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Papa, übernehmen Sie! – von Anfang an aktiv Vater sein

Vater sein – das heißt Vorbild sein, Ausflüge machen und mit den Kindern Fußball spielen. Aber was, wenn der Nachwuchs dafür noch zu klein ist? Die ersten Monate und Jahre gehören der Mutter, heißt es oft. Aber stimmt das?

Neulich hat mir meine Frau ein ganz besonderes Kompliment gemacht: Sie sagte, ich sei einschläfernd. Das war wirklich nett gemeint. Ich hatte unsere kleine Tochter auf dem Arm, sie ist gerade drei Wochen alt. Sie hatte Bauchweh und weinte, ich hatte sie hin und her geschaukelt und versucht, sie zu beruhigen. Tatsächlich hatte es nicht lange gedauert, dann war sie eingeschlafen. Und meine Frau war froh - sie hatte für ein paar Stunden Ruhe.

 

Einschläfern, das kann ich

Die übrige Zeit ist meistens meine Frau mit unserer Tochter beschäftigt. Sie stillt, sie kuschelt, sie wickelt. Und sie entfernt sich von ihr nie länger als zehn Minuten, selbst wenn sie schläft und ich daneben sitze und aufpasse. Einschläfern, das kann der Papa. "Sie beruhigt sich einfach nirgends so gut wie bei dir auf dem Arm", sagt meine Frau dann anerkennend. Doch für alles andere fühlt sie sich selbst zuständig. Wenn ich mich um meine Tochter kümmere, dann meint meine Frau, sie müsse sich bei mir bedanken. Und dann frage ich mich, warum.

Stillen ist nicht alles

Klar, ich kann nicht stillen. Aber sonst scheint es doch für meine Tochter keinen Unterschied zu geben zwischen mir und meiner Frau. Das sagt auch die Wissenschaft. Seit den 1970er Jahren gibt es den eigenständigen Forschungszweig der Väterforschung. Längst ist belegt, dass Kinder ihre Väter genauso brauchen wie ihre Mütter, um sich richtig zu entwickeln. Und nicht erst im Kindergarten- oder Grundschulalter, sondern von Anfang an. Väter haben es inzwischen schwarz auf weiß:

  • Biologisch haben Männer dieselben Voraussetzungen für die Eltern-Kind-Bindung wie Frauen.
  • Ein Vater empfindet genauso starke Gefühle für sein Baby wie eine Mutter.
  • Ein Vater kann ein Baby genauso gut trösten oder ins Bett bringen wie eine Mutter.
  • Die Bindung zwischen einem Baby und seiner Mutter ist nicht grundsätzlich stärker als die zwischen ihm und seinem Vater. Vielmehr hängt sie davon ab, wie viel Zeit Elternteil und Kind miteinander verbracht haben. Selbst bei traditioneller Rollenaufteilung knüpft ein Kind eine intensive Bindung auch zum Vater.
  • Schon ein Baby braucht Mutter und Vater. Die Beziehung zum Vater entsteht gleichzeitig mit der Mutterbindung, nicht erst danach. Wenn ein Neugeborenes zu wenig Zuwendung des Vaters erfährt, fällt es ihm später schwer, Vertrauen zu ihm aufzubauen.

Die Stimme der Mutter und die Angst der Väter

Also Väter ran ans Baby? Doch trotz alledem hat meine Frau das Gefühl, dass es ihre Aufgabe ist, die Kleine zu versorgen. Und sie ist damit nicht allein. Entwicklungspsychologen zufolge kümmern sich in der Mehrzahl der jungen Familien hauptsächlich die Mütter um die Allerkleinsten, vor allem im ersten Lebensjahr. Auch später bleiben die Mütter dann in den Augen der Kinder zuständig für Ruhe und Geborgenheit. Die Väter werden wichtig für Abenteuer, Spielen und Bewegung. Aber die ersten Monate oder gar Jahre eines Kindes gehören der Mutter.

Es gibt genügend Theorien, die das begründen wollen. Die leibliche Mutter sei durch Schwangerschaft und Geburt besonders gut geeignet, die erste Bezugsperson für das Neugeborene zu werden, denn ihre Stimme und ihr Geruch seien dem Baby bereits vertraut, schreibt etwa die Kinderpsychologin Theresia Herbst. Die Stimme hörten die Kinder schließlich bereits im Mutterbauch. Und das Fruchtwasser schmecke genauso, wie die Mutter rieche. Bei der Mutter fühlten sich Kinder daher von Natur aus geborgen.

Herbst schreibt aber auch: Wenn die Mutter sich aus irgendeinem Grund nicht um ihr Kind kümmern kann, können andere Personen die Mutter-Funktion ebenso ausfüllen – allen voran der Vater.

Wenn er denn will. Viele Väter nämlich sind eigentlich ganz froh, dass sich anfangs die Frauen um die Kinder kümmern – auch aus Hilflosigkeit und Angst, etwas falsch zu machen. Oft fühlen sich Väter vom Nachwuchs überrumpelt. Die Mutter spürt ein Kind schon Monate vor der Geburt im Bauch, sie fühlt, wie es sich bewegt. Der Vater kann nur dem Bauch seiner Frau beim Wachsen zusehen. Hin und wieder hat er während der Schwangerschaft vielleicht seine Hand auf den Bauch seiner Frau gelegt und gespürt, wie darin sein Kind strampelt. Aber mit der Geburt ist es plötzlich da, er kann es anfassen und muss sich kümmern.

Vorbild sein, Ausflüge, Fußball spielen? Darauf hat er sich in Gedanken vorbereitet, immer wieder. Aber jetzt heißt es erst einmal: trösten, wickeln, schaukeln. Und viele Väter brauchen Zeit, um sich überhaupt an ihr Kind zu gewöhnen. Wenn sie es im Arm halten und es zu schreien beginnt, dann bekommen sie Angst. Was tun? Am besten zur Mutter, die kann es stillen. Sicher ist sicher.

Eine Frage der Gewohnheit

Kein Vater muss sich davon entmutigen lassen, wenn er so reagiert. Denn Vater-sein ist auch eine Frage der Gewohnheit. Manchen fällt die Umstellung schwer, sie besuchen Väterzentren oder Vater-Kind-Gruppen, um sich mit anderen Vätern auszutauschen. Oft aber verschwindet die Unsicherheit von selbst. Manchmal dauert es Monate, manchmal nur ein paar Tage, dann empfinden es Väter als selbstverständlich, sich um ihr Baby zu kümmern. Und je selbstverständlicher der Umgang mit dem Baby, desto normaler empfinden es dann auch die Mütter, wenn sich der Papa um Sohn oder Tochter kümmert. Und wenn das Kind anfängt, statt Muttermilch Brei zu essen, dann gibt es auch nichts mehr, was nur die Mutter erledigen kann.

Spätestens, wenn es Zähne bekommt, laufen kann und die ersten Wörter spricht, dann schlägt sie ohnehin, die Stunde der Väter. Was sich ein Mann auch unter dem Vater-sein vorgestellt hat, und wer sich in den ersten Monaten auch um das Kind gekümmert hat: Jetzt kann er Vorbild sein, Ausflüge machen, Fußball spielen und nach Herzenslust Vater sein.

 

Der Autor: Jakob Wetzel, 28, lebt mit seiner Frau und drei Kindern in München-Bogenhausen.

 

Zum Weiterlesen:
http://www.sicherebindung.at/index.html