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Kindererziehung – Wie viel Druck darf sein?

Druck ist heute in der Kindererziehung verpönt, unseren Kindern wird mehr denn je die freie Wahl gelassen. Wird die Freiheit im richtigen Maß gewährt, werde sie selbstbewussten und klaren Persönlichkeiten. Verwechselt man das Weglassen von Druck jedoch mit Laissez-faire, also lässt man die Dinge einfach so laufen, ohne sich einzumischen, dann kann der positive Effekt ins Gegenteil umschlagen.

Eltern stecken oft in einem Dilemma: Denn einerseits wird uns allen immer mehr Leistung abverlangt, andererseits wandelt sich das Bild von der richtigen Erziehung mehr und mehr hin zum freiheitlich-autoritativen Stil, der zwar Regeln und Grenzen vorgibt, jedoch weitgehend ohne Druck, sondern mehr mit Verständnis auskommt. Den Mittelweg zu finden, ist oft schwer.

 

Erziehung ohne Druck – der autoritative Erziehungsstil

Der autoritative Erziehungsstil verbindet klare Regeln und Grenzen und Konsequenz mit einem hohen Maß an Verständnis und Zuwendung. Damit wird das Kind in seinen Bedürfnissen und seinem Charakter geachtet, aber dennoch in deutlich spürbare Grenzen eingebunden. Auf diesem Wege lernt es beides: Sich selbst zu spüren und dennoch Autoritäten anzuerkennen. Was in der Theorie aus unseren Kindern starke Persönlichkeiten macht, lässt sich in der Praxis oft gar nicht so leicht – und vor allem nicht ohne ein gewisses Maß an Druck – umsetzen. Denn Demokratie ist nicht angeboren, Kinder verhalten sich oft nicht so, wie es uns Erwachsenen logisch und nachvollziehbar wäre. Einen Versuch ist es dennoch Wert, denn wer aus seinem Erziehungsschatz Formulierungen wie „Du darfst nicht…“ oder „Du musst jetzt…“ streicht und dagegen an das Verständnis des Kindes appelliert, macht schon einiges richtig.

Wie der autoritative Erziehungsstil im Einzelnen umgesetzt wird und wie er sich aufs Leben des Kindes letztendlich auswirkt, können Sie bei vaterfreuden im Artikel „Erziehung mit Konsequenz und Liebe – der autoritative Stil“ nachlesen.

Was Druck mit unseren Kindern macht

Druck erzeugt Gegendruck, das ist ein physikalisches Gesetz, das auch in der Psychologie seine Gültigkeit hat. Setzen wir also unsere Kinder stark unter Druck, zum Beispiel durch große Leistungsanforderung, starre Grenzen, harte Sanktionen und Erpressung, hat das erst einmal Widerstand zur Folge. Der kann aggressiv sein, äußert sich aber oft auch durch passiven Widerstand, also Verweigerung. Unser Kind will nicht, was wir wollen. Ist ein bestimmtes Maß an Ablehnung erst einmal aufgebaut, helfen dann auch weitere Erklärungen zum Warum und Wieso kaum noch. Kinder, die gewöhnt sind, dass sie durch Druck zu etwas gebracht werden sollen, verinnerlichen dieses Prinzip. Sie werden in der Regel selbst zu Erwachsenen, die Druck auf andere ausüben, um ihre Ziele zu erreichen. Gleichzeitig versuchen sie, sich dem Druck, der auf sie selbst ausgeübt wird, zu entziehen, so wie sie es seit ihrer Kindheit praktizieren.

Ohne Druck geht es nicht?

Die Antwort auf diese Frage ist gar nicht so leicht, denn wo fängt der Druck an, wo hört er auf? Generell kann jede Konsequenz, die von den Eltern angekündigt wird, auch als Druck bezeichnet werden. Doch es geht auch anders, zum Beispiel, wenn es ums Thema essen geht. Statt zu sagen: „Einen Nachtisch gibt es nur, wenn Du vorher auch das Hauptgericht gegessen hast!“ (Ein klarer Fall von Erpressung, selbst wenn Sinn und Zweck von Erbsen und Co erklärt werden), geht es auch anders: „Mir ist es wichtig, mit Dir gemeinsam zu essen. Danach freu ich mich ebenso wie Du auf den Nachtisch.“ Damit sitzt das Kind erst einmal am Tisch – und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur beim Essen zusehen, sondern selbst das ein oder andere probieren.

Ohne Druck geht es nicht? Richtiger ist zu sagen, ohne Konsequenz geht es nicht. Entscheidend ist, dass Sie als Eltern das Sagen haben und die Richtung vorgeben. Wenn einem Kind klar ist, in welchem Rahmen es sich bewegt – dieser darf und soll durchaus beweglich sein – dann ist Druck an vielen Punkten ohnehin unnötig. Allerdings sollten Sie eins nicht vergessen: Sie selbst sind wahrscheinlich mit Druck als Erziehungsmittel erzogen worden und deshalb sicherlich nicht perfekt. Wichtiger, als niemals Druck aufs Kind auszuüben ist, die Situationen, in denen Sie es doch tun, wahrzunehmen. Dann machen Sie es beim nächsten Mal einfach besser.