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Mädchen von heute – alles ist möglich? Über geschlechterneutrale Erziehung und Einflüsse der Umwelt

Die Zeiten, in denen die Geschlechter von Kindheit an in feste Rollenbilder hineingepresst wurden, sind längst vorbei. Leichter ist es für unsere Kids dabei allerdings nicht geworden, denn sie wachsen nicht etwa freier auf. Ganz im Gegenteil ist der Erwartungsdruck durch die Eltern oft größer geworden.

Die Geschlechterrollen wie wir sie kennen scheinen auf den ersten Blick mehr und mehr aufzuweichen. Längst können auch Mädchen Männerberufe erlernen und sich verwirklichen. Es ist toleriert und oft sogar von den Eltern erwünscht, dass sie nicht nur sanft und entzückend, sondern auch wild und burschikos sind. Unseren Töchtern hilft das allerdings oft wenig, vor allem wenn es darum geht, den eigenen und richtigen Weg zu finden.

 

Geschlechterneutrale Erziehung – der neue Weg?

Eltern, denen bewusst ist, dass in unseren Köpfen nach wie vor noch die traditionellen Rollenbilder spuken, versuchen oft einen anderen Weg: Sie versuchen geschlechtsneutral zu erziehen und wollen so vermeiden, dass Ihre Tochter zur eingebildeten Tussi wird. Die Idee an sich ist nicht schlecht, denn Kinder, denen alle Möglichkeiten offen stehen, können sich frei entfalten. Häufig sieht die Erziehung jedoch dann in der Praxis ganz anders aus: Es geht nicht um Neutralität und Vielfalt, sondern darum, dass die Mädchen plötzlich mit Baggern spielen, im Fußballverein mitmachen oder andere ganz typische Jungs-Sachen bevorzugen. Stehen dann auf dem Wunschzettel rosa Kleider, ein Puppenwagen oder ein Schminkset, sind die Eltern verwirrt. Ein Wunder ist diese Reaktion allerdings nicht, denn Kinder lernen durch das Vorbild ihrer Eltern. Und so gut wie alle Mütter sind – wie auch die Väter – von einer geschlechtsspezifischen Erziehung geprägt. Sollen die Geschlechterrollen bei der Tochter aufgelöst werden, dann muss auch Mama ran und den Rasen mähen, die Glühbirne auswechseln und mit den Kindern auf dem Bolzplatz Fußball spielen.

Typisch Mädchen – die Gene tragen wenig bei

In der modernen Geschlechterforschung herrscht die Auffassung, dass unsere Rollenbilder teilweise anerzogen und teilweise genetisch bedingt sind. Mittlerweile ist klar, dass der biologische Faktor dabei eher gering ist und viel weniger entscheidend als lange Zeit angenommen. Die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen zeigen sich zwar in Bereichen wie Sexualität und körperlicher Aggression. In allem anderen gibt es nur marginale Abweichungen. Dies gilt vor allem auch für die Farbvorlieben. Das Faible für Rosa ist also keinesfalls angeboren. Englischen Forschern ist aufgefallen, dass sich diese Vorliebe in der Regel erst dann entwickelt, wenn die Kinder entdecken, dass es zwei verschiedene Geschlechter gibt. Dies legt den Schluss nahe, dass auch die Rosa-Affinität Erziehungssache ist.

Wer bin ich?

Diese Frage stellt sich jedes Kind im Laufe seiner Kindheit mehrmals. Als Eltern können Sie Ihrer Tochter hier gute Dienste leisten, indem Sie zum einen geschlechterspezifische Konditionierungen möglichst wenig forcieren, zum anderen aber auch keine Erwartungshaltung entwickeln, gerade Ihre Tochter möge jetzt ganz anders sein als andere Mädchen. Nehmen Sie Ihr Kind so an wie es ist, mit all seinen Schwächen und Stärken, Abneigungen und Vorlieben. Rollenverhalten sollte weder bestärkt werden, noch zum Stigma führen. Andernfalls fällt es gerade unseren Töchtern oft schwer, sich mit ihrer Eigenwahrnehmung zu behaupten. Denn so sehr wir uns auch um innere Freiheit und Neutralität bemühen: Die alten Rollenklischees wirken überall und gehen nicht spurlos an unseren Kindern vorüber.