Trennungsvater, aber stolz wie Oskar

Ich werde Vater. Als diese Nachricht vor fünf Jahren mein Trommelfell traf, den Gehörgang passierte und schließlich in meinem Gehirn ankam, war es, als würde – ja, wie war es eigentlich? Druckgefühl im Bauch! Tat weh und gut gleichzeitig. Wie damals vor der Fahrprüfung. Erst drückt es, aber wenn man den Lappen in der Tasche hat, tut es gut.

Naja, ich gebe zu - ein sehr abstrakter Vergleich. Aber dennoch irgendwie zutreffend, denn ähnlich wie nach der Führerscheinprüfung habe ich im Laufe der Jahre auch mit meiner Tochter schon das eine oder andere Knöllchen kassiert. Hundsgemeine Knöllchen zuweilen. „Papa, warum hast Du so wenig Haare?“ oder „Konntest Du früher auch schon nicht so schnell laufen“ waren nur die harmlosesten. Aber gelohnt hat es sich trotzdem.

 

Ohne mich in Lobhudelei zu ergießen: Aber ich habe mir das alles selbst beigebracht, weil ich zu den Vätern gehöre, die ihre Kinder nur ab und zu sehen dürfen. Meine Frau und ich trennten uns, da war die Kleine 11 Monate alt. Von da an war ich alleine mit der Frage „Wie-sieht-eigentlich-die-rosafarbene-Welt-eines-kleinen-Mädchens-aus“? Ist die überhaupt rosa? 

 

Ahnung vom „Vater sein“ hatte ich nämlich keine. Ich habe das Prinzip „Learning by doing“ praktiziert. Erfolgreich, wie ich finde. Vatersein muss man lernen. Da wächst man rein. Jeden Tag ein bisschen mehr.

 

Zum Beispiel beim Essen. Das geht ja schon beim Kochen los. Gemeinsam kochen mit der kleinen Tochter – ein Erlebnis! Unnötig zu erwähnen, dass die Küche anschließend aussieht, als hätte man eine Horde hungriger Ex-Dschungelbewohner ins Fastfood-Restaurant gelassen. Und die gemeinsam zubereiteten Gerichte beschränken sich auch eher auf das Notwendigste. Nudeln mit Sauce zum Beispiel. Das zumindest war mein Plan. Also: Nudeln gekocht, alle 30 Sekunden probiert, ob sie schon gar sind – und dann waren wir beide satt von halbrohen Spirelli. Wer braucht schon Sauce?

 

A propos Essen: Ich bin bis heute nicht dahinter gestiegen, warum es so wichtig ist, dass Wurst ein Gesicht hat. Gut, sieht lustig aus, aber warum kriegen die Wurstbrote auch noch Namen? Antwort meiner 4-Jährigen: „Da ist doch ein Gesicht drauf!“ Achja, klingt logisch. 

Erklär’ mal Deinen Kumpels im Sportverein, dass du gestern Abend Mopsy gegessen hast...

 

So heiter sich das auch alles anhört – ich möchte nicht vergessen zu erwähnen, dass Trennungsväter, wie ich einer bin, naturgemäß nicht die volle Bandbreite der Entwicklung ihrer Kinder mitbekommen und genießen können. Wie auch? Das Fahrradfahren zum Beispiel hat meine Tochter vom neuen Partner ihrer Mutter beigebracht bekommen. Freudestrahlend fiel ihr „Bericht“ am Papawochenende dann auch aus. Da sitzt Du daneben, lächelst und freust Dich gequält mit der kleinen Heldin, und den Kloß im Hals schluckst Du nur mit ganz viel Mühe runter. Und spätestens dann kommt man zu der Erkenntnis: Als Trennungsvater kannst Du nicht überall dabei sein. Das ist zuweilen bitter. Umso wichtiger ist es, wenn Papa und Mama sich keine Steine in den Weg legen und – obwohl sie kein Paar mehr sind – Eltern bleiben!

 

Wie auf der ersten Tanzaufführung. Ein Kindermusical, für das die Kleinen monatelang geübt haben. Ich saß natürlich auch im Publikum. Weiter hinten in den Reihen. Etwas nervös, weil es für mich das erste Aufeinandertreffen mit der gesamten Familie der Mutter unserer Tochter seit der Trennung war.

Als dann der Vorhang aufging, all die Kinder auf die Bühne traten, die Musik startete und die Aufführung begann, war dieser verdammte Kloß im Hals wieder da. Aber diesmal vor Stolz. Unbändiger Stolz! Was für ein ergreifendes Gefühl. Da steht sie! Wie gut sie aussieht! Sie tanzt, sie lacht, sie freut sich - sie hat keine Lust mehr und verlässt die Bühne. Was? Warum haut sie mitten in der Aufführung ab? „He, komm zurück“, will ich rufen, „Du machst das sooo gut und ich bin so gerne stolz“, verkneife es mir aber. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt sie schließlich zurück. Sie tanzt wieder. Und jetzt sieht sie noch besser aus, sie lacht und tanzt noch schöner und Papa platzt gleich vor Freude.

Es stellte sich übrigens anschließend heraus, dass die Blase drückte. Nicht, dass die Tanzlehrerin kurz vor der Aufführung die Kinder noch aufgefordert hätte, noch schnell aufs Klo zu gehen...

 

Letzte Woche ist sie 5 geworden. Ein Vorschulkind. Nächstes Jahr drückt sie die Schulbank. Ich habe sie doch quasi erst gestern - stolz wie Oskar - meinen Kollegen auf der Arbeit vorgestellt und ihr, weil in einem Büro in der Regel keine Wickelkommode vorhanden ist, die Windeln auf dem Schreibtisch, auf dem ich meine Jacke ausgebreitet hatte, gewechselt. Sie war doch gestern noch so klein. Und jetzt kommt sie bald in die Schule. Was kommt als Nächstes? Führerschein?

Naja, da würde sich der Kreis dann ja wieder schließen.

 

 

 

Autor: Echo

 

 

 

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