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Kreativfalle Planung – oder warum das freie Spiel für Kinder so wichtig ist

Erinnern Sie sich noch an Ihre eigene Kindheit? Nach der Schule und den Hausaufgaben begann das „Freispiel“ - außer Haus und ohne Eltern. Viele Kindheiten verlaufen heute anders. Die Freizeit ist durchgeplant und selbst das Spiel ist organisiert. Einen Gefallen tun wir unseren Kindern damit allerdings nicht.

Verplant zu sein, gehört heutzutage zum Zeitgeist. Kaum jemand, der seine Frei-Zeit nicht schon über Wochen oder Monate hinaus organisiert hat. Mit unseren Kindern machen wir es genauso, wir wollen ja nur ihr Bestes – und liegen damit ziemlich falsch. Denn freies Spiel ist in vielerlei Hinsicht wichtig, kommt es zu kurz, dann kann das sogar zu psychischen Fehlentwicklungen führen.

 

 

Freies Spiel – Was ist das bloß?

Traurigerweise können viele Erwachsene mit dem Begriff „Freies Spiel“ kaum mehr etwas anfangen. Sie denken an Planlosigkeit, Abhängen und Unsinn machen. Denn das passiert ja wohl, wenn man die Kinder sich selbst überlässt. Nichts könnte mehr daneben liegen, denn gerade im freien Spiel, allein oder mit anderen Kindern, lernen unsere Jüngsten fürs Leben. Schaut man sich pädagogische Definitionen in der Fachliteratur an, dann läuft das Freispiel oder eben auch freies Spiel immer auf folgendes hinaus:

  • Die Kinder wählen ihren Spielort selbstständig (natürlich im Rahmen der Möglichkeiten).
  • Sie entscheiden, was und mit wem sie spielen möchten.
  • Sie bestimmen die Materialauswahl, den Spielverlauf und die Dauer des Spiels komplett selbst (ebenfalls wieder im Rahmen ihrer Möglichkeiten).
  • Eventuell verbringen Sie das Freispiel auch mit süßem Nichtstun.

Selbstverständlich müssen Erwachsene einen groben oder auch genauen Zeitrahmen setzen, anders geht es nicht. Aber innerhalb dieser Zeit darf und soll das Kind so selbstbestimmt wie möglich spielen.

 

Überorganisation verhindert freies Spiel

Schon unsere Kleinsten sind oft voll verplant. Wenn Sie nicht mit Mama zum Einkaufen müssen, geht es zum Babyschwimmen, zur Ergotherapie oder zum Kinderturnen. Tolle Angebote für unsere Kinder, die Fähigkeiten fördern und ihnen helfen, Fertigkeiten zu entwickeln. Zu kurz kommt dabei häufig das, womit Kinder im Überfluss ausgestattet sind, nämlich die Kreativität, die es ihnen ermöglicht, sich mit zwei Steinen und drei Stöckchen stundenlang zu beschäftigen. Unsere Kinder werden von Anfang an mit Angeboten regelrecht bombardiert. Wir lassen ihnen keinen Moment Ruhe, sich mit sich selbst zu beschäftigen, zu erspüren, was sie gerade wollen und brauchen. Wundert es da, dass diese Kinder bereits im Kindergartenalter nur noch wenig mit sich anzufangen wissen und ständig jemanden brauchen, der sie bespaßt? 

 

Eltern im Kontrollwahn

Neben der generellen Überorganisation plagt viele Eltern auch ein schier unbezähmbarer Kontrollwahn. Der hat ganz unterschiedliche Ursachen. Eine davon ist der Gedanke, dass es das eigene Kind besser haben soll, als man selbst. Die heutige Elterngeneration ist getrieben von dem Wunsch, möglichst viel Qualitätszeit mit dem Kind zu verbringen – eine tolle Idee, die leider allzu oft die seltsamsten Blüten treibt. Kinder können sich kaum mehr frei bewegen, die Eltern sind überpräsent und mischen sich in alles ein, vor allem auch ins Spiel. Kein Wunder, dass der kreative Geist dann irgendwann die Segel streicht und einfach darauf wartet, was die Erwachsenen neues in Petto haben. Auch Angst treibt viele Eltern um. Die Berichte über entführte, missbrauchte und verschwundene Kinder führt dazu, dass man das eigene am liebsten gar nicht mehr aus den Augen lässt und es in einen Käfig sperrt, der zumindest für das Kind sicher nicht golden ist.

 

Wenn Kinder nicht (mehr) spielen können

Ist die Fähigkeit, sich im freien Spiel selbst zu beschäftigen, dem Kind erst einmal verloren gegangen, wird ihm langweilig – es weiß einfach nichts mit sich anzufangen und sucht nach einfachen Möglichkeiten, Kurzweil zu konsumieren. Fernseher, Computer und die Play Station erscheinen ihm optimal. Eltern haben aber in diesem Fall längst nicht nur mit einem gelangweilten Kind zu kämpfen: Amerikanische Forscher sehen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Unfähigkeit zum freien Spiel und dem Anstieg von Depressionen und Selbstmordversuchen bei Kindern. Hinzu kommt, dass Kinder sich im freien Spiel mit anderen viel und gerne bewegen. Wird dies durch gesteuerte, bewegungsarme Aktivitäten oder auch den Fernseher ersetzt, kann es unter anderem zum Übergewicht mit allen seinen gesundheitsschädlichen Folgen kommen. 

 

Wie Eltern das freie Spiel fördern

Gute Kindergärten und Krippen machen es vor: Freispielzeit für Kinder gehört in vielen Einrichtungen zum festen Tagesablauf dazu. War diese Methodik lange Zeit verrufen, weil sie gleichgesetzt damit war, dass die Kinder sich völlig selbst überlassen waren, findet das Freispiel heute in der Regel in einer gut vorbereiteten Umgebung statt. Pädagogisch wertvolle Spielmaterialien liegen bereit, welche davon das Kind auswählt und wie es mit ihnen spielt, bleibt ihm dabei völlig selbst überlassen. Das praktizieren nicht nur die freien Kindergärten, auch in staatlichen Einrichtungen ist der Wert dieser Spielmethode längst erkannt worden. 

Wir Eltern können das freie Spiel unseres Kindes ebenfalls unterstützen. Wie? Ganz einfach, indem wir es öfter einfach mal in Ruhe lassen, sein Spiel weder steuern noch kommentieren und uns um unsere eigenen Angelegenheiten kümmern, aber dennoch zur Verfügung stehen, wenn das Kind uns braucht. Denn Freispiel heißt nicht Gleichgültigkeit, sondern aktive Zurückhaltung dem Spiel des Kindes gegenüber.