© AVAVA - Fotolia.com

Das erste Jahr - Ein Lehrjahr als Vater

Vater sein ist ein lebenslanges Abenteuer. Die eigenen Kinder aufwachsen und sich entwickeln zu sehen ist aufregend und voller Überraschungen. Doch das erste Jahr mit dem eigenen Kind ist ein ganz besonderes. Der Moment, in dem man das Kind zum ersten Mal im Arm hält bis zu den ersten Schritten des jungen Erdenbürgers. 

Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Ich lag auf einer Gymnastikmatratze von einer dünnen Wolldecke zugedeckt und hörte Henning Mankells letzten Wallander-Roman als Hörbuch. Neben mir,  leicht erhöht, lag meine Frau auf dem Bett. Neben ihr stand das blinkende EKG, das uns den regelmäßigen Herzschlag unseres Sohnes anzeigte. Sie hatte gerade eine PDA bekommen und dämmerte im frühen Morgenlicht vor sich hin. 

 

 

Dann war es soweit  

Knapp sieben Stunden später erfüllte das Brüllen meines Sohnes Noah den Kreißsaal. Ganz weiß war er, ein bisschen glitschig und er zitterte am ganzen Körper. Erst als er auf dem Bauch meiner Frau lag und die Brust fand beruhigte er sich und fing sofort an zu saugen. Er war kerngesund und alles war dran. Erfüllt vom Glück junger Eltern sahen wir auf den kleinen, zarten Körper mit den noch gequollenen Augen und fühlten uns, als wären wir die ersten Eltern überhaupt. Drei Tage später brachte uns ein Taxi nach Hause, wo meine Schwiegereltern bereits warteten. 

 

Ein neues Leben  

Für meine Frau und mich begann nun ein neues Leben. Wir waren schon 8 Jahre verheiratet und hatten somit ausgiebig Gelegenheit gehabt, Zeit miteinander zu verbringen. Ich glaube heute, dass es uns geholfen hat, das neue Leben mit Kind besser zu meistern, mussten wir uns doch nun nach dem Rhythmus eines Menschen richten, der nicht in der Lage war, seine Wünsche zu artikulieren und dessen Ansprüche hoch waren. Kino, Museum und Restaurantbesuche waren erst einmal passé. Stattdessen bestimmten Dreimonatskoliken, Schlafprobleme und kurze Nächte unseren Alltag. Doch die Begeisterung über den Nachwuchs überschattete jede Müdigkeit uns lies und die dunklen Augenringe übersehen. 

 

Erste Unabhängigkeiten 

Im PEKIP-Kurs eroberte Noah sich mit 4 Monaten erste kleine Unabhängigkeiten. Er spielte mit anderen Kindern - also nahm ihnen ihr Spielzeug weg und steckte es in den Mund - und lernte mit anderen Menschen als nur mit seinen Eltern zusammen zu sein. Es folgten erste Spielplatzfreundschaften und das Robben auf dem Bauch. In Eltern-Kind-Gruppen lernte er weitere Kinder kennen, machte seine ersten Erfahrungen im Umgang mit Gleichaltrigen, lernte es, sich durchzusetzen oder musste auch mal einstecken. Als das Krabbeln folgte, eroberte er sich neue Räume, kam schnell voran und vor allen Dingen an Dinge, die höher lagen. Von hier war es nur noch ein kleiner Schritt, bis er sich an Tischen und Regalen hochzog und seine Perspektive von der Horizontalen zu Vertikalen wurde. Wenige Wochen vor seinem ersten Geburtstag begann er dann schließlich mit dem Laufen.

 

Ein kleines Individuum 

Nun haben wir seinen ersten Geburtstag gefeiert. Er läuft wie ein Weltmeister und hat bereits sehr individuelle Vorlieben entwickelt. Er liebt es, mit anderen Kinder zusammen zu sein, rutscht gerne auf dem Spielplatz oder buddelt im Sand, er weiß genau, was er gern isst, was seine Lieblingsspielzeuge sind und wo er am Abend seine Flasche trinken möchte. Er spricht den ganzen Tag in seiner Babysprache, kann sich aber mit Zeichen und Lauten schon gut verständlich machen und Worte wie Flasche, Schnuller und Ball versteht er perfekt. Aus dem abhängigen Säugling, den ich vor 12 Monaten zum ersten Mal im Arm hielt, ist ein kleines, willensstarkes Individuum geworden, das genau weiß, was es will. 

 

Rückblick

Wenn ich auf das erste Jahr zurückblicke dann bin ich dankbar dafür, dass meine Frau und ich gut in die Rolle als Eltern gefunden haben, dass Noah unser Leben so bereichert, dass er uns immer wieder überrascht und begeistert, dass er so lebensfroh und neugierig ist, dass er seine Freiheiten sucht, aber auch das Kuscheln mit seinen Eltern genießt. Wir sind dankbar, dass wir alle drei gemeinsam ein so schönes erstes Jahr erleben durften – und wir sind gespannt, was uns im zweiten Jahr erwartet. 

 

Christian Mörken, 39 Jahre, lebt als freier Autor, Redakteur und Texter mit seiner Frau Gabriela und seinem Sohn Noah Maximilian im Allgäu.