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Die große Impfdiskussion – Argumente von Impfbefürwortern und Impfgegnern

Es gibt kaum ein Thema, über das Eltern so heftig streiten können wie die vermeintlich richtigen Impfungen für ihre Kinder. Während viele Eltern bei ihren Babys und Kleinkinder die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) und den meisten Kinderärzten empfohlenen Impfungen durchführen lassen, gibt es auf der anderen Seite eine nicht unerhebliche Gruppe überzeugter Impfgegner, die ihre Kinder bewusst nicht impfen lassen. Was sind deren Argumente – und wie valide sind sie?

Impfungen für Babys und Kleinkinder in Deutschland – die Hintergründe

In Deutschland gibt es keine Impfpflicht wie in einigen anderen Ländern. Die Entscheidung darüber, ob ein Kind geimpft wird oder nicht, liegt bei den Eltern. Die Ständige Impfkommission (STIKO) – ein Expertengremium, das vom Robert Koch-Institut koordiniert und unterstützt wird – spricht Empfehlungen aus, welche Impfungen nach dem aktuellen Stand der Forschung sinnvoll sind. An deren Empfehlungen halten sich auch die meisten Kinderärzte. Die wichtigsten Impfungen für Babys und Kleinkinder sind 

  • die sogenannte Sechsfach- (gegen Tetanus, Diphterie, Pertussis, Hib, Poliomyelitis und Hepatitis B) und Pneumokokken-Impfung, die bereits ab einem Alter von 2 Monaten empfohlen wird und als Grundimmunisierung gilt 
  • die Schluckimpfung gegen Rotaviren, die schwere Durchfallerkrankungen hervorrufen, auch wenn diese in unserem Land nicht lebensbedrohlich verlaufen.
  • die Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen, die ab einem Alter von 11 Monaten und
  • die Impfung gegen Meningokokken C, die ab dem 1. Geburtstag empfohlen wird.

Die Impfungen gegen diese Krankheiten werden üblicherweise jeweils zusammen in einer bzw. zwei Spritzen verabreicht. Dazu kommen in den Folgemonaten noch einige notwendige Auffrischungsimpfungen.

Im Jahr 2015 stellte Deutschland über 60 Prozent der Masernfälle in der Europäischen Union. Eine Krankheit wie Masern könnte durch eine extrem hohe Impfquote so gut wie ausgerottet werden. Ab einer Impfquote von 95% können sich die Erreger nicht mehr ausbreiten. Die Impfquote gegen Masern in Deutschland liegt jedoch unter dieser Marke. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber sie liegt wohl unter 90%, in einigen Gegenden sogar deutlich niedriger. 

Es gibt Kinder mit Immundefekten, die nicht geimpft werden können und daher anfällig für Krankheiten wie etwa Masern bleiben. Darüber hinaus sind es vor allem Eltern, die sich bewusst gegen das Impfen ihrer Kinder entscheiden und die so eine höhere Impfquote verhindern.

Viele der Krankheiten, gegen die in Deutschland geimpft wird, können neben schweren Krankheitsverläufen auch zu Langzeitfolgen wie Lähmungen, Blindheit oder Taubheit führen (Masern etwa). Im schlimmsten Fall sogar zum Tod. Der Schutz gegen diese Krankheiten ist das Hauptargument der Impfbefürworter. Was sind die Argumente der Impfgegner?

 

Ein Argument vom Impfgegnern, das viele Eltern emotional nachvollziehen können

Ein Grund, den viele Eltern auf die Frage hin anführen, warum sie ihr Kind nicht impfen lassen, ist, dass sie in ihr kleines Baby, unversehrt, gesund und perfekt, wie es ist, keine Krankheiten „reinimpfen“ lassen wollen. Tatsächlich werden etwa bei einer Immunisierung gegen Masern in sehr geringen Mengen funktionsfähige Keime gespritzt, die jedoch so abgeschwächt (attenuiert) sind, dass sie sich zwar noch vermehren, die Krankheit aber bei immunkompetenten Impflingen nicht mehr auslösen können. Viele Eltern warten aus diesem Grund gerne etwas länger, bis sie ihr Kind impfen lassen. Allerdings haben Babys nicht für alle Krankheiten einen Nestschutz – das sollten Eltern insbesondere dann bedenken, wenn die Kinder regelmäßig mit fremden Menschen in Kontakt kommen oder eventuell ältere Geschwister haben, die mit vielen anderen Kindern in Kontakt sind und sich so gegebenenfalls mit Krankheiten anstecken könnten.

