Im zweiten Teil seines Interviews spricht Michael Mittermeier darüber, warum trotz Kind auch noch Raum für Partnerschaft sein muss und über den Wahnsinn, in Deutschland einen Kindergartenplatz zu bekommen. Er erzählt außerdem, warum es von Anfang an feststand, dass er ein Programm zum Thema Baby machen würde und verrät, wie man merkt, dass man kein Arschlochkind hat.
Achtung Baby – Michael Mittermeier im Interview, Teil 2
Hier geht es zu Teil 1 des Interviews
Vaterfreuden.de:
Was war die längste Zeit, die Sie bisher ohne ihre Tochter verbracht haben?
Michael Mittermeier:
Die längste Zeit waren zehn Tage und das nur einmal in den ganzen zwei Jahren.
Vaterfreuden.de:
Sie scheinen sich noch ganz gut erinnern zu können.
Michael Mittermeier:
Ja, es war auch erst im Januar. Das hätte ich im ersten Jahr auch sicher nicht gemacht. Diesmal ließ es sich nicht vermeiden. Ich musste für ein Dokumentarfilmprojekt nach Asien reisen und es war keine ungefährliche Reise, die wir da nach Burma unternommen haben. Da hätte ich nie die Familie mitgenommen. Das wäre nicht gegangen. Es wäre zu gefährlich gewesen. Das war aber das einzige Mal. Normalerweise spiele ich, wenn ich auf Tour bin, 4 Tage im Schnitt und dann komme ich wieder nach Hause. Das Schöne ist, dass die Kleine uns schon ein bisschen mitbekommen hat. Sie schreit auch nicht, wenn ich jetzt sage „Papi geht jetzt arbeiten.“ Sie versteht es ja auch, dass ich dann gehe – noch nicht hundertprozentig, aber schon ein bisschen – dann sagt sie „tschahau“ und gibt mir noch ein Küsschen, weil sie weiß, ich komme dann wieder.
Vaterfreuden.de:
Das spricht ja auch für das Umfeld, das Sie geschaffen haben, wo das Kind sich behütet und wohl fühlt.
Auch mit Kind muss Raum für Zweisamkeit sein
Michael Mittermeier:
Bei der Mama ist es genauso. Wenn sie sagt „ich gehe jetzt arbeiten, ich gehe zur Probe“, dann ist kein Riesengeschrei. Die weiß „oh, sie kommt nachher wieder und ich habe jetzt eine Superzeit mit der Babysitterin“. Da gibt es kein Geweine. Das ist ein gutes Gefühl für uns als Eltern. Es ist, glaube ich, die Basis überhaupt, ob ein Kind sich geborgen oder allein gelassen fühlt. Die Angst, verlassen zu werden – es gibt ja viele Kinder, die schreien, wenn Mama nur mal aufs Klo geht. Auch, wenn sie zwei (Jahre) sind. Die schreien, wenn Mama nicht jede Nacht bei ihnen schläft. Ich glaube, dass das nicht funktionieren kann in einer Beziehung. Es kann nicht funktionieren, dass ein Pärchen drei Jahre lang keine Nacht alleine zusammen verbringt. Das kann nicht funktionieren, es hat noch nie funktioniert und es ist gelogen, wenn mir das jemand erzählt.
Vaterfreuden.de:
Für Kinder ist es ja auch wichtig, dass sie Eltern haben, die ausgeglichen sind, die sich in ihrer Haut wohl fühlen. Das kriegt das Kind ja auch mit.
Michael Mittermeier:
Unsere Devise ist im Grunde genommen: Nur, wenn du selber glücklich bist und bei dir bist und auch zufrieden bist kannst du das auch weitergeben. Man sieht es ja dann oft. Da haben Paare drei Jahre eigentlich keine private Zeit verbracht und irgendwann setzt sich dann Papa mit seiner Sekretärin ab. Meistens passiert das eh schon viel früher. Und wenn das der Sinn und Zweck davon ist, dass man überbetüdelt, dann weiß ich nicht. Nicht meine Welt.
Vaterfreuden.de:
Es scheint ja bei Ihnen wunderbar zu klappen, wie sie von Ihrer Tochter erzählen.
