© Kitty - Fotolia.com

Kinderängste - wann sie auftreten, wie Eltern helfen können

Angst ist eine wichtige Reaktion zum Selbstschutz, kann aber auch bremsen und hemmen. Unsere Gesellschaft hat ein seltsames Verhältnis zu dieser allzu menschlichen Reaktion. „Stell Dich nicht so an!“ oder freundlicher „Du musst doch keine Angst haben.“ bekommen Kinder oft zu hören. Unbewusst wird Angst von Eltern als Erziehungsmethode eingesetzt.

Ängstliche Kinder gefallen uns nicht, solche, die keinerlei Angst zeigen, sind uns auch nicht recht, sie gelten leicht als schwererziehbar. In ihrer Entwicklung durchlaufen Kinder verschiedene Phasen von Ängsten als ganz normale menschliche Begleiter. Verhindern können Eltern diese Ängste nicht, wohl aber dem Kind beistehen, ihm den Rücken stärken und ihm die Kraft geben, die Ängste durchzustehen.

 

Kinderängste im ersten Lebensjahr

Die ersten zehn Lebenswochen sind Säuglinge vor Angst weitgehend geschützt. Reize dringen nur sehr gedämpft zu ihm durch. Anschließend muss es lernen, mit seiner Umwelt und den Eindrücken, die auf es einstürmen, klarzukommen. Oft reagieren sie mit ausdauernden Schreiphasen oder den gefürchteten Dreimonatskoliken. Die ersten Ängste eines Neugeborenen werden durch unvermittelte laute Geräusche, durch Schmerz, Blitze, Schatten oder das Gefühl zu fallen (Moro-Reflex) ausgelöst. Die Reaktion auf diese Ängste ist reflektorisch: Das Kind wendet sich ab und klammert sich an der Bezugsperson fest. Je größer mit der Zeit der Wahrnehmungsbereich des Kindes wird, umso mehr Angstreaktionen können auftreten. Etwa ab dem vierten bis sechsten Lebensmonat kommt es zu Trennungs- und Verlustängsten, die sich circa um den achten Lebensmonat herum als „Fremdeln“ – auch bekannte als Acht-Monats-Angst - zeigen. Das Kind kann jetzt fremd und vertraut unterscheiden, hat also einen riesigen Entwicklungsschritt gemacht. Die Trennungsängste können sich noch in anderen Reaktionen zeigen: So weint das Kind plötzlich, wenn die Bezugsperson den Raum verlässt, Einschlafstörungen, Schlafstörungen und Angstattacken in der Nacht können weitere Auswirkungen sein.

Die Angst des Kindes im zweiten und dritten Lebensjahr

Je älter ein Kind wird, umso mehr Fantasie entwickelt es. Im zweiten Jahr versteht es schon viel von dem, was es sieht und hört und vor manchem hat es Angst: vor dem Dunkeln, vor Alpträumen, Räubern und Mördern aus der Gute-Nacht-Geschichte, vor fremden Dingen und Personen. Schreien, Davonlaufen, Schutz suchen bei Mama oder Papa und die Mitteilung seiner Ängste sind die Reaktionen darauf. Es kann sich aber auch schon „beherrschen“ und gibt teilweise vor, keine Angst zu haben, obwohl sein Gesichtsausdruck genau das Gegenteil besagt. Ab dem dritten Lebensjahr tritt ein Kind in die magische Phase ein. Nichts ist unmöglich, also kann auch alles Mögliche Schreckliche passieren. Der Weltuntergang in einer Stunde ist genauso wahrscheinlich wie eine Begegnung mit einem Riesenmonster, das unter dem Bett lauert. Jetzt kann ein Kind auch Angst bekommen, wenn es sieht, dass Andere sich fürchten. Es fürchtet sich vor realen Gefahren: Davor, bedroht oder verletzt zu werden, die Angst vor Feuer oder Unfällen kommt hinzu und immer auch die Angst, die Zuneigung der Eltern zu verlieren.

Ängste im Vorschul- und Grundschulalter

Kommt das Kind in den Kindergarten oder in die Schule, leben oft die Trennungsängste sehr stark wieder auf. Auch die Sozialisationsangst kann jetzt auftreten: Das Kind hat Angst davor, mit vielen fremden Personen konfrontiert zu werden. Hinzu kommt jetzt aber auch die Angst, Aufgaben nicht erfüllen zu können und in der Schule zu versagen. Wird mit diesen Ängsten nicht sorgsam umgegangen, kann sich daraus eine Bindungsstörung oder eine handfeste Schulangst entwickeln. Überhöhte Erwartungshaltungen der Eltern, aber auch schwierige soziale Situationen in der Schule können zur Entstehung von Schulangst führen. Besonders sensible Kinder können schnell zum Mobbingopfer werden.

Tipps gegen die Angst

Ängste gehören zur kindlichen Entwicklung dazu, Sie können Ihr Kind davor nicht bewahren. Was Sie jedoch tun können ist Ihr Kind stark machen und ihm Wege zeigen, mit der Angst klarzukommen. Ein erster wichtiger Schritt dorthin ist eine geborgene und zuverlässig sichere familiäre Umgebung. Denn wer seine Eltern als Felsen in der Brandung hinter sich weiß, kann auch Ängsten besser gegenübertreten. Dazu gehört unter anderem auch, dass Sie die Ängste Ihres Kindes ernst nehmen, so lächerlich und unbegründet Sie Ihnen selbst auch erscheinen.

Trösten Sie Ihr Kind, wenn es Angst hat, nehmen Sie es in den Arm und lassen Sie es dort mit seiner Angst fertig werden. Was Sie niemals tun dürfen ist, es als „Angsthase“ oder „Jammerlappen“ lächerlich zu machen oder ihm eine Strafe androhen. Dies verstärkt die Ängste nur noch. Erklären Sie ihm die Situationen, die ihm Angst machen, das hilft dem Kind, seine eigene Unsicherheit zu überwinden, weil es die Welt besser versteht: Fürchtet es sich vor dem lauten Donner bei einem Gewitter, erklären Sie ihm, dass dort die Luftmassen durch den Wind aneinanderstoßen und dass dadurch so ein lautes Geräusch entsteht. Werden Ängste durch einen Todesfall, einen Unfall oder andere reale Erlebnisse ausgelöst, sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber – vor allem auch dann, wenn Sie selbst emotional betroffen sind. Denn Kinder spüren verborgene Ängste genau.

Angst darf niemals Erziehungsmittel sein!

Früher war es üblich, Kinderängste als Erziehungsmittel zu nutzen. Da wurde dem Kind Angst vorm schwarzen Mann oder der Babajaga gemacht, die böse Kinder holen und verschlingen. Körperliche Strafen machen Ihrem Kind ebenso viel Angst, wie wenn Sie es in sein Zimmer einsperren. Jede Art von Drohung, die das Vertrauen Ihres Kindes missbraucht und seine Ängste nutzt, um es gefügig zu machen, verletzt das Eltern-Kind-Verhältnis empfindlich und zerstört die gesunde Basis an Vertrauen und Respekt, die so wichtig für eine gesunde kindliche Entwicklung ist.

Kinderängste sind normal. Sind Sie aber selbst beunruhigt, weil die Angst Ihres Kindes Ihnen übertrieben scheint oder es unter Panikattacken leidet, sollten Sie einen Arzt oder Therapeuten konsultieren. Auch unerklärliche körperliche Beschwerden wie Bauch- oder Kopfschmerzen in angstbesetzten Situationen sollten Sie abklären lassen.