 

Argumente von Impfgegnern – und die Antwort einer Kinderärztin

Wir haben Dr. med Beate Kusser, eine erfahrene Kinderärztin aus München (Informationen zu ihrer Person siehe unten) mit den häufigsten Argumenten von Impfgegnern konfrontiert. Frau Dr. Kusser legt ihren Patienten üblicherweise – mit Ausnahme von Kindern mit Immundefekten – die Impfung nach den Empfehlungen der STIKO nahe. Hier sind ihre Antworten auf die Argumente der Impfgegner.

 

Argument 1 von Impfgegnern: „Die Wirkung von Impfungen ist nicht nachgewiesen. Insbesondere fehlen Kontrollgruppen, mit deren Hilfe man nachprüfen könnte, wer gesünder ist“

Frau Dr. Kusser: Diese Aussage ist nicht richtig. Ein gutes Beispiel dafür ist die Einführung der Schluckimpfung gegen Kinderlähmung (Poliomyelitis) Anfang der 1960er Jahre. Während in der Bundesrepublik Anfang der 60-er Jahre noch fast 5000 Kinder an Kinderlähmung erkrankten, waren es 1965 bereits weniger als 50 Kinder und inzwischen gibt es seit Jahrzehnten keine einzige Erkrankung mehr. Masern zählte vor Einführung der Impfung zu den führenden Todesursachen im Kindesalter. Wenn nicht mehr geimpft wird, dann brechen Krankheiten auch wieder aus, wie zur Zeit etwa Polio in Syrien. Auch Ausbrüche von Krankheiten wie etwa Meningkokken B in Quebec im Jahr 2014, die durch massive Impfkampagnen gestoppt wurden, beweisen die Wirksamkeit der Impfstoffe.

 

Argument 2 von Impfgegnern: „Der Nutzen der Impfungen wird übertrieben, die Nebenwirkungen werden heruntergespielt“

Frau Dr. Kusser: Meiner Meinung nach ist es eher umgekehrt. Nebenwirkungen gibt es, die werden aber durch Impfgegner hochgespielt. Fast immer beschränken sich die Nebenwirkungen auf meist leichtes Fieber, Unleidlichkeit beim Kind oder eine Unlust zu laufen, was mit den Spritzen in die Oberschenkel des Kindes zusammenhängt. Die Nebenwirkungen sind nicht bleibend. Den Nutzen von Impfungen erlebt man aufgrund von deren Effektivität zum Glück sehr selten.

 

Argument 3 von Impfgegnern:“Kinder werden durch die Krankheiten abgehärtet. Impfungen schädigen das Immunsystem, Allergien treten häufiger auf“

Frau Dr. Kusser: Dieses Argument kann man wunderbar widerlegen. Es gibt sogar Studien, die nahelegen, dass Impfungen vor Allergien schützen. In der ehemaligen DDR gab es eine Impfpflicht und doch gab es dort viel weniger Allergien als in der BRD. Nach dem Fall der Mauer fiel in den neuen Bundesländern die Impfpflicht weg, die Impfrate nahm in der Folge ab und der Lebensstil änderte sich. Innerhalb von 10 Jahren war die Allergiehäufigkeit auf dem Stand der alten Bundesländer. Die Allergiehäufigkeit hängt folglich mit dem Lebensstil zusammen und nicht mit den Impfungen.

 

Argument 4 von Impfgegnern: “Aluminium wird als Wirkverstärker verwendet“

Frau Dr. Kusser: Manche Krankheitserreger sind für das Immunsystem nur schwer zu erkennen. Aluminium ist daher in vielen Impfstoffen als Wirkverstärker leider unverzichtbar, um bei wenig Nebenwirkungen eine gute Wirksamkeit der Impfung zu erreichen. Allerdings werden die Gefahren der Aluminiumzufuhr durch Impfungen auch etwas überschätzt. Im Zuge der Aluminiumdiskussion kam ja auch auf, dass Laugengebäck häufig aluminiumbelastet ist. Viele Kleinkinder, die zu uns in die Praxis kommen haben eine Breze in der Hand. Über diese Belastungen denken viele Eltern jedoch nicht nach, obwohl die Belastung in der Summe durch den häufigen Konsum bestimmt viel höher ist als die durch Impfungen.

