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Väter in Elternzeit - Ihr Männer habt doch überhaupt keine Ahnung

Immer mehr Väter entscheiden sich dafür, Elternzeit zu nehmen. Sie wollen dadurch mehr Nähe zum Kind herstellen, ihre Frauen entlasten und gewissermaßen „an der Basis erleben“, was Kindererziehung bedeutet. Nicht selten erleben sie diese Zeit ganz anders als vorher gedacht und müssen mit Problemen zurechtkommen, mit denen sie nicht gerechnet hätten. Zum Beispiel: mit Frauen.

Als der frischgebackene Vater Paul die Straße mit seinem Kinderwagen betritt, fallen ihm die Blicke zunächst nicht auf. Doch dann hört er zwei Frauen einen kurzen Satz sagen: „Ganz alleine mit dem Kind, das kann ja nichts werden.“ Der Vater in Elternzeit wundert sich ein wenig und geht weiter. Er muss einkaufen. Als er an der Kasse steht, bemerkt er die Blicke, inzwischen ist er geschult. Auch die Kassiererin sieht ihn zweifelnd an, als sie die Windeln einscannen will. Mit einer Mischung aus Güte und Fassungslosigkeit sagt sie: „Na, das werden wohl nicht die richtigen Windeln für Ihren Fratz sein. Wollen Sie wegen der passenden Größe nicht kurz Ihre Frau anrufen?“ Paul ist ein höflicher Mensch, aber an diesem Tag hat er diese und vergleichbare Erlebnisse satt. Er poltert: „Meine Frau ist tot! Und ich erziehe unseren Sohn alleine. Ich habe für ihn ungefähr 200 Mal Windeln gekauft. Und stellen Sie sich vor: sie passen!“

Jetzt hat Paul Ruhe. Aber besser fühlt er sich dennoch nicht.


Ich kann nichts, ich bin nichts, gebt mir eine Elternzeit!

Herbert Grönemeyer sang einst: „ … Männer sind auch Menschen.“ Und wer alle Sinne beisammen hat, wird dem kaum widersprechen. Was Männer allerdings nicht sind, sie sind keine Mütter. Und sollten deshalb auch als Väter nicht deren Rolle übernehmen. Was nach einem anachronistischem Weltbild klingt, ist doch in vielen Köpfen – vornehmlich denen von Frauen – fest verankert. Und das, obwohl allein im letzten Jahr bereits rund 180.000 Männer Elternzeit genommen haben. Die Schwierigkeiten, denen sie begegnen, ähneln sich. Eine kleine Auswahl:

  • Auf dem Spielplatz finden Männer häufig nur selten Zeit, sich um ihre Sprösslinge zu kümmern. Sie müssen stattdessen eher Fragen nach der richtigen Kinderbekleidung ausdiskutieren, erklären, wie sie die Verantwortungslosigkeit haben können, dem kleinen Steppke schon Kekse zu geben oder müssen sich für die falschen Gummistiefel rechtfertigen.
  • Wehe, ein Vater parkt mit seinem Wagen auf dem Mutter-Kind-Parkplatz und erdreistet sich, die Einkäufe womöglich noch vor dem Kind in sein Auto zu laden. Das eine ist unmöglich, das andere verboten, denn es handelt sich schließlich nicht um einen Vater-Kind-Parkplatz.
  • „Raus hier, aber sofort!“ Klare Worte, die normalerweise angemessen sind, wenn ein Mann sich in einer Damentoilette verirrt. Doch wenn ein Vater seinen Nachwuchs unterwegs wickeln muss, bleibt ihm meist keine andere Wahl, denn auf Herrentoiletten gibt es nun mal keine Wickeltische. Das Verständnis der Frauen hält sich trotzdem meist in engen Grenzen.
  • Ist das Kind krank, erhöht sich der Stressfaktor für alle Beteiligten um ein Vielfaches. Da fehlt nur noch eine Apothekerin, die fragt: „Sie wollen wirklich dieses Medikament geben? Sieht Ihre Frau das auch so oder wollen Sie sie erst einmal nach wirksamen Hausmitteln fragen? Telefonieren können Sie gern von hier aus, wenn Sie wollen.“

Es gibt zahlreiche andere Beispiele, und wenn man einen Blick drauf wirft, kann man eigentlich nur zum Schluss kommen, dass Väter lieber nicht in Elternzeit gehen sollten. Weil sie es einfach nicht können und den Anforderungen nicht gewachsen sind. Aber woher kommt diese Sicht auf die Männer?


Die Sprache als Feind

So gut gemeint der Mutter-Kind-Parkplatz auch ist, so wichtig die Arbeit des „Mutterzentrums“ auch sein mag, durch die sprachlichen Neuregelungen, die Frauen schützen sollen, geraten Männer oft ins Abseits. Väter in Elternzeit werden häufig ähnlich betrachtet wie Praktikanten, denen ernsthafte Aufgaben nicht zugetraut werden. Sie werden über einen Kamm geschert wie Rentner, mit denen man grundsätzlich meint, besonders laut sprechen zu müssen. Wenn die leicht herablassende Frage kommt: „Aber der leibliche Vater sind Sie nicht, oder?“, ist eigentlich die Grenze zur Diskriminierung überschritten. Doch so weit würden betroffene Väter nicht gehen, sie empfinden derlei Äußerungen eher als störend, weniger als diskriminierend. Wohl auch deshalb hat sich bei der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung noch kein einziger Mann gemeldet.


Der neue Mann wird noch nicht erkannt

Wer sich schon einmal in der Fachliteratur für Eltern oder Erziehung umgesehen hat, wird schnell feststellen, dass – wenn auf den Buch-Covern Menschen abgebildet sind, meist die Frauen vor die Kamera gezerrt werden. Ihnen wird nach wie vor eher der richtige Umgang mit den Kindern unterstellt als Männern. Die posieren höchstens als gute Kumpels, die mit ihrem Nachwuchs Eisenbahn spielen oder etwas zusammenbauen. Dabei gilt für Männer in Elternzeit genau das gleiche wie für Frauen: der Alltag ist hart, man muss gut organisiert sein und für Dinge wie Basteln oder Eisenbahn fahren bleibt meist kaum Zeit. Für Frauen, die sich über Jahrzehnte in der alleinigen Rolle der Ansprechpartnerin für die Kinderbetreuung gesehen haben, ist dieser neue Mann, der es ihnen gleichmacht, nicht immer leicht zu akzeptieren. Oder sie nehmen ihn schlicht nicht ernst.


In vielen Köpfen beherrscht leider noch immer ein Satz das Denken, der folgendermaßen lautet: „Wo das Verständnis des Vaters versagt, trifft die Mutter mit der Kraft ihres Gefühls das Richtige.“ Er stammt aus dem „Lexikon der Pädagogik. Erscheinungsjahr: 1914.