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Kinder im Wettbewerb – schützen oder fordern?

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft mit starkem Wettbewerb. Wann sollen wir unsere Kinder dieses Prinzip spüren lassen? So früh oder so spät wie möglich? Ist es richtig, schon Kleinkinder darauf zu trimmen, sich gegen andere zu behaupten oder sollte die zauberhafte Unbeschwertheit eines Kindes so lange wie möglich erhalten bleiben?

Erfolg und Niederlage sind zwei Pole, die in unserer Gesellschaft große Bedeutung haben. Auch die Kleinsten sind davor nicht gefeit, besonders dann nicht, wenn es um die Konkurrenz zu anderen Kindern geht. Das Prinzip des Wettbewerbs können Kinder in vielen Situationen lernen: Im Gesellschaftsspiel, auf dem Kindergeburtstag oder beim Wettrennen im Sportunterricht. Je früher ein Kind lernt, dass das Leben aus Gewinnen und Verlieren besteht, umso besser, könnte man sagen. Aber stimmt der Spruch „Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will“ wirklich auch dann, wenn es um Wettbewerb und Leistung geht?

 

Obstgarten oder „Tempo, kleine Schnecke“ – die ersten Kinderspiele

Etwa ab zwei Jahren können Kinder die Regeln einfacher Brettspiele verstehen und sie auch spielen. Schon hier können sich Eltern für oder gegen den Wettbewerb entscheiden: Wählen Sie den Klassiker „Obstgarten“, bei dem alle Mitspieler gemeinsam gegen den Raben spielen oder doch lieber „Tempo, kleine Schnecke“, bei dem es darum geht, welcher Spieler als erster mit seiner Schnecke ans Ziel gelangt. Beim ersten Spiel lernen die Kinder die Kooperation und Zusammenarbeit, während es beim zweiten Spiel darum geht, wer der schnellste und damit der beste Spieler ist.

Ähnliche Entscheidungen gibt es zum Beispiel beim Kindergeburtstag zu treffen: Bekommt nur der einen Preis, der beim jeweiligen Geburtstagsspiel wie Sackhüpfen oder Eierlauf der Erste ist, einen Preis oder grundsätzlich alle Kinder, einfach deshalb, weil sie da sind und mitgespielt haben.

Wer ist Erster? Mit dieser beliebten Methode bringen Eltern ihr Kind gerne dazu, sich möglichst schnell anzuziehen, damit man auch ja rechtzeitig in Schule oder Kindergarten ankommt. Hilfreich ist diese Manipulation allemal, besonders bei ohnehin schon ehrgeizigen Kindern, aber Eltern sollten bedenken: auch hier geht es wieder um Konkurrenz und Wettbewerb.

 

Ab wann sind Kinder bereit für den Wettbewerb?

Grundsätzlich kann es für ein Kind dann hilfreich sein, in Konkurrenz zu anderen zu gehen, wenn es auch die Chance hat, zu gewinnen. Ist dies nicht der Fall, sind Frustration und die Erfahrung, „das schaffe ich nicht“ die Folge. Das kann ab und an sogar heilsam und lehrreich sein, als Dauerzustand führt diese Situation allerdings zu Minderwertigkeitsgefühlen. Die Überzeugung, dass man selbst nichts kann, setzt sich fest. Deshalb sollten Eltern sehr genau darauf achten, was sie ihrem Kind zumuten und inwieweit sie sein Wettbewerbsdenken fördern. Grundsätzlich gilt: Je weniger Kinder sich mit dem Gedanken daran belasten müssen, dass sie etwas nicht schaffen könnten oder jemand anderer „besser“ sein könnte, umso freier und unbelasteter können sie eigene Erfahrungen machen und sich entwickeln.

Ein Kind in der Hinsicht überzubehüten, ist allerdings ebenfalls nicht ratsam. Selbst wenn man für sich selbst Wettbewerb und Konkurrenz ablehnen würde: In unserer Gesellschaft ist dies Grundprinzip und um zurechtzukommen, muss ein Kind dieses Grundprinzip verstehen lernen – und das geht nur durch eigene Erfahrungen. Also lassen Sie Ihr Kind ruhig auch immer wieder den Wettbewerb austesten, bewahren Sie es nicht zu lange vor dem süßen Geschmack des Erfolges und dem bitteren der Niederlage. Aber eben immer nur in dem Maß, in dem ein Kind es verkraften kann. Ein Dreijähriger wird es kaum verstehen, wenn er beim Kindergeburtstag leer ausgeht, weil er bei einem Spiel als Allerletzter ins Ziel gelangt ist – er hat doch trotzdem mitgemacht und sich angestrengt, sagt ihm seine kindliche Logik. Bei der Vierjährigen kann im gleichen Fall bereits ein Trostpreis eingesetzt werden, noch größere Kinder spornt der Gedanke, dass sie, wenn sie verlieren, leer ausgehen, vielleicht sogar zusätzlich an.

 

Fangen Sie Ihr Kind bei Niederlagen auf!

Wer kämpft kann auch verlieren, denn Niederlagen gehören zum Leben dazu – und dann ist es gut, wenn jemand da ist, der einem sagt, dass man trotzdem gut war und ist. Diese Aufgabe können und müssen Eltern übernehmen: Wenn der Sohn beim Lesewettbewerb, für den er so lange geübt hat, nur den letzten Platz ergattert, wenn die Tochter beim Vortanzen für eine Rolle in der Ballettaufführung aussortiert wird – es gibt immer wieder Situationen im Leben, bei dem wir unserem Kind vermitteln sollten, dass wir es lieben, auch wenn es in einem Punkt nicht der Beste, Schönste, Klügste war. Trösten und ermutigen Sie und machen Sie niemals die Zuneigung, die Sie Ihrem Kind zeigen, an seinen Erfolgen fest.