 

Argument 5 von Impfgegnern: “ Die STIKO ist nicht unabhängig, sondern von der Pharmaindustrie gesteuert.“

Frau Dr. Kusser: Wer ist wirklich ganz unabhängig? Ich hoffe, dass ich Sie unabhängig berate. Ich denke, die STIKO ist nach bestem Wissen und Gewissen unabhängig. Ganz unbeeinflusst werden sie trotzdem nicht sein. Wir sind ja auch auf die Pharmaindustrie angewiesen. Die öffentliche Hand entwickelt keine Impfstoffe, wie etwa den neuen Impfstoff gegen Meningokokken B. Obwohl dieser Impfstoff nachweislich vor einer lebensbedrohlichen Erkrankung schützt, an der in Deutschland jedes Jahr Kinder versterben, hat die STIKO diesen Impfstoff bisher nicht für alle Kinder empfohlen. Wenn sie von der Industrie so abhängig wäre, wie manche befürchten, dann wäre dieser Impfstoff sofort im Impfkalender gewesen. Gerade in dieser Frage haben wir jetzt eher die umgekehrte Situation: die STIKO hat keine Empfehlung ausgesprochen, vermutlich vorwiegend aus gesundheitsökonomischen Überlegungen heraus, vielleicht aber sogar um ihre Unabhängigkeit von der Industrie zu beweisen, nachdem sie für die Entscheidungen zu den Impfungen gegen Varizellen und Meningokokken C so sehr angegriffen worden war.  

 

Danke an Frau Dr. Kusser für das Interview, das sie vaterfreuden.de gegeben hat.

 

Persönliche Meinung zum Thema Impfen

Meine Frau und ich haben unsere Kinder impfen lassen. Sie nicht impfen zu lassen war für uns keine Option. Dazu hatten wir zu viel Respekt vor den Krankheiten, gegen die geimpft wird und die wir als Kinder zum Teil selbst noch durchlebt haben. 

Impfen Argumente
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Das Impfen selbst ist kein Spaß. Die vielen Termine beim Kinderarzt, das Bewusstsein, dass das eigene Baby eine Spritze bekommen wird, die Spritze selbst, das Kind, das – zumindest kurz – schreit und (bei unseren Kindern zumindest) dann normalerweise 2 Tage erhöhte Temperatur hat. Und doch haben wir das Ganze im Bewusstsein getan, das Richtige für unser Kind zu tun.

Ich bin davon überzeugt, dass Impfgegner dasselbe Bewusstsein haben. Alle Eltern wollen doch nur das Beste für ihr Kind. 

Aus diesem Grund bin ich persönlich auch gegen eine Impfpflicht. Stattdessen sollte der Staat verstärkt über die möglichen Risiken des nicht-Impfens von Kindern aufklären. Ich erinnere mich noch an die Plakate aus meiner Kindheit mit dem Spruch „Schluckimpfung ist süß – Kinderlähmung ist grausam“. Ich bin mir sicher, dass dies damals viele Eltern überzeugt hat.

 

Ein Beitrag von Stefan Hahndorf für vaterfreuden.de

 

 

Dr Beate KusserDr med. Beate Kusser ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Kinder-Endokrinologin und –Diabetologin, Neonatologin und Allergologin. Sie hat an der Ludwig Maximilians Universität in München und der Harvard Medical School in Boston, USA, studiert und war 14 Jahre am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München tätig, bevor sie 2012 mit Dr. med. Christina von Bredow eine Gemeinschaftspraxis in München, Bogenhausen gründete. Die Praxis versorgt neben viele gesunden Kindern und Jugendlichen auch viele Patienten mit Hormonstörungen, Allergien, Asthma und anderen Lungenerkankungen. 
http://dein-kinderarzt.de/