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Der Whistleblower in meinem Kinderzimmer – Vorsicht, Kind hört mit!

Wie freuen sich Eltern, wenn ihre Kinder sprachliche Fortschritte machen und sich irgendwann gut ausdrucken können. Dieser Entwicklungsschritt sollte jedoch mit einem dicken Warnhinweis versehen sein. Denn Kinder erzählen auch gerne, was gehört haben – und beileibe nicht immer dann, wenn sie sollen…

Wie schön ist es, die Kinder beim Heranwachsen zu begleiten! Nach und nach kann die helfende Hand zurückgenommen werden. Die Kinder werden ins Leben entlassen.

 

Manche Entwicklungsstufen haben allerdings so ihre Tücken. Wir leben gerade in einer solch tückischen Phase. Sie ist kindlicherseits gekennzeichnet durch eine hohe Auffassungsgabe gepaart mit einem ebenso hohen Mitteilungsbedürfnis. Elterlicherseits wird allerdings übersehen, dass in dieser Phase das Konzept der „Privatsphäre“ noch nicht in die kindliche Vorstellungswelt aufgenommen worden ist.

Sie haben das Baby auf der Wickelkommode. Und selbst das dringende Bedürfnis, Luft abzulassen. Vermutlich wird das nicht einmal olfaktorisch auffallen. Im Handumdrehen ist Ihr Baby allerdings schon ein sprechendes Kleinkind. Es kommentiert kichernd in einer solchen Situation: „Der Papa pupst. Hihi!“

Toll, wenn Kinder so gut reden können – weniger toll, wenn sie Unpassendes erzählen

Spätestens jetzt sollten Sie Ihr Entzücken über das tolle sprachliche Ausdrucksvermögen Ihres Nachwuchses zurückstellen. Denn diese Aussage ist ungemein gefährlich. Ein paar Parameter geändert und das Ganze wird fatal. Zum Beispiel. Die Schwiegereltern sind zu Besuch. Das Verhältnis zu ihnen, seien Sie ehrlich, war nicht immer das Beste. Vor allem Ihre Umgangsformen wurden immer wieder kritisch beäugt. Und jetzt, beim Essen im familiären Kreis, meldet sich der Nachwuchs: „Der Papa pupst immer!“ Super. Sie müssen schon gar nicht mehr anfangen, sich zu verteidigen. Sie haben verloren.

Ich kann Sie aber insofern beruhigen, dass die Bloßstellung Ihres Daseins kein Einzelfall ist. Kürzlich konnte ich einen Schulausflug der Drittklässler begleiten. Es wurden fahrende Eltern gesucht. Unser Siebensitzer war sehr willkommen. Sechs Achtjährige an Bord. Ohne jegliches Zutun war ich innerhalb von 5 Minuten unvermeidlichem Zuhörens darüber informiert, dass:

1)    der Vater von L* ein dreimonatiges Fahrverbot bekommen hatte, weil er auf der Autobahn zu schnell in eine Baustelle gerauscht sei.
2)    die Mutter von P* nicht glücklich ist, dass sie jetzt ein kleineres ‚kostenloses Auto‘ (= Geschäftswagen) von ihrer Arbeit bekommt.
3)    die Eltern von S* sich demnächst ein richtig tolles Auto („so ‚nen BMW oder Audo“) zulegen würden, weil alles andere es nicht wert sei, gefahren zu werden.

Merken Sie sich einfach eins für die „Entwicklungsphase Whistleblowing“. Es gilt das alte Sprichwort: „Reden ist Silber. Schweigen ist Gold.“

Ihr Pupspapa

zum Autor:
Andreas Clevert, Jahrgang 1970, ursprünglich aus Esslingen stammend, lebt mit seiner spanischen Frau und seinen drei Jungs/Söhnen  (*2008, *2010 und *2013) in Bonn. Mehr von seinen Erlebnissen lesen Sie unter www.vaterdasein.wordpress.com