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"Wer war eigentlich Hitler?" - wenn Kinder Fragen zu Krieg, Terror und dem Dritten Reich stellen.

Im Grundschulalter werden Kinder meistens das erste Mal mit dem theoretischen Wissen über Krieg und Terror konfrontiert. Menschen, die sich gegenseitig erschießen, Bomben werfen, töten. Da tauchen bei den Kleinen natürlich unzählige Fragen auf.

Wie spreche ich mit Kindern über Krieg? Über den Holocaust? Über Afghanistan? Über Terroranschläge? Vielen Eltern bereitet es große Probleme, diese grausamen Themen in kindgerechte Worte zu fassen. Ein kleiner Leitfaden.

Weichen Sie nicht aus!

Ob in Geschichtsbüchern oder Fernsehreportagen – die Grauen eines Krieges lassen selbst uns Erwachsene in den seltensten Fällen kalt. Auch, wenn wir die Hintergründe dieser oftmals komplexen Strukturen nicht im Detail kennen, so erschrecken uns die gesehenen Bilder, die hasserfüllten Tiraden und schaurigen Historienrelikte. Wie müssen diese verstörenden Nachrichten, Bilder und Erfahrungsberichte erst auf unsere Kinder wirken? Denn – ob wir wollen oder nicht – irgendwann werden auch unsere Sprösslinge damit konfrontiert. Meistens in der Endphase der Grundschule wird die Kleinen das Thema Krieg ereilen: als Begriff, als unfreiwillige Fernsehbeobachtung oder auch als Schauplatz in der Literatur.

Natürlich gehört es zum Lehrplan, die Kinder auf angemessene und didaktisch sinnvolle Art und Weise an dieses Thema heranzuführen. Doch werden immer noch Fragen bleiben, mit denen sich die Jungen an die Eltern wenden werden. Der wichtigste Rat vorneweg: Weichen Sie nicht aus, sondern stellen Sie sich den Fragen Ihrer Kinder.

Selbst eine Meinung haben!

Wichtig im Vorfeld ist es für die Eltern, dass sie sich selbst mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Rational und emotional. Niemand kann die Schrecken des NS-Regimes kindgerecht erklären, wenn er selbst nicht einmal weiß, wofür die Abkürzung NS überhaupt steht. Neben der eingehenden Auseinandersetzung mit dem Thema muss es auch einen eindeutigen moralischen Standpunkt geben – einem Grundschüler kann man es beispielsweise nicht zumuten, den Holocaust mit eigenen Moralwerten und Reflexionen zu bewerten.

Solche Gespräche über diffizile und bisweilen auch schwierige Themen sollten unbedingt in einer Atmosphäre der Vertrautheit und Sicherheit geführt werden. Der zweite Weltkrieg oder der 11. September sind keine Gesprächsthemen zwischen Tür und Angel.

In Geschichten erklären!

Am besten verstehen Kinder Geschichten, in denen ebenfalls Kinder vorkommen, weil sie dadurch empathischer und näher am Geschehenen sind. Wenn Sie nun beispielsweise den Holocaust erklären möchten, so kann man beginnen, das Thema über das Leben eines jüdischen Kindes in Deutschland anzugehen. Erklären Sie anhand des fiktiven Kindes die jüdische Religion, warum Juden diskriminiert wurden, welche Folgen das hatte und wie die systematische Zerstörung der Juden von den Nationalsozialisten vorangetrieben wurde. Wichtig für Ihr Kind ist, dass in diesem speziellen Fall die Geschichte gut ausgeht und das jüdische Kind überlebt. Wir Erwachsenen wissen, dass das nur der Ausnahmefall war, aber für Kinder ist es von großer emotionaler Bedeutung, dass der Held oder die Heldin überlebt.

Während man sich den Themen Krieg und auch Holocaust nähert, sollte man immer genau beobachten, wie das Kind reagiert. Manche Kinder sind sensibler, andere können besser damit umgehen. Wie und in welchem Umfang man dem Kind Kriegs- oder Ausnahmesituationen schildert, muss ganz individuell beurteilt werden. Aber verstricken Sie sich nicht in Details oder Beschreibungen von grausamen Gewaltvorgängen. Ihr Kind soll einen ersten Leitfaden erhalten, keine detailgetreuen Angaben über Konzentrationslager. Vergessen Sie dabei nie, dem Kind das Gefühl des Halts und der Nähe zu vermitteln.

Zeitliche und örtliche Distanz betonen!

Wichtig ist, dass Sie Ihr Kind niemals nach einem solchen Gespräch mit seinen Gedanken und Gefühlen alleine lassen. Oder ein solches Gespräch unterbrechen lassen – beispielsweise durch ein Telefonat mit einem Kumpel, um über Fußballergebnisse zu plaudern. Diese extremen Emotionsbrüche kann Ihr Kind nicht verarbeiten.

Vergessen Sie auch nicht, die zeitliche und örtliche Distanz zu Kriegen zu betonen. Die Kleinen stellen oftmals sehr schnell Zusammenhänge zur eigenen Lebenssituation her: Kann uns das auch passieren? Können Mama und Papa auch sterben? Versichern Sie dem Kind: Der Holocaust ist vorbei. Afghanistan ist nicht um die Ecke. Ihr Sohn oder Ihre Tochter braucht diese Sicherheit, dass wir heute in einer anderen Zeit und in einer anderen Gesellschaftsform leben, in der Gleichheit zwischen Religionen und Menschen erstrebt und gewollt ist.

Kanäle zur Aufarbeitung

Manchmal hilft es, wenn Kinder nach solchen Gesprächen etwas zeichnen, schreiben oder basteln können, um einen Kanal für das eben Erfahrene zu haben. Oft verarbeiten die Kleinen das Gehörte oder Gesehene auch, in dem sie mit den Playmobil-Männchen Kriegsmomente nachspielen. Vermeiden Sie allerdings selbst mit Ihrem Kind in ein Rollenspiel zu schlüpfen: Denn einer muss immer die Rolle des „Bösen“ einnehmen. Und das kann unter Umständen eher kontraproduktiv sein, was das Verständnis und die Empathie angeht.

Viel wichtiger als die genaue Schilderung der „bösen“ Seite ist es, Menschen in seinen Schilderungen einzubeziehen, die sich durch Mitgefühl, Loyalität und Humanität auszeichnen. Teilen Sie den Kindern mit, dass es gerade in diesen schlimmen Zeiten äußerst wichtig ist, zusammenzuhalten und sich gegebenenfalls gegen eine propagierte Ideologie zu widersetzen. Und dass Sie als Elternteil – egal, was passieren wir – immer für Ihr Kind da sein werden.