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Training der Selbstkontrolle: Zufriedenheit inklusive

Disziplinierte Menschen, die über ein hohes Maß an Selbstkontrolle verfügen, werden in gewisser Weise verehrt und geachtet. Doch die Medaille hat auch eine Kehrseite, denn wer sich stets gut im Griff hat, hat schnell das Image der „Spaßbremse“ weg. Eine Studie hat ergeben, dass das so nicht stimmt. Im Gegenteil, disziplinierten Menschen geht es prima!

Abends zeitig ins Bett. Davor keine Aktivitäten wie Schokoladen-, Chips- oder Biergenuss. Stattdessen Sport und gesunde Ernährung. Das sind die Menschen der Gruppe „Selbstkontrolle“.

 

Den Abend gern mal etwas länger werden lassen, ausgiebige Kneipentouren, statt Sport das Lümmeln auf dem Sofa bei knackenden und knirschenden Köstlichkeiten, die vielleicht nicht gesund, aber verdammt lecker sind. Das könnte die Gruppe der „Genussmenschen“ sein.

Zugegeben, die erstgenannten leben sicherlich länger. Aber haben sie davon auch etwas? Ist es nicht trostlos, immer auf das korrekte Verhalten, die richtige Ernährung, auf Pünktlichkeit und Disziplin zu achten? Ist es nicht, wie eine Studie herausgefunden hat. Doch wie kann das sein?

Glücklich und selbstkontrolliert

Es war die Zusammenarbeit einer deutsch-amerikanischen Studie, die als Reihe im „Journal of Personality“ erschienen ist und von der University of Chicago durchgeführt wurde. Sie ergab Erstaunliches. Zum einen zeigte die Befragung von 400 Männern und Frauen, dass Selbstkontrolle durchaus etwas ist, das jeder in sich trägt. Von fünf Impulsen, etwas „Dummes“ zu tun, geben wir im Durchschnitt nur zweien nach. Dennoch gab es unter den Befragten solche, die häufiger der Versuchung erlagen und andere, bei denen das seltener der Fall war. Spannend war nun die Anschlussfrage nach der individuellen Zufriedenheit. Die war bei den disziplinierten Menschen größer als bei jenen, die schon mal dem einen oder anderen Impuls mehr nachgeben.

Im nächsten Schritt befragten die Psychologen 400 weitere Personen nach ihren wöchentlichen Erlebnissen. Über das Smartphone sollten sie Auskunft darüber geben, wie oft in der Woche sie Verlockungen widerstehen. Auch hier zeigte sich: Wer häufiger stark blieb und dem Impuls, spontan von ursprünglich gefassten Plänen abzuweichen, widerstand, empfand am Wochenende mehr Zufriedenheit als jene, die dem Laster öfter frönten.

Selbstkontrolle üben: „Ich bin dann mal weg!“ oder „Ich bleibe hart“

Was ist das Geheimnis von Selbstkontrolle? Warum schaffen es die einen, diszipliniert zu bleiben, während die anderen immer wieder einknicken und der Versuchung erliegen? Dafür gibt es laut den Psychologen zwei Gründe. Erstens wenden Menschen mit einem hohen Maß an Selbstkontrolle einen kleinen, aber sehr effizienten Trick an. Sie vermeiden Situationen, die ihnen die Kontrolle erschweren und dazu führen könnten, etwas zu tun, was sie eigentlich nicht tun wollen. Gemäß dem Motto „Ich bin dann mal weg“ suchen sie häufiger das Weite, wenn Verlockungen in der Nähe sind. Zweitens ist alles eine Frage der Übung. Wer sich häufiger in Selbstkontrolle übt, wird besser darin. Man kann es mit einem Trainingsprogramm vergleichen, bei dem die Fähigkeiten und Fertigkeiten wachsen, je länger und regelmäßiger man trainiert. So gesehen kann jeder lernen, mehr Selbstkontrolle zu erlangen. Und zufriedener zu werden.

Brauchen Kinder auch Selbstkontrolle?

Wer über Selbstkontrolle spricht, kommt unweigerlich über kurz oder lang zu der Frage, wann man damit am besten beginnen sollte. Erst als Jugendlicher? Als Erwachsener? Oder schon als Kind? Es ist allgemein bekannt, dass Fähigkeiten, die früher erworben werden, stärker ausgeprägt bzw. perfekter ausgebildet werden können. Ein 30-Jähriger wird sicher schwerer damit tun, zum Beispiel eine neue Sprache zu lernen als ein kleiner Dreikäsehoch, der selbstverständlich zweisprachig aufwächst. Dennoch kann man in Bezug auf Disziplin und Selbstkontrolle nicht einfach behaupten, früh übe sich, also muss man schnell anfangen. Denn gewisse Fähigkeiten müssen Kinder erst einmal entwickeln. Beginnt man also mit der Selbstkontrolle zu früh, geht der Schuss nach hinten los.

Mit Geduld und Spucke

Bevor man vom Nachwuchs Selbstkontrolle erwarten kann, braucht man erst einmal Geduld. Denn Selbstkontrolle erfordert die Fähigkeit des Planens. Und ein Verständnis für Zeit. Beides haben Babys nicht, ebenso wenig wie die Geduld, die ihre Eltern zunächst einmal brauchen. Erst nach und nach entwickelt sich ein Gespür für „jetzt“, „gleich“ und „später“. Geduld und Selbstkontrolle bedingen sich gegenseitig, denn wenn ein Gefühl dafür entsteht, dass etwas nicht sofort geschehen muss, kann auch die Einsicht gewonnen werden, Dinge zu planen, zu verschieben. Und Selbstkontrolle zu entwickeln.

Ist Selbstkontrolle bei Kindern überhaupt nötig?

Eigentlich ergibt sich sich Antwort auf diese Frage, wenn man sich einen kindlichen Tagesablauf vorstellt, von selbst. Zu diesem gehört das Zähneputzen, später der Gang in die Schule, Hausaufgaben, vielleicht in gewissem Umfang und dem Alter entsprechend Hilfe im Haushalt und andere Verpflichtungen, denen Kinder mehr oder weniger ausgesetzt sind. Disziplin und Selbstkontrolle gehören somit auch zum kindlichen Leben. Andererseits müssen Kinder lernen, forschen, ausprobieren und Erfahrungen sammeln. Sie brauchen Freiraum, in dem sie sich bewegen und entwickeln können. Es wäre daher fatal, an Kinder die gleiche Ansprüche zu stellen wie an Erwachsene. Zudem sich erwachsene Menschen sowieso nach und nach zu disziplinierten oder weniger disziplinierten Menschen entwickeln. Die Entscheidung darüber trifft letztlich jeder erwachsene Mensch selbst. Aber es ist gut zu wissen, dass Selbstkontrolle trainiert werden kann. In Maßen, versteht sich, auch wenn die Verlockung groß ist, es zu übertreiben.