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Die Gehirnentwicklung im Kindesalter – vom Neugeborenen bis zum Teenager

Nie mehr in seinem Leben wächst und gedeiht der Mensch so rasant wie in seinem ersten Lebensjahr. Das betrifft die körperliche wie die geistige Entwicklung. Das Gehirn verdoppelt in den ersten 12 Lebensmonaten sein Gewicht. Grund dafür ist die Vernetzung im Gehirn, die mit jeder neuen Erfahrung zunimmt.

Bereits im Mutterleib ist das Gehirn ständig aktiv und bildet eine Vielzahl von Neuronen aus. Bei der Geburt bringt das Neugeborene etwa 100 Millionen davon mit. Noch klein und unvernetzt, verbinden sich diese Minischaltzellen im Gehirn zu einem komplexen Netz. Am Ende des dritten Lebensjahrs besitzt ein Kind etwa 200 Billionen davon. Dies entspricht der doppelten Anzahl der Synapsen eines Erwachsenen. Bis etwa zum Ende des 10. Lebensjahres bleibt diese Menge an Verbindungen aktiv, um anschließend langsam zu sinken.

 

Synapsen im Überfluss

In den ersten Lebensjahren entwickelt ein Kind um 100% mehr an Synapsen, als ihm später als Erwachsenen zur Verfügung stehen. Grund für die hohe Anzahl im Baby- und Kleinkindalter sind die hohen Anforderungen, die an die Anpassung und Lernfähigkeit eines Kindes gestellt werden. Bei der Geburt fängt das Gehirn sozusagen bei null an und muss in vergleichsweise kurzer Zeit unglaublich viel erlernen und sich entwickeln. Anfangs ist die Gehirntätigkeit auf die Wahrnehmung und die Reaktion von Reizen beschränkt, Sprach- und Denkregionen im Gehirn sind so gut wie untätig.

Auch wenn das Baby viel zu lernen hat – die „Tabula rasa“ bei der Geburt lässt alle Entwicklungsmöglichkeiten zu und ermöglicht die Entwicklung in verschiedenen Kulturkreisen und Mentalitäten. Durch die große Menge an Synapsen ist es dem Gehirn möglich, Sprachen ebenso wie die unterschiedlichsten Verhaltensweisen aufzunehmen und zu erlernen. Dabei sind die Vernetzungen im Gehirn zu unterschiedlichen Zeiten ganz besonders oder eher weniger aktiv:

  • Im Hinterhauptslappen, der für die visuelle Wahrnehmung zuständig ist, wird die höchste Synapsendichte bereits in den ersten Lebensmonaten erreicht.
  • Das Wachstum im Stirnlappen, zuständig für Konzentration und planerisches, überlegtes Handeln ist dagegen zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr am aktivsten.
  • Die ideale Zeit, um neue Sprachen zu erlernen, endet etwa mit dem 7. Lebensjahr. Sind die zuständigen Synapsen bis zu dieser Zeit nicht angesprochen, bilden Sie sich allmählich zurück.

Je nachdem, in welcher Region das Gehirn gerade den größten Wachstumsschub erlebt, ergeben sich dort ideale Entwicklungsfenster für die Förderung. Lernerfahrungen, die dann gemacht werden, sorgen dafür, dass die Gehirnverbindungen intensiv ausgeprägt werden. Wird der „richtige Zeitpunkt“ verpasst, dann bleiben die Leistungen in diesem Bereich in der Regel durchschnittlich.

Wichtige Stufen in der Gehirnentwicklung

Von der Kindheit bis zur Pubertät verläuft die Gehirnentwicklung in verschiedenen Stufen. Ab Eintritt der Pubertät beginnen sich nicht genutzte Synapsen zunehmend zurückzuentwickeln, bis ihre Anzahl mit etwa 100 Billionen der eines Erwachsenen entspricht. Das Lernen fällt zunehmend schwerer, auch die Anpassungsfähigkeit an neue Gegebenheiten lässt mehr und mehr nach.

  • Das Langzeitgedächtnis entwickelt sich etwa im Alter von drei bis vier Jahren. Auf Erinnerungen vor dieser Zeit kann das Kind kaum zurückgreifen.
  • Ab dem vollendeten vierten Lebensjahr treten linke und rechte Gehirnhälfte mehr und mehr in Kontakt. Dadurch werden die logische und die kreative Seite miteinander verbunden und integriert. Das Kind kann Situationen besser beurteilen und fängt an, logisch zu denken oder sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Es bekommt „Abstand von sich selbst“.
  • Mit etwa sechs Jahren nehmen die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und intellektuelle Reife stetig zu. Das Kind kann Bedürfnisse aufschieben und entwickelt ein Zeitgefühl. Es beginnt, sich „vernünftig“ zu verhalten, anstatt nur von seinen eigenen Bedürfnissen und Gefühlen gesteuert zu agieren.
  • Bis zum Alter von 12 Jahren werden sprachliche Fähigkeiten und räumliches Vorstellungsvermögen deutlich entwickelt.

Jedes Kind ist anders

Welche Richtung die Entwicklung des Gehirns nimmt, ist in hohem Maß von Erfahrungen und Lernerlebnissen geprägt. Zusätzlich wirken genetische Vorbedingungen auf die Prozesse im kindlichen Gehirn mit ein. Schon von Geburt an spielt die Umgebung eine große Rolle, bereits vor der Geburt prägen das Verhalten und die Gesundheit der Mutter die Entwicklung. In den ersten Lebensmonaten sorgen Aufmerksamkeit, Liebe und Zuwendung dafür, dass sich das Kind in allen Bereichen – nicht nur in der Entwicklung des Gehirns - optimal entwickelt. Vernachlässigung, aber auch lange Krankenhausaufenthalte oder ein liebloses oder von Krankheit geprägtes Familienumfeld hemmen das Wachstum dagegen. Individuelle Unterschiede in der Gehirnentwicklung zeigen sich häufig auch unter den Geschlechtern. Untersuchungen haben ergeben, dass bei Mädchen häufig früher die Sprache entwickelt wird, Jungen hingegen glänzen in logischen und naturwissenschaftlichen Bereichen. Insgesamt sind die geschlechtertypischen Unterschiede jedoch eher schwach ausgeprägt.

Um die Gehirnentwicklung eines Kindes zu fördern, braucht es in erster Linie Liebe und Geborgenheit. Aufmerksame Eltern können individuelle Förderungen an den jeweiligen Interessen von Baby oder Kleinkind orientieren. Was findet Ihr Kind gerade besonders spannend? Reagieren Sie entsprechend und stellen Sie ihm Materialien und Anregungen zur Verfügung, die gerade jetzt zu ihm passen. Damit lassen sich die größten Erfolge erzielen und Sie aktivieren die Potenziale Ihres Kindes optimal.