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Traumforschung – Kinder in fernen Welten

Wir alle träumen. Jede Nacht. Nicht jeder kann sich später daran erinnern, aber geträumt wird in allen Betten. Kinder träumen selbstverständlich auch. Wie aber ist es zu bewerten, wenn Kinder sich in fremde Fantasiewelten träumen? Ist das ein Zeichen von Flucht? Haben diese Kinder stärkere Ängste als andere? Haben die Eltern Fehler gemacht? Oder ist alles doch ganz harmlos?

Dr. Brigitte Holzinger beschäftigt sich hauptberuflich mit Träumen. Sie ist aber bei keiner Lotterie beschäftigt, sondern wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Bewusstseins- und Traumforschung. Wenn es um Kinderträume geht, rät sie dazu, das Thema nicht überzubewerten. 

 

Fantasiewelten sind kreativ

Wenn Kinder von Fantasiewelten träumen, so ist das nicht gleichbedeutend mit Fluchttendenzen oder der Angst vor der Wirklichkeit. Kinder sind mit extrem viel Fantasie ausgestattet, daher liegt es nur nahe, wenn sie diese in ihren Träumen wirken lassen. Das am Tag Erlebte wird von Kindern nachts auf kreative Art und Weise verarbeitet. Es geht darum, die eigenen Fähigkeiten zu erkennen und Wünsche und Bedürfnisse kennenzulernen. 

Das Beste, was Eltern machen können, ist das Gespräch mit ihren Kindern über Träume zu suchen. Kinder müssen lernen, was Träume eigentlich sind. Sie wollen ernst genommen werden, gerade wenn es ums Träumen geht. Dabei brauchen sie die Bestätigung, dass es völlig in Ordnung ist, sich in Fantasiewelten zu träumen. 

 

Der kleine Schlosswächter

Wenn der Nachwuchs erzählt, er habe geträumt, eine Puppe oder ein Schlosswächter zu sein, läuten bei vielen Eltern die Alarmglocken. Es kann unmöglich etwas Gutes verheißen, wenn das Kind sich als Puppe betrachtet, so scheint es. Doch Dr. Holzinger ist anderer Meinung. Zum Träumen gehören nicht nur Fantasiewelten, sondern auch Fantasiefiguren. Da wird aus einem kleinen Jungen schon mal ein Schlosswächter, ein Mädchen mutiert nachts zur Puppe. Durch Träume werden bei Kindern nicht nur Fantasie und Neugier angeregt. Auch die Abenteuerlust gehört mit dazu. 

 

Auswirkungen von Träumen

Also alles in Ordnung? Reicht es, wenn wir mit unseren Kinder sprechen, wenn sie träumen? Ganz so einfach ist es nicht, denn Träume können natürlich auch negative Auswirkungen haben oder auf Probleme hinweisen. Dr. Holzinger beispielsweise macht darauf aufmerksam, dass Handlungsbedarf entsteht, wenn das Kind die Fantasiefiguren immer stärker mit in die Wirklichkeit des Tages herübernimmt. Wenn die Fantasiefigur so viel Raum einnimmt, dass ein Realitätsverlust droht, sollten Eltern gegensteuern. Ein weiteres Problem sind Alpträume. Kinder haben davon naturgemäß mehr als Erwachsene. Das hängt damit zusammen, dass sie nicht nur mehr, sondern auch intensiver als Erwachsene träumen. Erst im Laufe der Zeit lernt der Mensch, mit seinen Ängsten umzugehen, Kinder befinden sich bei diesem Weg noch ganz am Anfang. Träume, auch Alpträume, sind ein Mittel, um mit Ängsten umzugehen. 

 

Drei Arten zu träumen

Generell wird zwischen drei Arten zu träumen unterschieden. 

  • Alltagsnahe und positive Träume: Das Erlebte wird auf positive Weise „verträumt“. Kinder mit solchen Träumen wachen zufrieden auf.
  • Phantastische Träume: Damit sind jene Träume gemeint, in denen die Kinder sich auf Reisen in phantastische Welten begeben. Oftmals sind die Träume sehr detailliert und beschäftigen die Kinder auch tagsüber noch. Zuweilen nehmen sie sich vor, abends beim Einschlafen den Traum der letzten Nacht fortzusetzen.
  • Alpträume: Der Alptraum vieler Eltern sind Alpträume ihrer Kinder. Der Begriff selbst geht übrigens auf ein gespensterhaftes Koboldwesen zurück, das sich nachts neben das Kind ans Bett setzt und ihm unangenehme Gefühle einhaucht. Glücklicherweise sitzt kein Kobold an Kinderbetten, aber die Wirkung von Alpträumen ist dennoch sehr intensiv für Kinder. Meist wachen sie orientierungslos auf und weinen, weil das Geträumte sehr realistisch wirkt. Trotzdem: Auch Alpträume können helfen, Geschehenes zu verarbeiten. Sie dienen bei Kindern dazu, Belastungen zu verarbeiten und helfen so, den Alltag besser zu meistern. 

 

Was tun bei Alpträumen?

So schön das auch klingen mag, dass Alpträume bei der Entwicklung von Kindern behilflich sind – wenn sie für die Kleinen zu belastend werden, will man als Elternteil etwas dagegen unternehmen. Das ist nachvollziehbar und gar nicht so schwer.

  • Häufig kann ein kleines Lämpchen beim Einschlafen helfen. Viele Kinder haben Angst vor der Dunkelheit, ein kleines Licht kann Wunder wirken.
  • Für alle Kinder ist ein Begleiter in der Nacht hilfreich. Der Teddy und das Schmusetier können Erstaunliches leisten, um Kobolde und Geister fernzuhalten.
  • Kinder sollten nicht einfach ins Bett gehen, abendliche Rituale gehören dazu. Ein kleines Lied oder die Gute-Nacht-Geschichte lässt den Nachwuchs mit einem beruhigten Gefühl einschlafen.
  • Auch ein Gespräch vor dem Einschlafen kann sinnvoll sein. Wenn das Kind am Tag Erlebtes aussprechen kann, ist das Verarbeiten nach dem Einschlafen oft nicht mehr notwendig. 
  • Schauen Sie vor dem Einschlafen Ihres Kindes ruhig „zur Sicherheit“ nochmal unter dem Bett nach, ob sich dort nichts Böses versteckt hat. Gerade wenn Ihr Kind kürzlich Alpträume hatte, ist es bis zu einem gewissen Alter nicht in der Lage, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Die Gewissheit, dass Sie vorher alles noch einmal überprüft haben, schafft Beruhigung beim Kind. 

 

Kinderträume sind nichts Schlimmes und deuten nur selten auf ernsthafte Störungen hin. Lassen Sie Ihren Nachwuchs also ruhig einmal Schlosswächter oder Puppe sein. Zumindest solange er sich tagsüber auch wieder zurück verwandelt.