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Pränataldiagnostik – Fluch oder Segen?

Mit dem technischen Fortschritt wachsen auch die Möglichkeiten, Babys bereits im Mutterleib buchstäblich auf Herz und Nieren zu prüfen. Stellt sich bei diesen Untersuchungen heraus, dass der Embryo krank ist, müssen Eltern eine Entscheidung treffen. Dabei geht es um Leben und Tod.

Der Begriff Pränataldiagnostik bedeutet übersetzt vorgeburtliche Untersuchungen. Viele Eltern, insbesondere Frauen, machen sich wenig Gedanken um die Untersuchungen. Sie gehören für 85% der Schwangeren eben einfach dazu. Der Ultraschall mit Feindiagnostik sowieso, das sogenannte Ersttrimester-Screening, mit dem die Möglichkeit von Chromosomenabweichungen oder Herzfehler festgestellt werden können, ebenso. Was wenig bekannt ist: Besonders das Screening ist keine Diagnose, sondern eine reine Abschätzung eines Risikos.


Pränataldiagnostische Untersuchungsmethoden

Bei den regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft sind im Rahmen der Krankenversicherung drei Ultraschalluntersuchungen enthalten, mit denen zum Beispiel der Herzschlag oder die Lage des Fötus geprüft werden kann. Bei der ersten Ultraschalluntersuchung, die vaginal erfolgt, werden die Dauer der Schwangerschaft und die Anzahl der Föten bestimmt. Die weiteren beiden Ultraschalluntersuchungen finden über den Bauch statt und geben groben Aufschluss über die weitere Entwicklung. Liegt keine Risikogeburt vor, müssen weitere Ultraschalluntersuchungen von der Schwangeren selbst gezahlt werden.

Mit dem Doppler-Ultraschall kann ein dreidimensionales Bild des Babys erzeugt werden. Besonders für Väter oft eine spannende Angelegenheit. Mit Hilfe der Technik erhalten sie eine ganz genaue Vorstellung von dem unbekannten Wesen im Bauch der Partnerin. Herzfehler, ein offener Rücken oder Lippen-Spalten lassen sich damit besser erkennen und beurteilen. Diese Untersuchung ist allerdings nur bei medizinischer Notwendigkeit erforderlich.

Bereits beim ersten Ultraschall zwischen der 11. und 14. Woche kann eine Nackentransparenzmessung vorgenommen werden, die Teil des Ersttrimester-Screenings ist. Weiterhin wird bei dieser Untersuchung Blut der Mutter entnommen. Aus den ermittelten Werten wird ein Risikofaktor für verschiedene Chromosomenstörungen oder einen Herzfehler entwickelt: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, ein krankes Kind zur Welt zu bringen? Dieser Test sagt vergleichsweise wenig aus, verunsichert Frauen aber immens. Die Falschpositivrate beträgt mehr als 5%, das heißt  fünf von 100 Frauen, deren Testergebnisse positiv waren, bekommen dennoch gesunde Kinder. Die wahren Zahlen sind hier nicht bekannt, da sich viele Frauen aufgrund des Ergebnisses einem Schwangerschaftsabbruch unterziehen. Zu groß ist die Angst, ein behindertes Kind großziehen zu müssen.

Zeigen sich bei den ersten Tests beunruhigende Ergebnisse, raten die Frauenärzte zu einer Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese). Diese Untersuchung, bei der mit einer Hohlnadel durch den Bauch Fruchtwasser entnommen wird, wird zwischen der 15. und 18. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Bis die Ergebnisse da sind, dauert es in der Regel zwei Wochen. Das Fruchtwasser enthält fetale Zellen, die im Labor auf Krankheiten untersucht werden. Diese Befunde sind sehr genau, allerdings birgt die Untersuchung die Gefahr einer Fehlgeburt. Mögliche Diagnosen sind Down Syndrom, Neuralrohrdefekte, Muskel- und Stoffwechselerkrankungen. Zu einer Fruchtwasseruntersuchung wird grundsätzlich Frauen über 35 Jahren geraten, da diese bereits als Risikoschwangere gelten. Dann zahlt auch die Krankenkasse den Eingriff.

Mit der Chorionzottenbiopsie kann ein Blick ins Erbgut des Embryos geworfen werden. In einem Prozent aller Fälle verursacht die Entnahme der Zellen eine Fehlgeburt. Die Zellen werden aus dem Mutterkuchen entnommen. Die Vorgehensweise ist ähnlich wie bei der Amniozentese: Mit einer Hohlnadel, die durch den Bauch der Mutter gestochen wird, werden die Chorionzotten aus dem Mutterkuchen entnommen. Dieser Eingriff ist zwischen der 10. Und 13. Schwangerschaftswoche möglich und wird dann empfohlen, wenn in der Familie schwere Erbkrankheiten vorliegen.


