wie schafft Ihr es, „Sex trotz Kind“ zu haben? Wie schafft Ihr Euch die Freiräume? Wann und wo habt Ihr Zeit für Zweisamkeit? Wir sind gespannt auf Eure Tipps.