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Ein Kind bekommen - in diese Welt hinein?!

Am Tag vor den Attentaten von Paris erfährt ein Elternpaar, dass es mit der lange erhofften zweiten Schwangerschaft endlich geklappt hat. Mit den Anschlägen trübt sich jedoch die Stimmung der werdenden Eltern. In was für eine Umgebung wird das Baby hineingeboren werden? Kann man es verantworten, in dieser Situation Kinder in die Welt zu setzen?

Gestern Morgen waren meine Frau und ich bei ihrem Frauenarzt. Dort wurde uns bestätigt, was der Schwangerschaftstest bereits angekündigt hatte: wenn alles glatt läuft werden wir im Sommer unser zweites Kind bekommen.

Unsere Freude ist zur Zeit getrübt. Vor nicht einmal einer Woche fanden die Attentate von Paris statt und seitdem scheint nichts mehr so, wie es war. Wir befürchten, dass diese Anschläge unser Leben nachhaltig verändern werden.


Nach den Attentaten wird man nachdenklich

Ich bin in den Achtziger Jahren aufgewachsen. Damals gab es gefühlt wenig Schönes und noch mehr „no future“. Wir Jugendliche sagten uns häufig, dass wir keine Kinder in so eine Welt setzen wollten. Auch ein Grund, dass es bei mir bis in meine Vierziger gedauert hat, bis ich zum ersten Mal Vater wurde.

Doch einige meiner Ansichten haben sich grundlegend geändert. Der Grund dafür ist unser kleiner Sohn. Er IST die Zukunft meiner Frau und mir und soll eine Zukunft haben. „No future“ ist keine Option!

Meine Frau und ich haben eine ganze Weile versucht, ein zweites Kind zu bekommen. In unserem fortgeschrittenen Alter ist eine Schwangerschaft keine Selbstverständlichkeit mehr. Und es hat lange gedauert, bis der Test positiv ausfiel. Zu dem Zeitpunkt waren wir sehr erleichtert, haben uns gefreut und waren in dieser frühen Phase der Schwangerschaft guter Hoffnung. Am Abend des nächsten Tages fanden die Anschläge von Paris statt…

Seitdem waren wir von unseren Gefühlen hin- und hergerissen. Wir waren schockiert und wurden nachdenklich. Ist es verantwortlich, ein Kind in eine solche Situation „hineinzugebähren“?  


Ist es verantwortlich, ein Kind in eine solche Situation hineinzugebähren?

Um besser mit unseren Gefühlen umgehen zu können, haben wir versucht, uns ein wenig zurückzunehmen und etwas rationaler an die Sache heranzugehen. Wir haben uns am Abend zusammengesetzt und uns bemüht, unsere Situation so vernünftig einzuschätzen, wie es uns möglich war. Nach und nach kamen wir zu folgenden Überlegungen:

Es geht den Menschen in Deutschland immer noch – und trotz der aktuellen Vorkommnisse – sehr gut (was auch für die deutschsprachigen Nachbarländer Österreich und die Schweiz zutrifft). Wir befinden uns inmitten von Europa noch immer in einem geschützten Raum mit beträchtlicher Lebensqualität, hoher Lebenserwartung und guter sozialer Absicherung. Die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland einem Gewaltverbrechen oder auch einem Anschlag zum Opfer zu fallen, ist extrem niedrig. Trotz der Pariser Attentate kann man damit rechnen, dass das Leben in Deutschland (oder der Schweiz oder Österreich) weiterhin sicher bleiben wird – zumindest im Vergleich mit den allermeisten anderen Regionen der Welt. Natürlich fühlen meine Frau und ich uns von den zunehmenden Krisen häufig verunsichert und haben Respekt vor den Veränderungen, die uns bevorstehen. Wir sind jedoch überzeugt, dass es kaum Ecken auf der Welt gibt, in denen es sich jetzt oder in naher Zukunft besser leben lässt.


Eine Zukunft im Kleinen schaffen – für unsere Kinder

Wir als Eltern haben die Möglichkeit, unseren Kindern in dieser Umgebung einen Raum zu schaffen, in dem sie sich entwickeln können. Eine Zukunft im Kleinen sozusagen – für uns und unsere Kinder. Und das trotz aller bedrohlichen Nachrichten von außen. Natürlich dürfen wir dabei nicht die Augen vor dem, was um uns herum geschieht, verschließen. Schließlich müssen wir verantwortungsvoll mit der Welt umgehen, die unsere Kinder irgendwann von uns erben sollen – und bis dahin auch für ihre Sicherheit sorgen. Wenn es uns gelingt, einen solchen geschützten Raum für unsere Kinder zu schaffen – und diese Chance haben wir – dann können unsere Kleinen behütet und in gesunder Umgebung aufwachsen.

Was uns als kleine Familie angeht: „no future“ ist, wie gesagt, keine Option. Meine Frau ist schwanger und, wenn alles glatt läuft, sind wir in einigen Monaten zu viert. Das haben wir nun nicht mehr in der Hand.

 

So kamen wir letztlich zu folgendem Schluss: Deutschland ist unserer Meinung nach noch immer ein recht guter Ort, um Kinder zu haben – so seltsam es uns vorkommt, das in der aktuellen Lage zu sagen.
In diesem Bewusstsein freuen wir uns inzwischen wieder uneingeschränkt auf unser zweites Kind und hoffen auf das, was die Zukunft bringen wird…

 


Der Autor ist der Redaktion bekannt, möchte jedoch anonym bleiben – auch, damit die Schwangerschaft gegenüber den Großeltern für den Moment noch ein Geheimnis bleiben kann.