© Christy Thompson - Fotolia.com

Familiengeheimnisse – wie viel sollten Kinder wissen?

Jeder hat Geheimnisse – für sich allein oder mit anderen zusammen. Sie machen einsam oder verbinden. Das gilt insbesondere für Familiengeheimnisse. Sie halten die Familie zusammen. Werden Sie allerdings zur Bürde, kann das gerade für Kinder zum Problem werden.

Die Familiengeheimnisse, von denen hier die Rede ist, haben nichts mit Heimlichtuerei und Vertuschen zu tun. Es geht um Dinge, die keinen anderen etwas angehen, weil sie nur die Familie betreffen, aber auch um das, was man den Kindern gerade nicht erzählt, um sie nicht dem Druck auszusetzen, etwas nicht weitererzählen zu dürfen.

 

Kinder müssen nicht alles wissen

Es gibt einige Geheimnisse, aus denen man seine Kinder besser ausschließt. Es wäre vielleicht eine Last für sie oder das Risiko, dass sie etwas ausplaudern könnten, ist zu groß. Papa hat Angst um seinen Arbeitsplatz, Mama hatte letztes Jahr eine Affäre. Solche und andere delikate Beziehungsdetails sollten den Kindern erspart werden.

Allerdings sollten Sie daran denken, dass Kinder spüren, wenn Sie ihnen etwas verbergen. Deshalb ist der bessere Weg hier eine kurze Erklärung, die das Kind beruhigt, aber wenig aussagt. Geht es um den Arbeitsplatz, kann man sagen, dass Papa sich dort gerade ärgern muss, weil er eine unangenehme Sache zu bearbeiten hat. Was die Affäre angeht, wird es allerdings schon schwieriger. Das Thema sollte außen vor bleiben, trotzdem sollte man dem Kind eine Erklärung anbieten, warum das Verhältnis zwischen den Eltern gerade so angespannt ist. Dies signalisiert ihm zumindest, dass es sich auf seine Empfindungen verlassen kann. Speisen Sie es mit einem „Das bildest du dir bloß ein!“ ab, wird es beginnen, an sich selbst zu zweifeln.

Die Leiche im Keller

In manchen Familien gibt es sie tatsächlich. Geheimnisse, die sich vielleicht nicht gerade um eine echte Leiche im Keller drehen, denen aber doch etwas Dunkles oder auch Peinliches anhaftet. Der Großvater, der sich zu Tode getrunken hat, die Tante, die Selbstmord begangen hat. Man will nicht, dass diese Informationen an die Außenwelt gelangen. Belastet man seine Kinder damit? Diese Entscheidung muss individuell getroffen werden. Kinder, vor allem, wenn sie kleiner sind, neigen dazu, alles bedenkenlos auszuplaudern, haben andererseits aber ein Recht darauf, zu wissen, was in der Familie vor sich geht, oder auch vor sich gegangen ist – selbst dann, wenn es sie wie im Fall der genannten Beispiel gar nicht direkt betrifft. Welche Wahrheiten und Geheimnisse man Kindern zumuten kann, ist vom Alter und der persönlichen Reife abhängig und auch vom eigenen Empfinden. Macht es Ihnen zum Beispiel nichts aus, dass unkontrolliert verbreitet werden könnte, dass Sie und Ihre Frau sich über das Internet kennengelernt haben, gibt es auch keinen Grund, diese Geschichte Ihrem Kind zu verschweigen.

Das darfst du aber niemandem erzählen!

Mit diesem Satz kann man einiges in der Kinderseele anrichten. Vielleicht hatte das Kind das Erzählte schon abgespeichert und sich anderen Dingen zugewandt. Hört es aber diese Ermahnung, wird ihm überdeutlich bewusst, dass es sich bei der Information um etwas Bedeutsames handelt – um ein Geheimnis. Plötzlich fängt das Wissen an zu brennen und wird Ihrem Kind zur Last. Also seien Sie sparsam mit Ermahnungen dieser Art. Reden Sie lieber ganz allgemein darüber, dass man bestimmte Dinge, die in der Familie passieren, nicht weitererzählt. Wie viel Geld Papa im Monat verdient, geht wirklich niemanden etwas an und Ihr Kind sollte keinesfalls damit prahlen. Tabu ist dieser Satz auf jeden Fall innerhalb der Familie. „Das brauchst du der Mama jetzt ja nicht zu erzählen!“bringt Ihr Kind in einen Loyalitätskonflikt und ist ein schlechtes Vorbild: Wenn sich sogar die Eltern gegenseitig anlügen und etwas voreinander verbergen, dann scheint Ehrlichkeit ja gar nicht so wichtig zu sein.

Auch Eltern müssen nicht alles wissen

Kinder haben ebenfalls ein Recht auf ihre eigenen Geheimnisse und ihre Privatsphäre. Wie groß dieses Recht ist, ist vom Alter abhängig. Kleinere Kinder haben vielleicht eine spezielle Kiste oder Schublade, in der es „Geheimes“ aufbewahrt, größere Kinder dürfen sich dann gern auch einmal eine Weile in ihr Zimmer zurückziehen – mit abgeschlossener Tür oder einem „Eltern müssen draußen bleiben“-Schild an der Tür. Schnüffeln Sie niemals in den Sachen Ihres Kindes herum. Das betrifft Tagebücher genauso wie Handys oder Schubladen. Das ist ein Vertrauensbruch, der schwer zu verzeihen ist. Bleiben Sie entspannt und verlassen Sie sich darauf, dass die Geheimnisse Ihres Kindes weder ihm noch Ihnen schaden werden. Macht es doch den Anschein, dann suchen Sie das Gespräch, anstatt hinter Ihrem Kind herzuspionieren.