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"Papa ist kein Barbapapa!" – er kann sich nicht zerreißen und auch nicht zaubern

Wenn sogar die eigenen Kinder Mitleid mit dem gestressten Erziehungsberechtigten haben.

Die größere Tochter macht die Hausaufgaben und fragt genervt: "Papa!? Wie viel ist 12 + 7?" Die jüngere Tochter braucht extrem dringendst meine Hilfe bei der Suche des orange-farbenen Filzstifts. Das Telefon läutet. Auf dem Herd geht die Suppe über. Wenn alles gleichzeitig auf einen einprasselt, fühlt sich der Stress am wohlsten. Er wächst, blüht und gedeiht. Da wünscht man sich einen Zauberspruch à la "Raburik Barbatrick" und einen Gummikörper, der sich nach Belieben ausdehnen, verformen und aufgabenspezifisch nützlich machen kann.

Ja, kann gut sein, dass das Problem mit Multi-Tasking ein männertypisches ist

 Das belegen auch Studien. Zum Beispiel eine aktuelle Untersuchung der Schweizerischen Universitätsklinik Balgrist. Die Wissenschaftler ließen männliche und weibliche Testpersonen auf einem Laufbahn laufen und gleichzeitig bestimmte Sprachübungen  absolvieren. Und sie stellten fest: Männer liefen unter Einfluss der zusätzlichen Sprachaufgabe nicht mehr so "rund", der rechte Arm schwang nicht so stark wie der linke, im Vergleich zum Laufstil ohne gedankliche Herausforderung. Hintergrund: Die Schwungbewegungen des rechten Arms wie auch der Sprache werden in der linken Hirnhälfte gesteuert. Fazit von Neurowissenschaftler Tim Killeen: "Wir waren überrascht, einen beständigen Geschlechterunterschied festzustellen bei der Interaktion von zwei relativ einfachen Verhaltensweisen - kognitive Kontrolle und Armschwung".

 

Helfen schlaue Tipps in der akuten Stressphase?

Noch ein verschärfteres Beispiel. Drei Monate altes Baby schreit und möchte rhythmisch hin und her gewiegt werden. Vierjähriges Geschwisterchen klemmt sich die Finger in der Schublade ein. Hund entwischt durch den Gartenzaun und bellt, dass man es in der ganzen Nachbarschaft hört. Und es läutet an der Tür. Mal sehen, was die Psychologie parat hat: 

"Schließen Sie mit dem Daumen der rechten Hand das rechte Nasenloch und atmen Sie langsam und tief aus und durch das freie linke Nasenloch wieder ein. Schließen Sie dann mit dem Ringfinger der rechten Hand auch das linke Nasenloch und halten den Atem an und zählen bis acht. Lösen Sie den Daumen vom rechten Nasenloch und atmen Sie vollständig aus und wieder ein. Halten Sie den Atem wie beschrieben an und lösen dann den Ringfinger vom linken Nasenloch zum Ausatmen. Jetzt wieder links einatmen und den Zyklus von vorn beginnen. Starten Sie mit sechs Wiederholungen. Das Ein- und Ausatmen sollte auf beiden Seiten etwa gleich lang sein." (Yoga-Tipps vom Lifestyle Magazin westwing.de)

 

Oder wie wäre es mit Entspannungsmusik?

"Innere Ruhe finden. Typische Entspannungsmusik ... soll die Seele berühren und beim Abtauchen in die eigene Phantasiewelt helfen. Beliebt ist Entspannungsmusik, die mit Naturgeräuschen unterlegt wird. Geräusche wie das Rauschen des Waldes, das Plätschern von Wasser und Vogelgezwitscher wirken beruhigend auf Körper und Psyche. So finden Sie die Balance zwischen Körper und Seele und Glücksgefühle stellen sich ein." (www.entspannung-und-beruhigung.de)

Ja genau, wenn die K...e am Dampfen ist, einfach mal den Daumen ans Nasenloch halten und die CD mit Waldmusik einlegen. So einfach? Die Realität sieht doch ganz anders aus:

Während der Stress-Betroffene diese Ratschläge vor seinem geistigen Auge in Betracht zieht, platzt das Trommelfell vom Geschrei der Kinder, der Pinscher hat schon mindestens drei Zierpflanzen in vom Botaniker nicht vorgesehenen Weise bewässert und widmet sich nun schon dem Traumatisieren der Nachbarskatze. Es gibt also nur ein Mittel, wie Papa Normalverbraucher Situationen überstehen kann, die frühere Jobkrisen oder andere Nervenproben wie Wattebausch-Schlachten erscheinen lässt.

 

Augen zu und durch

Eine Reihenfolge der Dringlichkeit festlegen und stur abarbeiten. Tochter-Finger mit Eisbeutel verarzten, Baby rhythmisch wippen, auf verletzten Finger pusten, Baby rhythmisch wippen, Patientin Trost spenden und Hundegebell, Katzenwimmern sowie Nachbars hysterisches Gröhlen tunlichst ignorieren – kann man ja jetzt ohnehin nicht ändern. Die Türglocke hört man schon gar nicht mehr. 

Als hilfreich erweist es sich zudem, wenn man den größer werdenden Kindern bei sich jeder bietenden Gelegenheit eintrichtert: Nicht alles auf einmal. Papa ist kein Zauberer. Kein Barbapapa. Und kein Inspektor Gadget. Wer was will, Nummer ziehen und hinten anstellen. 

So ... und jetzt nur noch den Köter einfangen und dem Nachbarn eine Entspannungs-CD als Entschuldigung schenken!

 

Christoph Bauer ist Vater von zwei Töchtern (4 und 8). Er arbeitet als freier Texter, Autor und Redakteur. Mehr auf www.christoph-bauer-text.com