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Studie: Macht Bewegung Kinder schlauer?

Dass Bewegung nicht schaden kann, ist nichts Neues, das weiß jeder. Doch wirkt sie sich auch auf die Lern- und Leistungsfähigkeit von Kindern aus? Eine Studie erweckt diesen Anschein. Allerdings kann auch alles ganz anders sein.

Kinder und Schreibtische sind nicht unbedingt die besten Freunde. Wenn es nachmittags an die Hausaufgaben geht, gibt es 1.000 andere Dinge, die viel schöner wären, als sich hinzusetzen und über Hefte und Bücher gebeugt klüger zu werden. Josie Booth von der University of Dundee hat nun 4.800 Kinder an einer Studie beteiligt, die im Fachmagazin „British Journal of Sports Medicine“ veröffentlicht wurde. Ihr zufolge lassen sich die Lernfähigkeiten von Kindern – insbesondere von Mädchen – durch Bewegung spürbar verbessern. 

 

Klare Ergebnisse?

Knapp 5.000 Kinder im Südwesten Englands, die zwischen 1991 und 1992 geboren wurden, sollten an der Studie von Josie Booth teilnehmen. Bis zu einer Woche lang wurden diese Kinder mit einem Beschleunigungssensor ausgerüstet, der die Bewegungen messen sollte. Als der Test durchgeführt wurde, waren die Beteiligten 11 Jahre alt. Bei den Jungen ergaben sich tägliche Bewegungen von ca. einer halben Stunde, bei den Mädchen von rund zwanzig Minuten. Im nächsten Schritt wurden mit den Elfjährigen Tests in Mathe, Englisch und Naturwissenschaften gemacht. Wiederholt wurden diese Tests mit 13, 15 und 16 Jahren. Natürlich mussten verschiedene Faktoren aus der Auswertung herausgenommen werden. So klammerten die Forscher um Josie Booth Aspekte wie das Geburtsgewicht der Kinder aus, die Frage danach, ob die Mutter während der Schwangerschaft geraucht hatte und die Pubertät, die bei einigen bereits eingesetzt hatte. Verlässlichen Ergebnissen stand nun eigentlich nichts mehr im Wege.

Beweise, mit Vorsicht zu genießen

Eines machte die Auswertung der Studie deutlich: Je mehr Bewegung die Elfjährigen hatten, desto besser schnitten sich in den Tests ab, und zwar nicht nur bei den aktuellen, sondern auch bei den später folgenden. Jungs benötigten im Schnitt 17 Minuten Bewegung, um ihre Leistungsfähigkeit mit 15 und 16 Jahren zu erhöhen. Bei Mädchen reichten nur 12 Minuten pro Tag aus, um besser zu werden. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Leistungen von Mädchen in naturwissenschaftlichen Fächern besonders zunahmen, wenn sie sich vorher ausreichend bewegten. Für die Forscher – wie wir gleich sehen werden – ist insbesondere dieser Punkt von Bedeutung. Dennoch mussten sie auch ein wenig zurück rudern, denn bei den Ergebnissen könnte es sich auch um Zufallstreffer handeln. Um die Fakten zu untermauern, müssten mehr Studien gemacht werden. Zudem sei die Leistungssteigerung durch Bewegung zwar feststellbar, aber nur in recht geringem Umfang.

Ein guter Grund, um weiter zu forschen

Offenbar wirkt Bewegung bei Mädchen und Frauen noch effektiver als bei Jungen und Männern. Sie brauchen weniger davon, um besser zu werden. Für die Forscher ist das ein prägender Punkt, weil die Europäische Kommission den Anteil von Frauen in der Wissenschaft erhöhen möchte. Dort gilt – wie in weiten Teilen des übrigen Arbeitslebens auch -, dass Frauen in der Minderheit sind. Die Ergebnisse von Josie Booth und ihrem Team zeigen auf, dass Frauen nicht weniger geeignet sind als Männer, um in Forschung und Wissenschaft erfolgreich sein zu können. Natürlich lässt sich das auch auf andere Gebiete übertragen. Es gibt also gute Gründe, um weiter zu forschen und nicht nur zu belegen, dass Bewegung dem Gehirn gut tut, sondern auch, dass Frauen den Männern in nichts nachstehen und auch in Naturwissenschaften ebenso leistungsfähig sind wie sie.

Eingeschränkt tauglich

Die Studie von Josie Booth hat durchaus Schwächen, wie die Forscherin selbst einräumt. So fällt es schwer, die unterschiedlichen Auswirkungen von leichter und intensiver Bewegung auszumachen. Je nachdem, welche Form der Bewegung man ausführt, könnten sich die Ergebnisse in die eine oder andere Richtung verschieben. Doch ein weiterer Punkt ist viel entscheidender: Letztlich bleibt Booth den Beweis schuldig, dass auch tatsächlich die Bewegung der Grund für die bessere Leistung ist. Die Forscherin gibt zu, dass es auch ganz andere Dinge sein könnten, die zur Leistungssteigerung beitragen. Kurzum, der ganze Aufwand war möglicherweise sinnlos, denn auch wenn zahlreiche Faktoren in die Studie mit einbezogen wurden, womöglich sind die maßgeblichen dabei nicht berücksichtigt worden.

Beweise liegen längst vor

Man kann die Studie von Josie Booth zwar durchaus kritisch betrachten, weil sie zu viele Fragen offen lässt. Andererseits reiht sie sich in eine Vielzahl anderer Untersuchungen ein, die die Auswirkungen von Bewegungen bzw. Sport auf die geistige Leistungsfähigkeit untersucht haben, und zwar sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Schon im Januar werteten niederländische Wissenschaftler insgesamt 14 Studien aus, die sich mit der Leistungsfähigkeit in der Schule und Bewegung auseinandersetzen. Zwar ist auch hier die Aussagekraft recht übersichtlich, da die Teilnehmerzahl der Studien verhältnismäßig gering war. Dennoch, eine Tendenz ist ganz klar abzusehen: Bewegung tut gut. Und sie ist dringend nötig, denn nach Schätzungen von Experten bewegt sich weltweit jedes dritte Kind zu wenig. Selbst wenn man schulische Aspekte einmal ganz außen vor lässt, so kann man doch sicher sagen, dass gesünder und länger lebt, wer sich ausreichend bewegt. Im Zeitalter von Fernsehen, Computer und Spielkonsole ist die Umsetzung gut gemeinter Pläne daher umso wichtiger.