Vieles deutet darauf hin, dass das Leben für unsere Kinder anscheinend gefährlicher geworden ist als es noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war. Ist das tatsächlich so? Oder sind unsere Kleinen heute nur einfach nur überbehütet und deswegen auch weniger gut für die Gefahren des Lebens gewappnet?
Kinder leben gefährlich – heute mehr als früher?
Überall lauern heute Gefahren auf unsere Kinder. Im Straßenverkehr, im Internet oder hinter dem nächsten Busch am Spielplatz. Auch die Meldungen scheinen zu beweisen, dass unsere Kinder heute deutlich mehr Gefahren ausgesetzt sind als früher. Statistiken zeigen jedoch, dass zumindest in einigen Bereichen die Risiken gesunken zu sein scheinen.
Das sagen die Statistiken
In einer Statistik aus dem Jahr 2011 werden Aussagen über den sexuellen Missbrauch an Kindern gemacht. Demnach ist der Anteil von 19,6 Fällen pro 100.000 Einwohner im Jahre 1995 auf 15,2 Fälle im Jahr 2011 gesunken. Berücksichtigt wurden hier allerdings nur die Fälle, die bekannt und zur Anklage nach § 176 StGB gebracht wurden. So bleibt unklar, ob die Gefahr des sexuellen Missbrauchs gesunken ist oder ob sich eher die Dunkelziffer erhöht hat. Aussagekräftiger sind die Zahlen, wenn es um Unfälle im Straßenverkehr geht, an denen Kinder beteiligt sind. In den letzten zehn Jahren ist das Risiko bei einem Unfall im Straßenverkehr tödlich zu verunglücken um mehr auf die Hälfte gesunken, so eine Studie von destatis. Nimmt man diese beiden Ergebnisse als Beispiel, scheinen die Risiken sich für Kinder eher zu verringern als zu vergrößern. Dennoch sind Eltern zunehmend besorgter und unsere Kinder immer behüteter.
Woher kommt die Angst der Eltern?
Das Elterntaxi – vaterfreuden berichtete – ist bereits zum allseits bekannten Begriff geworden und demonstriert sehr gut die wachsenden Ängste. Immer mehr Kinder werden von den Eltern mit dem Auto gebracht. Diese handeln natürlich mit den besten Absichten und wollen ihr Kind schützen. Vor den Gefahren im Straßenverkehr und auch vor anderen Bedrohungen. Die Angst ums Kind und das Bedürfnis es zu schützen, ist erst einmal eine ganz normale Reaktion. In unseren Zeiten ist dieses für Kinder überlebensnotwendige Bedürfnis leider mehr und mehr aus dem Ruder gelaufen. Horrormeldungen und stete Ermahnungen zur Vorsicht in den Medien und das Phänomen der Lebensangst, von dem mehr und mehr Erwachsene betroffen sind, haben ihren Anteil daran, dass der natürliche Schutzinstinkt zur übertriebenen Besorgnis wird. Sicher hat auch das Gefühl der Machtlosigkeit, das eigene Schicksal zu bestimmen, das in unserer Zeit viele Menschen erfasst, seinen Anteil daran, dass die Angst um die Kinder immer größer wird. Geholfen ist damit meistens niemandem, denn die Angst, die Eltern empfinden, springt früher oder später auch aufs Kind über.
Die Angst geht um – Was übertriebene Besorgnis mit unseren Kindern macht
So wichtig es ist, dass Eltern ihre Kinder beschützen und umsorgen, so kontraproduktiv kann die übertriebene Sorge sein. Denn damit verwehren ihre Eltern ihrem Kind eine der wichtigsten Eigenschaften zu entwickeln, die den Menschen zum Überleben befähigt, nämlich ein gesundes Selbstbewusstsein. Nur wer sich seiner selbst bewusst und seiner Fähigkeiten sicher ist, kann Situationen richtig einschätzen und sich angemessen verhalten. Um diese Fähigkeiten zu entwickeln, brauchen Kinder Übung – und die bekommen sie nicht, indem sie von den Eltern übermäßig beschützt werden. Deshalb sollten Eltern ihre Kinder so früh wie möglich eigene Erfahrungen machen lassen. Lassen Sie Ihr Kind Erfahrungen sammeln, Blessuren und Niederlagen einstecken, aber auch die Erfolge genießen. Selbstverständlich sollten Sie ihr Kind nur kalkulierte Gefahren eingehen lassen und ein Auge darauf haben, dass kein schlimmes Unglück passiert. Wenn Sie Ihrem Kind etwas zutrauen, dann wird es das auch selbst tun – ebenso wird es sich selbst für schwach und unfähig halten, wenn Sie ihm das vermitteln.
Unsere Kinder werden früher oder später eigene Wege gehen und das sollen sie ja auch. Aufs Leben vorbereiten können Sie Ihr Kind am besten, indem Sie es so viele Erfahrungen wie möglich sammeln lassen – gleich ob es um Siege oder Niederlagen geht. Wenn es scheinbar gar nicht auszuhalten ist, wie Ihr Kind sich in eine (für Sie prinzipiell abschätzbare) Gefahr begibt, dann machen Sie doch in Zukunft öfter mal die Augen zu. Das übt das Loslassen und umso mehr freut sich Ihr Kind und Sie sich mit ihm, wenn es eine Aufgabe erfolgreich gemeistert hat.