Michael Mittermeier:
Ja. Natürlich gibt es Zeiten, wo es mal schwieriger ist. Wenn sie krank ist, schläft sie mal bei uns oder meistens schläft dann einer von uns bei ihr. Nach dem Kranksein will sie es die folgenden Tage dann auch so. Da muss man dann damit umgehen. Das Schöne ist, dass sie ihr eigenes Zimmer liebt. Es gibt keinen Terz. Wenn ich sie ins Bett lege am Abend, dann schläft sie auch da. Es ist sogar oft so, dass wir alle bei uns zusammen ein Buch lesen am Abend. Da wird Buch gelesen und Bilder angeguckt und dann sagt sie oft selber „Bett, Bett“ und dann deutet sie quasi in Richtung ihres Zimmers. Dann möchte sie in ihr Zimmer gebracht werden und in ihr Bett gelegt, mit ihrem rosa Schweinchen, mit ihrem Schäfchen und dann ist alles gut.
Der Wahnsinn, in Deutschland einen Kindergartenplatz zu bekommen
Vaterfreuden.de:
Das Buch zeigt sie als sehr aktiven und engagierten Vater, der mit viel Begeisterung bei der Sache ist. Welche Aufgaben in Bezug auf die Kindererziehung und Versorgung erledigen Sie und welche Ihre Partnerin?
Michael Mittermeier:
Wir teilen schon sehr viel, obwohl natürlich immer mehr an der Frau hängenbleibt. Es sind Kleinigkeiten, die sich summieren. Den Müttern fällt eher auf „oh, die Schuhe sind zu klein, wir müssen neue kaufen“, „oh, wir müssen neue Klamotten kaufen“, „in der Ernährung müssen wir auch was umstellen“. Das sind Dinge, da bin ich ganz ehrlich – das habe ich nicht auf dem Plan. Das schaffe ich nicht. Das würde ich komplett ausrasten. Ich bin zum Beispiel auch kein Koch. Ich kann Fischstäbchen machen – liebt sie – ich kann Spaghetti machen, das geht dann schon mal, aber solche Dinge und die Organisiererei …
Ich fahr dann schon mit, wenn wir nach dem Kindergarten gucken. Dann machst du halt wie alle Eltern diese Kindergartentour und und schaust dir alle an und schreibst dich auf irgendwelche Listen, wo halt 50 Kinder draufstehen und 3 werden genommen. Und du wirst dann halt ne Woche vorher angerufen „ja, Sie haben einen Platz“. Dieses System des Wahnsinns eigentlich, das meiner Meinung nicht funktionieren kann in diesem Land. Es kann nicht sein, dass ich heute bei fünf oder sechs Kindergärten auf einer Liste stehe und von allen gesagt krieg „ja, wir entscheiden dann irgendwie im September“. Im September gibt es dann vielleicht einen Platz. Es kann nicht sein, wenn ein Kind wie unseres halt noch nicht drei ist im September – „ja, dann gibt es halt keinen Kindergartenplatz“. Sie wird halt am ersten Januar drei, wir können ja nicht ein Jahr warten, da ist sie dreidreiviertel. Die ist so kinderaffin, die will ja. „Ja, aber während des Jahres kann man nicht mehr“. Das ist alles so unflexibel. Andere Länder – Schweden oder so – die leben uns das schon ein wenig besser vor.
Vaterfreuden.de:
Ist Deutschland ein familien- und kinderfreundliches Land? Was sollte man ändern? Was sollte die Politik Ihrer Meinung nach tun? Die unhaltbare Situation in den Kindergärten haben Sie gerade angesprochen.
Michael Mittermeier:
Ich bin jetzt nicht der große Fachmann des Ganzen. Ich denke im Großen und Ganzen sind wir okay, aber eben nur okay. Wir sind nicht wirklich gut. Das fängt bei den KiTas an, da ist noch viel zu tun und dieser Schwachsinn von „wir erhöhen das Kindergeld, damit sich irgendein Politiker von der FDP oder jemand profilieren kann“, das ist ja alles Bullshit. Wo kommt denn das Kindergeld an? Das kommt bei all denen an wie bei mir – und ich muss ja sagen, ich brauch die 50 Euro nicht. Und andere würden sie brauchen, aber die kriegen sie aber nicht, weil sie sie mit ihren Hartz IV – Sätzen verrechnen müssen. Die Mutter kriegt da fünf Euro mehr. Was ist denn das für ein Schwachsinnssystem? Eine wirkliche Chancengleichheit gibt es ja nicht, die kannst du nicht herstellen. Aber sich zumindest anzunähern, es zu versuchen. Und da hilft es nicht, Gutscheine für Sportunterricht oder irgendetwas (auszugeben). Das ist ein Dämelsystem, das Parteien wie die FDP gerne machen, weil sie ansonsten nichts damit zu tun haben wollen, weil sie lieber gerne mit ihren Hoteliers einen saufen gehen. Wir müssen an der Struktur etwas ändern und mehr Plätze schaffen, damit es vor allem für die Alleinerziehenden einfacher ist, einen Kindergartenplatz zu finden. Dieses System, bei dem du auf den Knien rutschen musst, damit du einen Platz kriegst, treibt alle Leute, die ein bißchen mehr verdienen zu privaten Kindergärten, zu privaten Pre-Schools, zu privaten Institutionen, weil sie sich sagen „Entschuldigung, ich brauche ja eine Planungssicherheit“.