Mögliche Diagnosen der Pränataldiagnostik

Das Down Syndrom (Trisomie 21) ist die häufigste Prognose, bzw. Diagnose, die bei der Pränataldiagnostik gestellt wird. Weitere Ergebnisse, die sich durch die Untersuchungen ergeben können, sind Fehlbildungen im Bereich der Geschlechtschromosomen, ein offener Rücken (Spina bifida) und ein Neuralrohrdefekt. Dies sind nur einige wenige von vielen genetischen Erkrankungen, die festgestellt werden können. Behandelbar sind sie nicht.

Down Syndrom oder Trisomie 21 wird in mehr als der Hälfte der Fälle diagnostiziert, wenn durch die Pränataldiagnostik eine Diagnose gestellt wird. Diese Kinder gelten als geistig zurückgeblieben, unterscheiden sich optisch von anderen Menschen und leiden in einigen Fällen an einem angeborenen Herzfehler. Wie sich diese Kinder entwickeln hängt davon ab, wie stark sie gefördert werden. Ist die Diagnose Down-Syndrom durch eine Fruchtwasseruntersuchung gestellt, treiben 90% der Frauen ab.

Im Bereich der Fehlbildung der Geschlechtschromosomen unterscheidet man das Turner-Syndrom und das Klinefelter-Syndrom. Ersteres betrifft Mädchen, die statt zwei nur ein X-Chromosom aufweisen. Sie sind sehr klein und nicht gebärfähig. Ansonsten entwickeln sie sich körperlich und geistig normal. Das Klinefelter-Syndrom betrifft Jungen, hier liegt ein zusätzliches X-Chromosom vor. Diese Menschen werden sehr groß und sind zeugungsunfähig. Mögliche Auffälligkeiten können Motorik-, Sprach- und Kontaktstörungen sein. Durch Testosterongaben lassen sich diese Symptome beheben oder zumindest stark abschwächen.

Liegen Neuralrohrdefekte beim Ungeborenen vor, liegen Gehirn oder Rückenmark teilweise frei. Man unterscheidet die Anenzephalie und den offenen Rücken. Während Kindern mit Anenzephalie meist nicht lebensfähig sind, kann Kindern mit offenem Rücken durch eine Operation geholfen werden. Dennoch können Querschnittslähmungen oder ein Wasserkopf auftreten. Die geistige Entwicklung verläuft meistens normal.


Behandlung im Mutterleib

Nicht genetische Krankheiten, die durch die Pränataldiagnostik festgestellt werden, können heute bereits im Mutterleib behandelt werden. Mit Medikamenten oder Operationen am Fötus können zum Beispiel Blutarmut, Herzfehler, Viruserkrankungen oder Zwerchfelldefekte behandelt werden. Liegen unbehandelbare genetische Krankheiten vor, müssen sich die Eltern entscheiden: Gehen Sie die Aufgabe an, ein (möglicherweise) krankes Kind auf die Welt zu bringen und zu versorgen oder wählen sie den Abbruch.


Das sollte man vor der Pränataldiagnostik bedenken

Sie und Ihre Partnerin sollten sich gut überlegen, ob Sie die vorgeburtlichen Untersuchungen durchführen wollen. Wenn Sie ohnehin entschieden haben, das Kind zu bekommen, selbst wenn es krank oder behindert sein sollte, machen die Untersuchungen keinen Sinn, umso weniger als bei einigen der Methoden Fehlgeburtsrisiken bestehen. Sie bzw. Ihre Partnerin dürfen die Untersuchungen jederzeit ablehnen. Bei einer Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) haben 25% der befragten Frauen angegeben, dass sie die pränataldiagnostischen Untersuchungen auf Anraten des Arztes durchgeführt haben. Die entscheidenden Fragen, die Sie sich und Ihrer Partnerin vorab stellen sollten, sind folgende:

  • Was würde es für uns bedeuten, ein krankes oder behindertes Kind groß zu ziehen? Was macht uns Angst dabei?
  • Wo würden wir Unterstützung finden, zum Beispiel in Familie und Freundeskreis?
  • Wie gut sind wir über die möglichen Behinderungen und die Einschränkungen, die damit auf uns zukommen, informiert?
  • Wie viel Fehlgeburtsrisiko möchten Sie eingehen, um über die Gesundheit des Embryos informiert zu werden?
  • Wäre ein Schwangerschaftsabbruch überhaupt eine Alternative?


In unserer Gesellschaft gibt es einen starken Erwartungsdruck ein gesundes und leistungsfähiges Kind zu gebären. Die Entscheidung für ein krankes Kind, bzw. gegen die Pränataldiagnostik fällt deshalb umso schwerer.