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Du bist hier gar nicht der Bestimmer - was tun, wenn das Kind bockig ist?

Eben noch waren sie die reinsten Engel und plötzlich reicht der falsche Becher zum Frühstück, die falsche Hose oder der falsche Moment zum Zähneputzen, um sie in kleine, motzende Furien zu verwandeln. Alles wird durch die Gegend geworfen, Türen werden geknallt und Mama und Papa sind „voll blöd!“ 

 

Von der Theorie in die Praxis

Da muss man als friedliebender Elternteil, der Bücher gelesen hat über „Erziehung auf Augenhöhe“ und der stets mit den besten Absichten und mit endlosen Vorräten an Geduld auf das Kind eingeht, natürlich erst mal schlucken. Egal, wie vorbildlich man mit dem Kind spricht, wie konsequent man sein möchte, wie freundlich man den Tonfall stets hält … irgendwann wird es einem passieren, dass der Sohnemann oder die kleine Prinzessin einem direkt ins Gesicht sagt: „Nein, das will ich jetzt gar nicht und du bist eh gar nicht der Bestimmer!“ 

Und dann sitzt man da mit seinem angelesenen Latein. Dann denkt man „So aber bitte nicht!“ und bringt ein wenig maßvolle Strenge in den Ton und meint: „Das bin ich sehr wohl, Jule. Ich bin der Bestimmer hier und du gehst jetzt Zähne putzen.“ Und dann brüllt Jule: „Näää, bist du gar nicht!“ und man hört sich sagen: „Doch!“ und Jule wieder „Gar nicht!“ und sie wieder: „Doch!“ und schon befindet man sich in der Art von Auseinandersetzung, die man eigentlich immer vermeiden wollte. 

 

Und wie lösen wir nun das Problemchen?

Man soll sich eigentlich von seinem 4-Jährigen nicht in einen Dialog auf derart kindlichem und auch unfruchtbarem Niveau hinabziehen lassen. Das Ziel sollte ja sein, dem Kind klar zu machen, dass man eben sehr wohl „der Bestimmer“ ist, weil man erwachsen ist und weil Erwachsene eben besser über das Leben Bescheid wissen als Kinder. Ein „nein-doch-nein-doch“-Dialog ist nicht gerader ein schlüssiger Beweis dafür.

Was aber tun, wenn das Kind gerade eine wundervolle kleine Trotz-Phase ausagiert und Sie trotzdem dafür sorgen müssen, dass das Leben geregelt verläuft? Dass Zähne geputzt und Schuhe angezogen werden, dass nicht jedes Plastikspielzeug im Supermarkt gekauft werden muss und dass 22:30 Uhr keine geeignete Zubettgehzeit für ein Kindergartenkind ist? Körperliche Gewalt als Möglichkeit sollten wir von vornherein ausschließen. Einmal, weil man das eben nicht tut und zum anderen, weil dort für die Kleinen kein Lerneffekt zu holen ist, außer vielleicht dem, dass Gewalt ein probates Mittel ist, zu bekommen, was man möchte. Und das ist… richtig, nicht gut. 

 

Draufhauen ist keine Lösung - Brüllen auch nich

Während körperliche Gewaltanwendung in deutschen Haushalten zum Glück nur noch ein sehr selten angewandtes Erziehungsmittel ist, wird das Erheben der Stimme jedoch noch oft und gern praktiziert. Es reißt einem der Geduldsfaden und man brüllt. Das Kind heult und brüllt dagegen an und schon hat man eine Szene, die man so eigentlich nicht wollte, bei der man sich miserabel fühlt und die einen erzieherisch keinen Deut voran bringt.

 

Auch Eltern dürfen Schwächen haben

Sollte man Brüllerei vermeiden? Ja! Kann man Brüllerei immer vermeiden? Nein. Wir sind alle nur Väter und Mütter aus Fleisch und Blut und keine Robotereltern, die im immergleichen, endlos-geduldigen flötenden Singsang mit ihren Kindern sprechen können. Wir haben alle so etwas wie eine Tagesform und manchmal schaffen wir es, unser Kind nach pädagogisch wertvollen Methoden und unter Anwendung vollendeter Kleinkinddiplomatie dazu zu bewegen, die Schuhe anzuziehen. Manchmal aber eben auch nicht. 

Und das darf so sein. Es ist durchaus legitim, dass Kinder ihre Eltern als Menschen mit emotionalen Höhen und Tiefen erleben – manchmal, nicht ständig. Grundsätzlich ist Brüllerei natürlich nicht schön und sie sollte nicht an der Tagesordnung sein. 

 

Wege hinaus aus der Trotzkrise

Tipps zur Vermeidung von ständigen lauten Streitgesprächen: heben Sie ihre Stimme nicht. Versuchen Sie nicht, ihr meckerndes Kind lautstärkemäßig zu übertönen. Tun Sie das Gegenteil. Bleiben Sie im Tonfall betont ruhig und sprechen Sie leise. So erreichen Sie (mit etwas Glück), dass Ihr Kind seine Stimme ebenfalls senken muss, um Sie überhaupt zu verstehen. 

Wenn Ihr Kind Ihnen entgegenschleudert: „Du bist doof und du bist hier gar nicht der Bestimmer!“ dann ist es natürlich Ihre Aufgabe, ihm klarzumachen, dass Sie eben genau das doch sind. Schicken Sie Ihr Kind aus dem Zimmer – am besten in das eigene Kinderzimmer – und sagen Sie mit Bestimmtheit, dass Sie sich so etwas nicht anhören werden und dass Sie erst wieder Lust haben, mit ihrem Kind zu sprechen, wenn es sich beruhigt hat und wieder nett sein möchte. 

Selbstverständlich ist das blanke Theorie. In der Praxis hat man manchmal weder Zeit, noch Lust, noch Nerven für derartige Bilderbuchpädagogik. Sie macht aber über längere Sicht durchaus Sinn. Ihr Kind möchte ja den Dialog mit Ihnen. Es möchte sich an Ihnen messen und an Ihnen wachsen. Diesen Sinn haben ja diese Phasen von Bockigkeit. Wenn Sie den Dialog verweigern, wird das Kind am ehesten lernen, dass aggressives und lautes Verhalten zu nichts führt.

Für alles Weitere hilft vielleicht noch der Rat: Bevor Sie losbrüllen, atmen Sie 2 bis 3 mal tief durch. Und sagen Sie sich, dass auch diese Phase wieder vorbeigeht.