Das Kind annehmen wie es ist - mein Kind hat das Down-Syndrom

Erst nach der Geburt erfuhren Konstantin D. und seine Frau, dass ihre Tochter Natalie am Down-Syndrom (Trisomie 21) leidet. Die Folge: ein Schock und zerbrochene Träume vom „eigenen Kind“. Schnell mussten sie sich mit der Realität anfreunden und Vorurteile aus dem Umfeld ertragen. Heute genießt die Familie das Familienleben, wie jede andere Familie auch und Konstantin D. entdeckt an seiner Tochter immer neue großartige Eigenschaften.

Konstantin D. und seine Frau hatten  sich bewusst gegen eine Pränataldiagnostik entschieden und das Thema auch recht bald wieder vergessen. So konnte seine Frau, die Schwangerschaft in Ruhe genießen, bis zu dem Moment, als die Ärzte die Nachricht überbrachten, dass Natalie eben doch nicht die gesunde Tochter war, die sich die beiden gewünscht hatten. 

 

Den Gedanken akzeptieren

Doch nicht nur mit ihren eigenen Gedanken mussten die beiden fertigwerden, sondern auch noch die Reaktionen des Umfeldes verarbeiten. Während die meisten versuchten zu trösten und den Eltern Mut zu machen, hätten sich die Eltern manchmal gewünscht, dass jemand mal sagt: „Ach, Du Scheiße. Das ist ja eine Katastrophe!“ Denn genau so haben sich die beiden damals gefühlt. Noch schmerzhafter waren allerdings die Reaktionen derer, die meinten, dass „solche“ Kinder doch heute gar nicht mehr geboren werden müssten. Kraft zogen die beiden aus Bemerkungen von Freunden, die ihnen sagten, dass sie das ja wirklich super hinbekämen und natürlich dadurch, dass Natalie auch von vielen so gut angenommen wurde. 

 

Die Reaktionen der Umwelt

Dennoch spürten sie die Blicke des Umfeldes auf Spielplätzen und beim PEKIP. Manch einer versuchte, sich seine Reaktion nicht anmerken zu lassen, andere reagierten spürbar, denn Natalies Entwicklung lief anders als bei „normalen“ Kindern ab. Sie brauchte länger, um Krabbeln, Laufen und Sprechen zu lernen. Bis heute fallen ihr motorische Dinge schwer. So stellen Schnürsenkel binden oder Fahrrad fahren für Natalie auch heute noch Hürden dar. Darüber hinaus ist der Umgang mit Zahlen und Geld nicht leicht. Dafür verfügt Natalie aber über Fähigkeiten, die viele von uns so nicht mehr beherrschen. Sie ist geradeheraus, direkt, ehrlich. Verstellen, Spielchen um Ziele zu erreichen, oder gar Hinterlist sind ihr fremd. So findet sie häufig gerade einen guten Zugang zu Kindern, die schüchtern und zurückhaltend sind. „Aber eine Freundschaft zwischen Kindern mit und ohne Behinderung ist die Ausnahme, muss ich ganz klar sagen. Man lebt einfach in unterschiedlichen Welten. Ein herzliches Miteinander geht, das gegenseitige Verständnis wächst im Laufe der Zeit, aber mehr geht in der Regel nicht“, schränkt Konstantin D. ein. 

 

Was der Staat tut

Größere Probleme macht aber das föderale Bildungssystem in Deutschland. Das Angebot an Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für Behinderte beurteilt Konstantin D. besonders schlecht. „Die UNO hat ja auch schon darauf aufmerksam gemacht, dass die Behindertenrechtskonvention hierzulande nicht oder nicht gut umgesetzt wird“, erläutert er. Das, was funktioniert, beruht zu einem Großteil auf Eigeninitiative. Dabei zeigen Beispiele, welche herausragenden Leistungen gerade Menschen mit Down-Syndrom erbringen können, wenn sie entsprechende Ausbildungschancen erhalten. 

 

Herausforderungen eines Teenagers

Mittlerweile ist Natalie 14 Jahre alt und stellt ihre Eltern vor ganz neue Herausforderungen. Nicht nur, dass sie sich mitten in der Pubertät befindet und Fragen nach Liebe und Sexualität auftauchen und dies in Verbindung mit Gedanken, inwieweit sich Eltern da einmischen dürfen? Auch rückt der Moment für Natalies Ausbildung näher. „Natalie ist meiner Meinung so fit, dass sie nicht in einer Behindertenwerkstatt zu arbeiten braucht, sondern im sogenannten ersten Arbeitsmarkt. Aber dort für eine junge Frau mit Down-Syndrom etwas 

Passendes zu finden ist natürlich eine Herausforderung“, sagt Konstantin D.

Überhaupt findet er es schade, dass Menschen mit Behinderung in Deutschland nicht integrierter sind. Eine Mitschuld daran habe sicherlich die Pränatal-Diagnostik, die dafür sorge, dass 90% der Kinder mit Down-Syndrom nicht mehr geboren werden. Es zeige, wie unsere Gesellschaft mit Behinderungen umgeht. 

 

Es braucht mehr Akzeptanz

„Dabei gibt es viele mögliche Ursachen für eine Behinderung. Autismus kann man pränatal nicht diagnostizieren, viele andere genetische Ursachen auch nicht. Sauerstoffunterversorgung bei der Geburt z.B. kann zu einer Behinderung führen. Oder wenn ich morgen einen Unfall habe und hinterher im Rollstuhl sitze … schauen Sie sich die Paralympics in London an … es gibt so viele Menschen mit Behinderung, und eine Menge von ihnen gehen bewundernswert damit um, finde ich. Die spüren jeden Tag, dass die Welt nicht für sie gemacht ist, sie immer wieder benachteiligt oder ablehnt … das ist schon sehr hart. Wer unter solchen Umständen seinen Weg macht, verdient unseren vollen Respekt“, schließt Konstantin D.  

 

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