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Wie Kinder ihre Umwelt erleben

Kinder sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen anders als Erwachsene und nehmen die Welt dadurch auf unterschiedliche Weise wahr. Je nach Alter sind die einzelnen Sinne noch nicht vollständig entwickelt beziehungsweise arbeiten besonders intensiv und auch die geistige Entwicklung spielt eine Rolle dabei, wie Kinder ihre Umwelt erleben.

Schon im Mutterleib beginnen sich die Sinne zu entwickeln. Das Kind kann alles, was es in dieser Zeit braucht. So kann es jetzt schon fühlen, hören, sehen, riechen und schmecken und bereits aber der 35. Schwangerschaftswoche kann es verschiedene Tonhöhen unterscheiden und einzelne Stimmen erkennen. Direkt nach der Geburt wird als erstes der Geruchssinn benötigt. Im Laufe seiner Entwicklung werden sämtliche Sinne verfeinert und das Kind nimmt ein immer größeres Umfeld wahr.

 

Der Sehsinn

Die ersten Augenbewegungen sind in der 16. Schwangerschaftswoche zu beobachten. Auch wenn der Sehsinn noch nicht genutzt wird, trainiert der Embryo bereits ab diesem Zeitpunkt die Augenmuskulatur. Nach der Geburt ist der Sehsinn noch unentwickelt, die Sichtweite beträgt etwa 20 bis 30 Zentimeter. Neugeborene sehen verschwommen und ohne Tiefenschärfe. Allerdings können sie bereits Gesichter erkennen. Im ersten Lebensjahr entwickelt sich der Sehsinn stetig weiter. Das Kind lernt die Augen so zu fokussieren, dass es dreidimensional sieht. Im Vergleich mit erwachsenen Menschen ist das Gesichtsfeld um etwa 30 Grad eingeschränkt. Das sogenannte periphere Sehen, das es uns erlaubt, etwas aus dem Augenwinkel zu betrachten, steht dem Kind nicht zur Verfügung. Durch ihre Größe sehen Kinder die Welt aus der Perspektive eines Frosches. Alles wirkt größer und hat durch den Blickwinkel andere Proportionen. Die Umstellung zwischen nahem und fernen Sehen verläuft bei Kindern verlangsamt. Deshalb wirkt es oft so als würden Kinder ins Leere starren.

Erst mit etwa neun Jahren bildet sich das sogenannte stereoskope Tiefensehen aus. Ab dann können Kinder Entfernungen realistisch einschätzen. Kleinkinder, die diese Fähigkeit noch nicht erreicht haben, sehen das, was größer ist, automatisch auch näher.

Das Gehör

Das Hören beginnt in der 24. Schwangerschaftswoche. Je näher die Entbindung rückt, umso differenzierter kann das Kind einzelne Töne unterscheiden und dadurch auch die Stimmmuster der Eltern oder Geschwister erkennen. Im ersten Lebensjahr entwickelt sich das Hören weiter und das Kind reagiert zunehmend auf Geräusche von außen. Die Hörfähigkeit gegenüber Erwachsenen ist um etwa 10 dB vermindert, weiterhin können bis zum 8. Lebensjahr Geräusche, die von hinten kommen, nur schwer lokalisiert und gehört werden.

Riechen, Schmecken, Fühlen

Die sensitiven Sinne sind ebenfalls in ihren Anlagen vorhanden und entwickeln sich im Laufe der Zeit. Der Geruchssinn entwickelt sich gegen Ende der Schwangerschaft und ist für das Kind überlebenswichtig, denn er hilft ihm, seine erste Nahrungsquelle zu finden – die mütterliche Brust. Neugeborene können bereits die Geschmacksrichtungen süß, sauer und bitter unterscheiden. Im Alter von etwa vier Monaten folgt die Erkennung von salzigem. Die Entwicklung der Geschmacksnerven ist damit abgeschlossen und dem Kind steht die Möglichkeit offen, alle möglichen Geschmacksrichtungen zu kosten und zu bewerten. Das Fühlen, die taktile Wahrnehmung ist einer der ersten Sinne, die das Kind nutzt. Es genießt die Berührung und das Streicheln der Mutter, begreift Dinge und erkundet so seine Umwelt. Die Haut ist unser größtes Organ und verfügt über viele Nervenenden, die bereits bei Kindern gut ausgebildet sind. Allerdings erfolgt die Reizweiterleitung anfangs zeitverzögert: Ein Kind, dass sich am heißen Herd verbrennt, wird erst eine Sekunde später beginnen zu schreien, weil es erst dann den Schmerz fühlt. Verschiedene Nervenzellen sind bei Kindern noch nicht voll entwickelt. Dies führt dazu, dass Kinder Schmerzen nicht immer lokalisieren können. Sie weinen und sprechen von Bauchschmerzen, obwohl ihnen in Wirklichkeit der Kopf wehtut. Die Fähigkeit, den Ort des Schmerzes lokalisieren zu können, entsteht mit etwa sechs Jahren. 

Das Kind als Mittelpunkt der Welt

Mit drei Jahren hat das Kind ein eigenes Ich-Bewusstsein erlangt. Es spricht von sich selbst in der ersten Person, bewertet seine eigenen Handlungen und entwickelt Gefühle wie Stolz, Scham oder Verlegenheit. Dies führt dazu, dass es sich zum einen nur auf ihre eigenen Wahrnehmungen verläßt und davon ausgeht, dass das, was es nicht sehen kann, auch nicht vorhanden ist. Zum anderen übertragen das Kind seine eigenen Gefühle und Beobachtungen auch auf andere. Bestes Beispiel ist der Fall, in dem sich ein Kind die Augen zuhält und denkt, dann würde es auch der Erwachsene nicht sehen. Aufgrund dieser Art, die Welt zu empfinden, kann ein Kind Gefahren, zum Beispiel im Straßenverkehr nur sehr schlecht beurteilen.

Ihr Kind nimmt die Welt mit seinen eigenen Sinnen und aufgrund seiner eigenen Erfahrungen wahr. Das führt zu Einschränkungen und kann Probleme erzeugen, zum Beispiel im Straßenverkehr, beim Spielen oder auch im Krankheitsfall. Dies alles bietet aber auch die Möglichkeit, sich darauf einzulassen und sich daran zu erinnern, wie es sich anfühlte, als man selbst noch Kind war.