Meine Frau zum Beispiel, die hat jetzt eine Platte produziert, die will auf Tour gehen, die will die Platte rausbringen. Die kann nicht eine Woche, bevor vielleicht der Kindergarten stattfindet, erfahren „ne, ist jetzt doch nicht“ oder „ja, wir haben einen“. Das geht nicht. Auch meine Planung – ich muss meine Tour ein Jahr Minimum im Voraus planen. Ich kann ja nicht sagen „ich sag jetzt meine Tour ab und pass dann auf die Kleine auf“. Da ist schon noch viel zu tun.
Schöne Momente und schwere Phasen als Vater
Vaterfreuden.de:
Noch ein paar Fragen zur Erziehung und Betreuung Ihres eigenen Kindes. Welche Aufgaben erledigen Sie besonders gerne?
Michael Mittermeier:
Ich erledige eigentlich das Meiste gerne. Ich bin immer noch gerne Wickler und Lilly liegt immer noch da und genießt das und schaut währenddessen ihr Bilderbuch an und erzählt mir Geschichten. Das ist wunderbar. Es gibt eigentlich kaum etwas, das mich wirklich nervt. Ich bin wie gesagt kein großer Koch, da bin ich ein bisschen überfordert, deswegen wird das bei mir eher einfach. Entweder ich nehme dann etwas Vorbereitetes oder ich bestelle dann etwas. Aber auch das Aufstehen- auch in der Nacht – das ist nichts, was ich nicht gern mache.
Vaterfreuden.de:
Welche Momente mit Ihrer Tochter genießen Sie am meisten?
Michael Mittermeier:
Es sind ganz viele unterschiedliche Dinge. Aufstehen mit ihr am Morgen ist schön. Da ist sie super drauf, da hat sie geschlafen, da ist der Tag noch offen. Aber genau so der Vormittag oder Nachmittag. Man spielt zusammen oder ich fahre mit ihr alleine in die Stadt und besuche Freunde, die auch Kinder haben. Das hat schon was, zu zweit unterwegs zu sein, Papa und Tochter.
Vaterfreuden.de:
Was war für Sie die bisher schwerste Phase mit Ihrem Kind?
Michael Mittermeier:
Die ersten Monate. Da hatte sie viele Probleme, von Blähungen angefangen. Das habe ich ja auch im Buch beschrieben. Jeder Vater, der ein Schreitagebuch führt und dessen Kind bis zu 6 Stunden 45 Minuten am Tag reine Schreizeit hat, der weiß, was das bedeutet. Das wissen ja Kinderlose nicht. Und wenn man dann denkt, dass das reine Schreizeit ist, dann weiß man, was dann am Start ist. Das waren dann auch Wochen und Monate, die konnte man nur zu zweit durchstehen, sonst hast du keine Chance.
Vaterfreuden.de:
Haben Sie mit Ihrer Partnerin Gudrun ab und zu Diskussionen über Erziehungsfragen?
Michael Mittermeier:
Weniger. Also es gibt immer kleine Punkte, wo man sagt „das würde ich vielleicht ein bisschen anders sagen“, aber das sind nur Kleinigkeiten. In der Grundstruktur, da sind wir ähnlich. Respekt und Liebe, das ist uns wichtig, da haben wir keine unterschiedlichen Vorstellungen.
Es war klar, dass es ein Programm zum Thema Baby geben würde
Vaterfreuden.de:
Zu welchem Zeitpunkt ist für Sie die Entscheidung gefallen, aus dem Vaterwerden ein Programm zu machen?
Michael Mittermeier:
Die Entscheidung ist nicht gefallen, sonders das war sowieso klar. Ich mache ja seit 22 Jahren immer Programme über das, was mich umgibt, was mich beschäftigt, was ich liebe, was ich hasse. Ich gebe mit ja oft ein großes Überthema. Das habe ich bei meinen vier letzten großen Programmen gemacht und es war einfach klar, dass dieser ganze Schwanger-, Baby-, Eltern-Kosmos da reinkommt. Der wird jetzt auch nie wieder weggehen, da wird ja auch immer wieder was Neues passieren.
Vaterfreuden.de:
Ich habe das Buch gelesen. Werde ich trotzdem Spaß an dem Live-Programm haben? Auch, wenn ich vielleicht schon einiges kenne?
