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Messer, Gabel, Schere, Licht - Kinder schützen oder mit Gefahren vertraut machen?

„Messer, Gabel, Schere, Licht, sind für kleine Kinder nicht!“ Dieser Spruch aus Kindertagen hat heute immer noch oder gerade auch wieder nicht Gültigkeit. Was können wir unserem Kind wann zutrauen? Wie viel Vorsicht sollte man an den Tag legen und welche Risiken kann man dann doch eingehen?

Kindliche Kompetenz ist heute ein wichtiger Punkt in der Kindererziehung. Die Tatsache, dass Kinder mehr können, als gemeinhin angenommen wird, setzt sich mehr und mehr durch. Eigene Erfahrungen nehmen einen hohen Stellenwert in den Lernprozessen ein. Allerdings müssen die Risiken, denen wir unsere Kinder aussetzen, überschaubar und kontrollierbar sein.

 

Kinder müssen eigene Erfahrungen machen

Sebastian, zwei Jahre hangelt sich am Klettergerüst auf dem Spielplatz hoch. Das sieht auf den ersten Blick atemberaubend gefährlich aus, wie der kleine Kerl da in der Luft hängt. Sein Vater steht – mehr oder weniger gelassen – dabei und sieht ihm zu. Eingreifen tut er allerdings nicht und das ist auch gut so. Wenn wir unsere Kinder scheinbar gefährliche Dinge selbst tun lassen, sollten wir uns über die Folgen im Klaren sein. Was kann schon passieren, wenn Sebastian aus gefährlichen  70 cm Höhe in den Sand abstürzt. Eigentlich fast nichts. Es wird ein großes Geschrei geben, vielleicht eine kleine Schürfwunde. Sebastian hat aber eine wichtige Erfahrung gemacht: Er hat sich überschätzt oder war zu leichtsinnig. Beim nächsten Mal wird er achtsamer vorgehen. Hat er die Klettertour dagegen gemeistert, ohne herunterzufallen, dann ist sein Selbstbewusstsein erheblich gestärkt. Er hat gelernt: Ich kann etwas. Sebastians Vater hat ihm diese Erfahrungen ermöglicht und ihm damit geholfen, sich weiterzuentwickeln.

Was für motorische Erfahrungen und Misserfolge gilt, gilt ebenso im Umgang mit Werkzeugen und anderen potentiell gefährlichen Instrumenten und Situationen. Als Erwachsener muss man abschätzen, welche Gefahr im schlimmsten Fall droht und dann entscheiden, wie weit man das Kind gehen lässt. Letztendlich zahlt sich das auch für die Eltern aus. Kinder, die viel eigenverantwortlich ausprobieren dürfen, haben in der Regel erheblich weniger Unfälle als die Kinder, denen alles abgenommen und die vor allen erdenklichen und ausgedachten Gefahren bewahrt werden. Sie lernen früh, dass man einfach aufpassen und achtsam sein muss, egal, was man tut. Das Gefühl „Ich kann was!“ trägt ebenso dazu bei, dass die Kleinen sicherer werden. Und wer sich sicher fühlt, dem passieren weniger Missgeschicke, das wissen wir alle aus eigener Erfahrung.

Wo die Freiheit Grenzen hat

Natürlich gibt es Dinge, die man ein kleines Kind nicht machen lassen darf. Immer dann, wenn es selbst keinesfalls in der Lage sein kann, ein Risiko abzuschätzen, müssen Eltern einschreiten. Greift ein Einjähriges nach der Kanne mit heißem Tee oder stochert der experimentierfreudige Zweijährige mit der Stricknadel in der Steckdose herum, ist selbstverständlich ein deutliches Stoppsignal der Eltern erforderlich. Das Kind kann unmöglich wissen, was passieren kann und muss die entsprechende Erfahrung auch auf keinen Fall durchleben. Dasselbe Prinzip gilt auch, wenn Kinder Alkohol probieren oder mit Putzmitteln oder Zigarettenkippen spielen. All dies kann gefährliche Folgen haben.

Welche Risiken können Sie in welchem Alter eingehen?

Ab wann darf ein Kind mit der Gabel essen, wann kann man es mit der Schere hantieren lassen? Diese Fragen lassen sich wie sooft nicht pauschal beantworten. Grundsätzlich kann man jedoch sagen – je früher, umso besser. Wenn schon ein sehr kleines Kind spielerisch und mit der nötigen Vorsicht an den Umgang mit der Gabel herangeführt wird, kann es umso früher damit umgehen. Wichtig ist, dass es seine Motorik unter Kontrolle hat. Einem Kind, das so klein ist, dass es noch ziellos mit den Händen herumfuchtelt, darf man mit Sicherheit noch keine Gabel in die Hand drücken. Ist es – circa ab einem Jahr so weit, dass es seine Bewegungen gezielt steuern kann, können die ersten Versuche starten. Piksen Sie Ihr Kind doch einfach mal ganz leicht in die Hand, damit es merkt, dass da etwas Spitzes ist und erklären Sie ihm, dass es aufpassen muss, weil es sich verletzen könnte. Dann warten Sie einfach ab und beobachten Sie, was passiert. Eingreifen können Sie immer noch und die Erfahrung, dass man sich mit der Gabel stechen kann, wird Ihrem Kind nicht schaden.

Ähnliches gilt für Messer und Scheren. Hier können Sie Vorsorge betreiben, wenn Sie Ihr Kind anfangs mit einer Bastelschere mit abgerundeten Spitzen üben lassen, bzw. ihm ein Kindermesser geben. Wann dies ist, hängt von Ihrem Vertrauen ab. Von der Motorik her sind Kinder ungefähr mit drei Jahren in der Lage, mit einer Schere richtig umzugehen, erste Schneidversuche machen Sie mit Hilfe der Eltern gerne schon viel früher. Ein Thema, bei dem Sie allerdings so gut wie kein Risiko eingehen sollten, ist das Feuer, denn dabei kann richtiger Schaden entstehen. Wenn Sie Ihr Kind eine Kerze oder den Kamin anzünden lassen, sollten Sie es immer beaufsichtigen und jegliche Gefahr ausschalten. Ausprobieren lassen können Sie es aber auch das Feuer machen schon, sobald es dazu Lust hat. Alles womit man Feuer anzünden kann, sollten Sie möglichst unter Verschluss außer Reichweite des Kindes aufbewahren.

Ab wann können Kinder Gefahren voraussehen?

Sich wirklich vorbeugend verhalten können Kinder erst relativ spät. Bis zu einem Alter von etwa fünf Jahren setzen sie nur intuitiv Gelerntes um. Wenn sie also wissen: Die Schere ist spitz und es tut weh, wenn ich mich damit steche, werden sie dieses Verhalten vermeiden. Um Gefahren wirklich voraussehen zu können, muss das Gehirn entsprechend entwickelt sein. Das ist tatsächlich erst mit etwa acht Jahren der Fall. Erst ab diesem Alter können sie sich zum Beispiel auch im Straßenverkehr zuverlässig sicher bewegen. Aufgrund gemachter Erfahrungen und der Aufnahme von Informationen (zum Beispiel Warnungen der Eltern), wissen sie, was auf sie zukommen kann. Will man Kinder auf Gefahren hinweisen, ist es am effektivsten, wenn man sie an selbst Erlebtes erinnert. „Weißt du noch, wie du dich mit dem Messer geschnitten hast?“ ist eine wirksamere Möglichkeit an Gefahren zu erinnern als eine langwierige theoretische Erklärung über die Schärfe der neuen Schere.