Pixabay - CC0 Creative Commons
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Brauchen wir eigentlich noch einen Muttertag?

Bald ist es wieder so weit: am zweiten Sonntag im Mai machen Blumenläden das Geschäft des Jahres. Mütter werden mit Frühstück am Bett geweckt und nehmen freudestrahlend Selbstgebasteltes aus der Kita in Empfang. Hinterher hat die Küche die Reinigung besonders nötig, und am nächsten Tag kehrt der Alltag ein. Ist dieser Tag nicht allein schon deshalb überholt, weil ihn die Nazis erfunden haben?

Bald ist es wieder so weit: am zweiten Sonntag im Mai machen Blumenläden das Geschäft des Jahres. Mütter werden mit Frühstück am Bett geweckt und nehmen freudestrahlend Selbstgebasteltes aus der Kita in Empfang. Hinterher hat die Küche die Reinigung besonders nötig, und am nächsten Tag kehrt der Alltag ein. Ist dieser Tag nicht allein schon deshalb überholt, weil ihn die Nazis erfunden haben?

Wer hat´ s erfunden?

Die Nationalsozialisten haben den Muttertag entgegen anderslautender Behauptungen nicht erfunden, auch wenn sie der Mutterschaft einen hohen Stellenwert zusprachen – natürlich nur bei den Müttern, die in ihr Konzept passten. Den „Mothers Friendship Day“ erfand jedoch Ann Maria Reeves Jarvis im Jahr 1865, eine amerikanische Methodistin, die ihren Traum von einem landesweiten Muttertag an ihre Tochter Anna Marie Jarvis weitergab. Diese schaffte es durch jahrelangen persönlichen Einsatz tatsächlich, dass 1908 der erste offizielle Muttergottesdienst veranstaltet wurde, bei dem sie rote und weiße Nelken verteilen ließ. Bereits im Jahr darauf wurde der Muttertag in 45 amerikanischen Staaten gefeiert, und ab 1914 wurde der zweite Sonntag im Mai offiziell als nationaler Feiertag begangen.
Heute wird der Muttertag in über 40 Ländern gefeiert, wenn auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Dennoch ist es anscheinend ein internationales Bedürfnis, die Leistungen der Mamas wenigstens einmal im Jahr zu honorieren. Doch ist das noch zeitgemäß?

Elterntag, Vatertag, Muttertag?

Familie wird heute viel mehr als „Elternsache“ gedacht, weniger als Mamas Angelegenheit, die das Kind schon schaukeln wird. Väter bringen sich mehr ein, wollen Verantwortung tragen und einen gleichberechtigten Elternplatz neben den Müttern einnehmen. Dennoch sind die meisten Männer – nicht nur die Väter allein – am sogenannten Vatertag, der mit Christi Himmelfahrt zusammenfällt, mit ihren Bollerwagen voller alkoholischer Getränke unterwegs, anstatt wie Mama brav das vom Junior gerichtete Frühstück zu genießen und danach die Küche zu putzen. Allein schon wegen dieser Unterschiede plädieren manche Eltern dafür, lieber einen „Elterntag“ einzurichten, um die Leistungen aller Elternteile zu würdigen.

Aber was brauchen Mütter eigentlich?

Früher gab es das Bild der Mutter, die sich für ihre Familie aufopfert und ihre eigenen Bedürfnisse hintenanstellt. Um ehrlich zu sein, viel geändert hat sich hier nicht, nur dass Mamas sich heute für die Familie und den Beruf aufopfern und zwischen all den Ansprüchen, die an sie gestellt werden, beinahe zerreiben. Anstelle der Krümel im Bett und dem ungenießbaren Kaffee hätte manche Mama am Muttertag lieber ein paar Stunden für sich allein und eine anständige Fußmassage. Und vor allem: die echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und weniger Angst vor der Alltagsarmut. Aus diesem Grund haben im Jahr 2017 zwei Mütter eine Aktion gestartet, bei der Mamas unter dem Hashtag #muttertagswunsch ihre Wünsche an die Politik äußern sollten. Die Resonanz war enorm, wenn auch gespalten. Denn inwieweit ist der Muttertag ein Politikum?

Blumen vom Bürgermeister?

Was den politischen Aspekt betrifft, der durch #muttertagswunsch in die Debatte um den „Ehrentag“ der Mütter eingebracht wurde, ist der Muttertag tatsächlich überholt. Heute bekommt man trotz des demografischen Wandels auch für eine Handvoll Kinder keine Medaille oder Verdienstkreuz, sondern wahrscheinlich später eine Mini-Rente, die einem die Tränen in die Augen treibt. Natürlich, vieles kann sich in unserem Land noch ändern, Familien können entlastet und die Care-Arbeit von Eltern mehr wertgeschätzt werden. Doch was hat das mit dem Muttertag zu tun? Nein, Mamas brauchen keine Blümchen vom Bürgermeister – doch Blümchen vom Junior brauchen sie schon!

Wir brauchen keinen Muttertag – aber wir wollen ihn

Wer über die Abschaffung des Muttertages oder seine Umwandlung in einen „Elterntag“ nachdenkt, der möge sich einmal in Erinnerung rufen, wie seine Mama sich gefreut hat, als sie an diesem Sonntag ihren obligatorischen Blumenstrauß, ihre selbst gebastelte Karte, die gemalten Gutscheine oder die vom Mund abgesparten Süßigkeiten geschenkt bekommen hat. Ja, sie war glücklich, und auch für einen selbst als Kind war es unheimlich aufregend, im Kindergarten oder in der Schule, mit dem Papa oder den Geschwistern zusammen ein schönes Geschenk zu basteln, eine Aktion zu planen und sich an diesem Tag in Erinnerung zu rufen, welche Blumen Mama am liebsten hat. Natürlich gibt es den Frauentag, doch Mamas sind eben Frau und Mutter. Natürlich kann man einen Elterntag etablieren, doch würde man den Mamas damit einen Gefallen tun? An diesem einen Tag des Jahres stehen sie in ihrer Familie im Mittelpunkt, bekommen liebevolle, individuelle und manchmal sogar praktische Geschenke und dürfen sich in einer manchmal unbeholfenen Art ein wenig feiern lassen. Es ist egal, wie kommerzialisiert das Ganze zu sein scheint, und ob diesen Tag angeblich die Floristen erfunden haben. Es verlangt ja auch niemand, dass es zu Hochzeiten oder Beerdigungen weniger Blumen geben soll, weil die Blumenläden sonst zu viel verdienen!

Einigen wir uns darauf, dass Familien selbst entscheiden, wie sie mit diesem Tag umgehen, doch offen gesagt wäre es schade, wenn es ihn nicht mehr gäbe. Denn was auch immer politisch in diesem Land so läuft, es ist heute noch schön, der Mama einen Blumenstrauß oder ein Präsent zu schicken. Es ist ein großes Glück, wenn man es noch tun kann! Und natürlich werden auch die Väter nicht vergessen. Perfekt wäre es, wenn sie „ihren Tag“ nutzen und anstelle eines Fässchens Bier die Kindern in den Bollerwagen setzen, dann zum Spielplatz gehen und die gemeinsame Zeit mit dem Junior genießen, die immer noch viel zu rar gesät ist.

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