Michael Mittermeier:
Ich denke schon. Es ist ja jetzt schon auf der Lesetour so, dass da Leute kommen, die das Buch gelesen haben und sagen „boa, das ist schön, es jetzt noch mal zu hören“. Ich lese ja nicht richtig, sondern ich erzähle die Geschichten da mehr mit verstellten Stimmen, mit laut und leise. Bei der Lesung ist natürlich alles aus dem Buch, beim Live-Programm, da kommen sicherlich auch viele ganz neue Nummern mit rein. Jeder, der das Buch gelesen hat, wird auch sicher live keine Langeweile verspüren, weil a) die Nummern sich ändern aus dem Buch und b) ich sicher auch einiges an neuen Sachen machen werde.
Vaterfreuden.de:
Noch ein paar Tipps von Ihnen an andere Väter. Gibt es irgendein Buch zum Vorlesen für Kinder, das Sie empfehlen können?
Michael Mittermeier:
Was wir sehr sehr mögen, das ist „Der Grüffelo“ oder – ich glaube vom selben Autor – „Die Schnecke und der Buckelwal“ (beides von Axel Scheffler – Anm. der Red.). Ein ganz ganz schönes Buch. Ihr Lieblingsbuch im Moment ist „Moritz Moppelpo braucht keine Windel mehr“. Sie findet das ganz toll, aber mit Windeln ablegen, da ist noch gar nichts.
Vaterfreuden.de:
Das kommt.
Michael Mittermeier:
Schau mer mal. Spätestens mit 14.
Wie man merkt, dass man kein Arschlochkind hat
Vaterfreuden.de:
Können Sie eine Unternehmung empfehlen, die richtig gut bei Lilly ankam, die ihr viel Spaß gemacht hat?
Michael Mittermeier:
Was ihr natürlich ganz viel Spaß macht ist, wenn Papa und Mama zeitgleich daheim sind. Oder wenn wir zu dritt unterwegs sind, da ist es egal, was wir machen.
Aber auch, wenn Freunde kommen, sei es mit oder ohne Kinder. Das Schöne ist, wir werden auch weiterhin von Freunden besucht und zwar sehr gerne. Auch solchen, die keine Kinder haben. Das ist dann eher so, dass sie fragen „hey, Lilly ist aber schon auch da“. Das ist ein schöner Effekt. Daran merkst du auch, dass du kein Arschlochkind hast.
Vaterfreuden.de:
Und auch als Eltern nicht zu nervig bist.
Michael Mittermeier:
Ja, sonst würden sie dich ja nicht einladen oder nicht kommen. Lilly mag es gern, wenn uns Leute besuchen, wenn wir Leute besuchen, wenn man wegfährt mit anderen, mit Eltern und Kindern spielen geht. Auch beim Rumreisen. Sie ist wahnsinnig neugierig und schaut sich alles an.
Vaterfreuden.de:
Gibt es ein Spiel mit dem Papa, das gerade angesagt ist?
Michael Mittermeier:
Zu ihrer Lieblingsmusik mit einer roten Plastikgitarre durch das Wohnzimmer hüpfen.
Vaterfreuden.de:
Ich glaube, das kann der Paps ziemlich gut.
Michael Mittermeier:
Dafür brauche ich aber mittlerweile ganz schön Kondition.
Vaterfreuden.de:
Gibt es eine Sache in Bezug auf Kinder, die Sie richtig gut können?
Michael Mittermeier:
Ich glaub, ich kann mit Kindern generell gut. Konnt‘ ich immer. Ich denk ich bin schon ein Papa, mit dem man sehr gut spielen und Spaß machen kann. Ich bin kein so’n „Ernst-Vater“ – man sieht mich schon auf allen Vieren durch die Wohnung tigern.
Vaterfreuden.de:
Haben sie noch zum Schluss ein Wort an alle Männer, die am Überlegen sind, ob sie Vater werden wollen oder sollen?
Michael Mittermeier:
Ich glaube, das muss jeder wirklich mit sich selbst ausmachen. Da hat auch jeder sein eigenes Timing, es gibt nicht den perfekten Zeitpunkt. Man muss es spüren und wenn es dann sein soll, das is‘ gut.
Das Buch „Achtung Baby“ von Michael Mittermeier gibt es im Buchhandel zu kaufen (Amazon-Link unten). Ab August tourt er mit einem Preview auf sein neues Programm mit gleichem Namen, das im Herbst startet, durch den deutschsprachigen Raum. Termine unter www.mittermeier.de
Weitere Informationen:
Website Michael Mittermeier (auch mit witzigen Videoclips):
www.mittermeier.de
Buch „Achtung Baby“ bei Amazon.de:
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