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Neue Sinus-Studie: Wie ticken eigentlich Jugendliche?

Jugendliche in Kategorien einzuteilen und quasi in Schubladen unterzubringen, ist natürlich unsinnig und absurd. Man kann unmöglich von dem Jugendlichen sprechen. Die Persönlichkeiten sind unterschiedlich, die Lebensbedingungen sind es, die Ziele, Wünsche und Ängste sind es auch. Dennoch hat sich die Studie des Sinus-Instituts daran gewagt, ein ungefähres Bild der heutigen Jugend aufzuzeigen. Und das macht deutlich, dass sie enormen Druck spürt.

Ihr Image eilt der Jugend voraus. Allerdings gibt es hier kein einheitliches Bild. Je nach Betrachter und Blickwinkel sind die Jugendlichen von heute lahm, träge und konsumorientiert. Oder auch ökologisch korrekt, politisch interessiert und internetaffin. Die Jugend nimmt alles mit, was sie bekommen kann, nimmt es mit der Treue nicht so genau und neigt zum Koma-Saufen. Oder aber sie wünscht sich eine heile Familie, einen Partner fürs Leben und möglichst einen Job, der gute Karrierechancen bietet.


Ja, was denn nun?

Es gibt sie alle, die beschriebenen Jugendlichen. Und es wäre auch traurig, wenn es anders wäre. Doch trotz der gewünschten Vielfalt gibt es eben auch Bilder, die sich abzeichnen und deutlich machen, was Jugendliche beschäftigt. Das ist unter anderem abhängig von der Herkunft bzw. dem Elternhaus. So ist es keineswegs übertrieben oder unrealistisch, wenn man sich einen Jugendlichen in einem tristen Zimmer vorstellt, mit einem Bushido-Poster an der Wand und einem fast vollständig leerem Regal in der Ecke. Es sind diese Jugendlichen, die es sowieso schon schwer haben, weil die Eltern schon keinen Schulabschluss haben oder arbeitslos sind und bei denen sich schnell Perspektivlosigkeit breitmacht.


Nicht repräsentativ!

Die Frage „Wie ticken Jugendliche“, unter der die Sinus-Studie stand, ist zwar interessant, aber das Ergebnis kann keinesfalls als repräsentativ bezeichnet werden. Dafür war die Gruppe der befragten Jugendlichen einfach zu klein, denn insgesamt gaben gerade einmal 73 Jugendliche Auskunft. Trotzdem ergibt sich ein Bild, das tief blicken lässt und von den Studienbetreibern zu sieben unterschiedlichen „Tickern“ zusammengefügt wurde. Das Ergebnis liest sich spannend.


Sieben Lebenswelten

Die befragten Jugendlichen gaben nicht nur verbale bzw. schriftliche Antworten. Sie wurden auch aufgefordert, Bilder zu malen. Dank dieser Methodik konnten die folgenden sieben Lebenswelten geformt werden:

