Eine notwendige Sauerei - wenn Kinder lernen, selbst zu essen. Ein Erfahrungsbericht

Irgendwann wollen Kinder nicht mehr gefüttert werden. Die ersten Versuche, selbst zu essen, bringen zwangsläufig eine Riesensauerei mit sich. Ein Vater berichtet von seinen Erfahrungen mit Tochter Lilly und gibt Tipps.

Bis zum Alter von 12 Monaten haben wir unsere Tochter Lilly immer gefüttert, doch dann kam von ihr immer häufiger der Griff zum Löffel, um es selbst zu probieren. In der Kinderkrippe sagte man uns dann, dass Lilly dort schon mit dem Löffel essen würde. Einerseits waren wir stolz auf unsere Kleine, andererseits erinnerten wir uns daran, als wir unsere Kleine einmal gleich nach dem Essen dort abgeholt hatten. Es sah aus wie nach einer Essensschlacht und Tisch und Boden wurden großflächig mit professionellem Reinigungsgerät abgewischt. Also dachten wir uns einerseits „das kann ja heiter werden“, andererseits „da müssen wir durch, denn was ist die Alternative“? Eben. Seitdem schwingt Lilly regelmäßig selbst den bzw. die Löffel.

 

Essen auf der Kleidung und dem Boden ist noch okay, aber in den Haaren?

Unsere Tochter ist sichtbar stolz, dass sie nun selbstbestimmt das Besteck schwingen darf. Für uns gab es in der Folge ein paar Umstellungen: das Essen von Lilly dauert inzwischen deutlich länger und ist nun endgültig eine Riesensauerei.  Wenn es nur die Kleidung und der Boden wäre, die in Mitleidenschaft gezogen würden wäre ja alles halb so schlimm. Das Essen muss jedoch zum einen auch mit den Händen „erfahren“ und auf seine Konsistenz erkundet werden und zum anderen sind die Bewegungen mit dem Löffel zum Teil so wild, dass regelmäßig auch Lillys Haare (und davon gibt es eine Menge) eine Kurpackung erhalten. Das ist nicht schlimm, wenn es sich nur um Kartoffeln handelt, auch einen angereicherten Obstbrei nehmen wir mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Wenig Spaß macht jedoch Bolognesesoße in den Haaren und ganz grausam war ein Gläschen mit Fisch: unser Kind roch drei Tage lang wie die Mülltonne eines Fischrestaurants. Oder wenn wir uns an das „Rote-Beete-Massaker“ zurückerinnern …

Eltern müssen da durch – denn was ist die Alternative?

Wie gesagt – da müssen wir durch. „Selber machen“ ist nun ohnehin ein großes Thema für unsere Kleine, die am liebsten auch immer selbst die Türe öffnen, die Waschmaschine einräumen, Telefonate beantworten und ihre Schuhe anziehen würde. Das alles kriegt sie noch nicht hin. Aber das mit dem Essen schon – und darauf ist sie stolz wie Bolle!

Wir haben uns inzwischen daran gewöhnt, dass die Spülmaschine jeden zweiten Tag läuft – denn Lilly isst mindestens viermal am Tag, wobei sie mindestens ein Schälchen und zwei oder drei Löffel braucht. Wir wissen, wie wir es hinbekommen, dass wenigstens die Tapete halbwegs sicher ist und wir sind sehr routiniert geworden, was das Aufwischen des Bodens und das Reinigen des Kinderstuhls angeht. Über einen Wechsel des T-Shirts – bis zu dreimal am Tag – ärgern wir uns nicht mehr. Nur das Essen in den Haaren – daran werde ich mich wohl nie gewöhnen. Aber wie sagt meine Frau: „An den Tischmanieren arbeiten wir später“.

Tipps für Eltern, deren Kinder lernen, selbst zu essen

Ein paar unserer Lerneffekte haben wir für andere Eltern hier als kleine Tipps zusammengefasst. Vielleicht helfen sie Euch:

  • Wir haben einen Kinderstuhl mit Tablett davor, damit unsere Kleine ihr Schälchen darauf abstellen kann. Es gibt zwar bessere Modelle, aber vom Preis-Leistungs-Verhältnis liegt der Kinderstuhl von IKEA weit vorn.
  • Wir haben uns ein spezielles Kinderbesteck geleistet (Edelstahl rostfrei) und sind damit hochzufrieden. Die Löffel sind dabei speziell an die kleinen Schälchen angepasst, die Gabel nicht zu spitz und das Messer nicht zu scharf.
  • Als Teller haben wir kleine Plastikschälchen. Nichts Tolles, aber bruchfest – und das hat sich schon oft bewährt…
  • Lätzchen sind gerade am Anfang extrem wichtig. Es ist hilfreich, wenn die Lätzchen am Hals gebunden werden können und dadurch gut anliegen (so kann von oben nichts reinrutschen). Lätzchen „mit Armen“ haben einen Vorteil – wenn das Kind sie trägt. Wichtig für uns ist, dass die Lätzchen zum Kind hin wasserdicht sind und nach dem Waschen schnell trocknen.
  • Beim Essen sollten immer Küchentücher und für den Notfall auch Feuchttücher griffbereit sein.
  • Vor dem Essen und nach dem Essen Hände abwaschen. Vor dem Essen wegen der Keime, die in dem Mund kommen können, nach dem Essen wegen der Sauerei.
  • Kinder im Babystuhl nie unbeaufsichtigt lassen! Aufstehen und Herausfallen geht in Sekunden …
  • Tipp: Finden Sie etwas, was Ihr Kind immer gerne und oft schnell isst und das idealerweise wenig Sauerei macht. Wenn es mal schneller gehen muss, dann setzen Sie ihm das vor. Bei uns ist es ein angedickter Kinderjoghurt.
  • Wir wünschen Ihnen gute Nerven, ausreichend Geduld und Zutrauen zu Ihrem Kind!

Ein Wort zum Trost: aller Anfang ist schwer, aber es wird besser werden. Irgendwann. Spätestens in der Pubertät wird Ihr Kind nicht mehr kleckern wollen. Aber dann kommen andere Herausforderungen. Wie geht die alte Elternweisheit? „Es wird nicht einfacher, nur anders“? Eben ;-)