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„Wie sagen wir es dem Kind?“ Kinder an Freud und Leid teilhaben lassen – oder nicht?

„Können die Kinder damit schon umgehen?“ Das fragen sich Eltern bei vielen Ereignissen des Lebens – sei es die frühe Phase einer weiteren Schwangerschaft, einem anstehenden Berufswechsel oder bei einer schweren Krankheit im Familienkreis. Nils Pickert ist überzeugt, dass es kaum eine Alternative dazu gibt, früh mit Kindern über das zu sprechen, was einen bewegt.

 

Wenn Eltern, die bereits Nachwuchs haben, irgendwann beschließen, noch ein Kind zu wollen, stehen sie unweigerlich vor der Frage, ob und wie sie das kommunizieren können. Beim ersten Kind war wahrscheinlich alles noch sehr selbsterklärend: Nach positivem Schwangerschaftstest und erstem Besuch beim Frauenarzt oder –ärztin zittert man sich gemeinsam durch das erste Trimester (was da nicht alles passieren kann!) und teilt es anschließend der Familie und dem Umfeld mit. Von einem Schwangerschaftsbäuchlein ist zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu sehen und weil man für gewöhnlich nicht (mehr) mit den Leuten zusammenlebt, denen man es später erzählen will, merkt auch keiner was davon, dass man sich beim Frühstück über dem inzwischen vielleicht entkoffeinierten Kaffee mögliche Vornamen zuwirft oder ständig zwischen Apathie und hektischer Betriebsamkeit wechselt.

 

Warum sollte man Kinder nicht an seinen Gefühlen teilhaben lassen?

 

Alle Kinder, die danach kommen, kann man jedoch nicht mehr so ohne weiteres erst einmal nur unter sich ausmachen, weil ja eben nicht mehr nur die Eltern unmittelbar betroffen sind. Oder doch? Ist es nicht kindgerecht, zunächst abzuwarten und - wenn sich dann die Umsetzung der Familienplanung abzuzeichnen beginnt - vorsichtig zu erklären, was gerade passiert? Ganz so einfach ist es nicht. Für unter Dreijährige mag dieses Konzept noch aufgehen. Mit denen bespricht man auch nicht ausführlich einen möglichen Berufswechsel, seine eigene Gefühlslage oder die nächsten Sommerferien. Bei älteren Kindern ist das anders. Wenn ein Schulkind ein Geschwisterchen bekommen soll, dann hat es möglicherweise vorher selber schon den Wunsch nach einem geäußert. Soll man als Eltern in so einem Fall wirklich bis zum vierten Schwangerschaftsmonat warten, bevor man sagt: „Ja stell dir vor, jetzt kriegst du eins.“ Was für einen Sinn kann es haben, den elterlichen Wunsch nach Familienzuwachs dem Kind nicht zu spiegeln?

 

Wie sollte denn die Alternative auch aussehen?

Stimmt: Es könnte ja was passieren. Etwas ganz Furchtbares aber auch eben ganz Formales. Und wenn es passiert, hätte man sicher genug mit sich selbst zu tun und empfände es als ziemliche Zumutung, dem Kind das alles zu erklären. Aber was wäre denn die Alternative? Eine Zehnjährige im Unklaren darüber zu lassen, warum Mama plötzlich nicht mehr die gleichen Sachen wie früher schmecken, sie sich oft schlapp fühlt und nicht mehr möchte, dass man ihr mit Schwung auf den Bauch hüpft? Einem Siebenjährigen die Gefühle zu verheimlichen, die man angesichts der Tatsache empfindet, dass man sich ein paar Tage oder Wochen wahnsinnig freuen durfte und dann ist beim Ultraschall der Herzschlag nicht mehr zu finden gewesen oder Mama ganz schnell in ein Krankenhaus gebracht worden. Wie soll das funktionieren? Darüber Schweigen schafft die Dinge nicht aus der Welt. Stattdessen werden sie dadurch ungreifbarer und beängstigender. Mama und Papa sind so komisch. Auf ein Mal und ohne Grund. Übrigens, bekomme ich eigentlich auch irgendwann ein Geschwisterchen oder wie sieht es aus?!   

Ich will Ihnen gar nicht erzählen, dass es einfacher ist, die Familienplanung, welche eben immer auch die Möglichkeit des Scheiterns impliziert, für ein Schulkind transparent zu machen, als es nicht zu tun. Im Zweifelsfall stehen Sie damit dann unter anderem auch vor der Aufgabe, Ihrem Kind zu vermitteln, dass es Themen gibt, die nur in den engsten Familienkreis gehören und nicht für den Pausenhof oder die Ohren von irgendwelchen Zufallsbekanntschaften bestimmt sind.

Aber es ist ehrlicher und nimmt Kinder als Familienmitglieder ernst, indem Ereignisse in einen Zusammenhang gestellt werden. Lieber „Oma hat Krebs und könnte daran sterben“ mit 10 und sich dann den fiesen Hammerfragen stellen als ein völlig kontextbefreites „Oma ist tot“ mit 11. Lieber gleich sagen, wenn man „Ich will ein Geschwisterchen“ auch für eine gute Idee hält, die man angehen will. Gerade weil sich persönliche Schicksalsschläge nie ausschließen lassen, sollte man nicht der Versuchung erliegen, um sie herum zu erziehen.

Nils Pickert, Jahrgang 1979, gebürtiger (Ost-)Berliner, lebt und arbeitet als freier Autor und Texter in Norddeutschland. Er ist passionierter Koch und Vater zweier Kinder.