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„Neue Väter“ wollen anders sein

Als Ina Deter im Jahr 1982 mit ihrem Titel „Neue Männer braucht das Land“ die Charts stürmte, passte die Grundaussage ihres Songs ins damalige Bild der Deutschen. Wenn heute vom „Neuen Vater“ die Rede ist, wenden sich viele Männer jedoch mit Grausen ab. Wer sind sie, diese Väter, die anders sind als frühere Generationen? Und wie wollen sie wahrgenommen werden?

Früher, in längst vergangenen Zeiten, war der Vater in der Familie das – im wahrsten Sinne des Wortes – Oberhaupt, das über allen wachte. Nicht selten war er streng, manchmal gütig und immer der Ernährer der Familie. Erziehungsaufgaben oder Haushaltsarbeiten waren unter seinem Niveau, allenfalls das sonntägliche Autowaschen (da durfte die Frau nicht ran) oder die strenge Ermahnung gegenüber dem Nachwuchs (wenn das mal nicht so recht „funktionieren“ wollte) erweiterten des Vaters Tätigkeitsfeld innerhalb des Hauses. Nach und nach stirbt diese Art des Vaters aus. Neue Väter ticken anders. 

 

 

Vom strengen Patriarch zum liebevollen Partner

Die Tatsache, dass Väter bis in die 1970er Jahre in einem recht festgezurrten Rahmen ihrer Rolle nachkamen und dabei viel seltener liebevoll und zärtlich mit ihren Kindern waren, als das heute der Fall ist, kann ursächlich nicht allein auf die Männer reduziert werden. Das beginnt schon bei der Geburt des Kindes. Damals waren Männer im Kreißsaal nicht gern gesehen, und das gesellschaftliche Bild der Geburt war eher das der Frau, die ihren „Job“ macht (also gebärt), während der Mann für das Geld sorgt. Heute sind eindrucksvolle 90 Prozent der Männer bei der Geburt ihres Kindes dabei. Und entwickeln schon deswegen ganz besondere Nähe zum Nachwuchs. Die meisten beschreiben das Erlebnis der Geburt als eines der wichtigsten, oft sogar das wichtigste in ihrem Leben überhaupt. Doch mit dem Erblicken des Lichts der Welt beginnt es nur, moderne Väter bringen sich auch viel mehr in die Familie ein. In allen Bereichen, die früher außen vor waren. 

 

„Neue Väter“ sind keine Exoten

Der Begriff „Neue Väter“ kommt auch deshalb bei vielen Männern nicht so gut an, weil es das Bild eines Exoten vermittelt. Doch das ist schon lange nicht mehr der Fall. Schon seit vielen Jahren haben sich Männer die Rolle inmitten der Familie neu definiert, es ist also nicht neu, dass Väter sich anders verhalten als in früheren Zeiten, sondern eine folgerichtige Entwicklung. Passender wären Charakterisierungen wie „zeitgemäße“, „moderne“ oder „gleichberechtigte Väter“. Wobei die Männer von heute nicht etwa die besseren Mütter sein wollen, sondern sich meist ihrer Unterschiede in Erziehung und Spielverhalten bewusst sind. Hinter den weiblichen positiven Eigenschaften müssen sie sich dabei nicht verstecken. 

 

„Mütterliche“ Zuwendung durch den Vater

Ebenfalls ein Relikt vergangener Zeiten ist die Annahme, nur Mütter könnten wirklich mütterlich sein. Väter hätten eben andere Qualitäten, deswegen seien die beiden Rollen ja so wichtig. Tatsächlich gibt es Unterschiede zwischen Mann und Frau, und das ist gut, wichtig und richtig. Doch dass alleine Frauen mütterliche Instinkte haben, stimmt in dieser Radikalität nicht. Forscher fanden durch Studien heraus, dass Väter ebenso feinfühlig, interessiert und sensibel mit ihren Kindern umgehen können wie Mütter. Bei allen Unterschieden gibt es also zahlreiche Gemeinsamkeiten bei Mutter und Vater. 

 

Der spontane Vater

Im Spielverhalten unterscheiden sich Männer und Frauen besonders. Väter sind spontaner, berühren ihre Kinder während der Spielphasen häufiger und setzen ihren Körper als Spielzeug ein, beispielsweise als Flugzeug. Auffällig ist die Begeisterung und Freude, mit der Väter mit ihren Kindern spielen. Im Vergleich zu Müttern bevorzugen Väter den taktilen Kontakt mit dem Kind, während Mütter häufiger die verbale Variante mit einbeziehen. 

 

Alte Strukturen in der modernen Arbeitswelt

Wenn wir vom modernen Vater sprechen, müssen wir uns auch der Karriere widmen. Männer von heute sind durchaus bereit und willens, Einschränkungen im Beruf in Kauf zu nehmen, wenn sie dadurch mehr Zeit für ihre Kinder haben. Doch in den meisten Fällen scheitern sie an alten Strukturen und Weltanschauungen. Männer, die den Spagat zwischen Erziehung und Karriere wagen wollen, müssen mit zahlreichen Hindernissen rechnen. Vorgesetzte sehen es in der Regel nicht gern, wenn sich ein Mann nicht zu 100 Prozent auf den Job konzentriert, sondern sich auch privaten Dingen zuwenden möchte. Die Folgen sind die, die Frauen schon lange kennen: Intoleranz, Ungerechtigkeiten und Machtspielchen, die auf die Dauer an die Substanz gehen. Doch es gibt einen weiteren Grund für die Beibehaltung alter Rollenverteilung. 

 

Wenn die Kasse nicht stimmt

Auch wenn die Wirtschaft nicht müde wird, auf Angleichungen hinzuweisen, faktisch gibt es im Regelfall noch immer erhebliche Unterschiede beim Verdienst, wenn man Männer mit Frauen vergleicht. In der Konsequenz bedeutet das daher, dass vielfach Männer eben doch diejenigen sind, die die Karriere vor die Familie stellen. Aber nicht, weil sie es in allen Fällen so wollten, sondern weil alles andere zu große finanzielle Einbußen zur Folge hätte. Oder auch, weil es wegen des beruflichen Umfeldes und verkrusteten Sichtweisen von Vorgesetzten zu Problemen kommt. 

Letztlich brauchen wir keine neuen Männer, auch keine neuen Väter. Die sind längst in der Realität angekommen. Was wir brauchen, sind neue Rahmenbedingungen. Und neue Gedanken in den Köpfen alter Denkfabriken.