  • Die Prekären: Sie sind sich ihrer Ausgrenzung bewusst und fühlen sich auf der Leiter ganz unten. Während andere Jugendliche fehlendes Selbstvertrauen mit Konsumverhalten zu kompensieren versuchen, fehlt den Prekären das Geld dafür. Ihrem Schicksal ergeben will sich diese Gruppe jedoch nicht. Die Jugendlichen versuchen, sich aus ihrer Lage zu befreien und sich Perspektiven zu erarbeiten. Innerhalb der Studie werden sie als junge Menschen mit „Durchbeißermentalität“ bezeichnet.
  • Die materialistischen Hedonisten: Sie sind ganz auf den Konsum ausgerichtet. Autoritäten oder Kontrolle sind so gar nicht ihre Sache, sie wollen Freiheit und im Wesentlichen „chillen“. Kultur mögen diese Jugendlichen durchaus, aber mit Hochkultur wie Oper, Theater oder klassischer Musik kann man sie jagen. Die Sinus-Studie kommt zum Ergebnis, dass diese Gruppe Jugendliche die „freizeit- und familienorientierte Unterschicht mit ausgeprägten markenbewussten Konsumwünschen“ sei. Ein Befragter brachte es auf den Punkt mit der Aussage „Geld macht jeden glücklich“.
  • Die experimentalistischen Hedonisten: Sie sind der zuvor genannten Gruppe nicht unähnlich, aber weniger auf Mainstream fokussiert. Auch sie wollen sich zwar von niemandem reinreden lassen und das Leben genießen, sind aber weniger konsumorientiert. Ein Jugendlicher sagte: „Ich lasse mir von niemandem sagen, wie mein Leben sein soll. Bisher hat es ja auch geklappt“.
  • Die Adaptiv-Pragmatischen: Diese Jugendlichen gehen ihr Leben pragmatisch und planerisch an. Sie streben nach Wohlstand und sind bereit, dafür etwas zu leisten. Gesellschaftliche oder politische Veränderungen wünschen sie sich nicht und wer nicht bereit oder in der Lage ist, so viel zu leisten wie sie, wird mit Missachtung gestraft.
  • Die Konservativ-Bürgerlichen und die Expeditiven: Nicht weit entfernt von den Adaptiv-Pragmatischen sind diese beiden Gruppen von Jugendlichen. Die Expeditiven heben sich jedoch ab, sie wollen anders sein, als die Masse, sind aber auch sehr leistungsorientiert. Zu den Frühvergreisten unter den Jugendlichen zählen die Konservativ-Bürgerlichen. Sie wollen eigentlich gar keine Jugendlichen sein, sondern wären am liebsten schon erwachsen und mit einer „Normal-Biographie“ ausgestattet. Die Welt der Jugendlichen ist für sie weniger erstrebenswert als die der Erwachsenen.
  • Die Sozialökologischen: Für diese Jugendlichen zählt Konsum nicht zu dem, was für sie Glück ausmacht. Vielmehr wollen sie etwas verändern und bewegen, sie fühlen sich berufen, gegen Konsum und Materialismus anzugehen und andere von ihrer Einstellung zu überzeugen. Eine Jugendliche diese Gruppe fasste es zusammen, indem sie sagte: „Ohne Geld würde unsere Welt schöner aussehen“.


Überschneidungen der Einstellungen

Die Unterschiede sind zum Teil gewaltig, die Sozialökologischen ticken natürlich komplett anders als die Konservativ-Bürgerlichen. Trotzdem gibt es Berührungspunkte. Allen Befragten gemein ist beispielsweise der wahrgenommen hohe Druck, unter dem sie stehen. Hohe Leistungsanforderungen auf der einen und unsichere Berufsaussichten auf der anderen Seite lassen Jugendliche schnell in die Gedankenwelt von Erwachsenen eintauchen. Schneller als das früher der Fall war.


Gemeinsamkeiten lassen sich bei den Wünschen nach Sicherheit, Freunden und Familie feststellen. Die Umsetzung allerdings sieht unterschiedlich aus. Der Wunsch nach harter und erfolgreicher Arbeit geht einher mit dem Bedürfnis, richtig ausgiebig zu feiern. Sparsamkeit und der Wille, sich etwas leisten und Geld ausgeben zu können, gehen Hand in Hand.


Auffällig fanden die Forscher die Neigung zur „Entsolidarisierung“ unter vielen Jugendlichen. So wurde oft subtil zum Ausdruck gebracht, dass es eine Abneigung gegen Hartz-IV-Empfänger und Jugendliche mit ausländischen Wurzeln gibt. Offen wurde das selten gesagt, eher codiert durch Formulierungen wie „Man wird ja wohl noch sagen dürfen, dass ...“.


Allein diese letzte Äußerung wäre es wert, einmal genauer betrachtet zu werden. Sie legt jedoch die Vermutung nahe, dass es eine große Angst unter Jugendlichen gibt. Die Angst vor Armut und die davor, gegenüber anderen zu versagen.