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Weißt Du noch? Die Entwicklung des kindlichen Erinnerungsvermögens

Kinder werden nicht mit einem komplett ausgereiften Gehirn geboren. Viele Fähigkeiten müssen sich noch entwickeln, dazu gehört auch das Erinnerungsvermögen. Woran erinnern Sie selbst sich noch? In der Regel reichen die ältesten Erinnerungen an die Kindheit etwa ins Kleinkindalter zurück. Das Kurzzeitgedächtnis entwickelt sich jedoch deutlich früher, nämlich schon im Mutterleib.

Die ersten drei Lebensjahre versinken bei so gut wie allen Menschen im Dunkel des Vergessens. Zumindest haben wir keine bewussten Langzeiterinnerungen an diese Zeit. Die These Freuds vom kindlichen Vergessen ist längst widerlegt, Wissenschaftler machen mittlerweile drei Faktoren dafür verantwortlich, dass unser bewusstes Erinnerungsvermögen erst im Kleinkindalter beginnt.

 

 

Was Freud dachte – das kindliche Vergessen

Der Psychoanalytiker Sigmund Freud war in all seinen psychologischen Thesen sehr auf das Sexuelle bzw. die sexuelle Identität des Menschen fixiert. Er begründete den „Gedächtnisschwund“ in den ersten drei Lebensjahren damit, dass sexuelle Tabus und Aggressionen in dieser Zeit so präsent seien, dass sie danach einfach ausgeblendet werden müssten. Freud und seine Leistungen in allen Ehren – die moderne Forschung ist heute anderer Meinung und nennt drei wichtige Faktoren für die Bewahrung von Erinnerungen:

  • Erst dann, wenn sich das Sprachvermögen entwickelt hat, erlangt unser Gehirn die Fähigkeit, persönliche Erinnerungen zu behalten, man spricht hier auch vom autobiographischen Gedächtnis. Was wir zum Zeitpunkt des Geschehens nicht mit Worten beschreiben können, daran können wir als Erwachsene auch nicht erinnern. Abgespeichert ist diese Erinnerung allerdings dennoch und kann dementsprechend auch wirken. Bewusst abrufbar ist sie allerdings nicht mehr.
  • Damit das Gehirn Erinnerungen langfristig abspeichern kann, muss es ausgereift, das heißt weitläufig vernetzt sein. Seinen Höhepunkt erreicht diese Entwicklung in der Pubertät, dann ist die Merkfähigkeit optimal. Säuglings- und Kleinkindgehirne funktionieren dagegen weitaus einfacher, erst mit etwa drei Jahren ist die Entwicklung soweit fortgeschritten, dass autobiographische Erinnerungen gespeichert werden können.
  • Ein wichtiger Aspekt der Erinnerung ist das Ich-Bewusstsein. Es ist erforderlich, um Zusammenhänge rund um das eigene Ich zu begreifen. Erst wenn dieses Verständnis entwickelt ist, entwickelt sich auch das Erinnerungsvermögen. 

 

Das autobiografische Gedächtnis

Damit das Langzeitgedächtnis funktionieren kann, ist die Entwicklung des sogenannten autobiografischen oder auch episodischen Gedächtnisses erforderlich. Mit diesem System können eigene Erlebnisse abgespeichert werden. Das funktioniert allerdings erst, wenn die Vernetzung im Gehirn vorangeschritten ist, denn es sind gleich mehrere Gehirnareale beteiligt. So ist der Stirn- und Schläfenlappen der rechten Gehirnhälfte für die Erinnerung an die Fakten zuständig, während das limbische System die emotionalen Komponenten des Erlebten bewahrt. Nur dann, wenn das Zusammenspiel ungestört klappt, können Erinnerungen an frühere Ereignisse zuverlässig abgerufen werden. 

 

Erinnerungen gibt es trotzdem!

Natürlich haben auch Kinder unter drei Jahren ein Erinnerungsvermögen und zwar ein ziemlich gutes. Wie sonst sollten Kinder es schaffen, in den ersten Lebensjahren all die grundlegenden Dinge, die im Leben wichtig sind, zu begreifen und abzuspeichern. Schon vor der Geburt funktioniert das Gedächtnis, wenn auch nur für kurze Zeit. Kurz vor der Geburt reicht das Gedächtnis bereits ca. vier Wochen in die Vergangenheit zurück. 

Da die Gehirne unserer Kinder besonders in den ersten Jahren so aktiv sind, können schon die Kleinsten sich viele aufeinanderfolgende Handlungsabläufe merken. Allerdings vergessen sie meist, wer ihnen diese Fähigkeit beigebracht hat. Das gelingt erst dann, wenn das autobiografische Gedächtnis ausgereift ist. Dies beginnt in der Regel im vierten Lebensjahr.