Vater sein ist … schwer zu beschreiben

Wie erklärt man kinderlosen Freunden und Bekannten, wie das Leben mit Baby ist? Erzählt man von schlaflosen Nächten, Windeln und Stress oder von den Gefühlen, die das Kind in einem auslöst? Gar nicht so einfach. Ein junger Vater berichtet.

„Und? Wie ist es so mit Kind?“
Diese Frage brachte mich zum Nachdenken. Vor gerade einmal 8 Wochen wurde unsere Tochter Lilly geboren und hat seitdem unser so gut eingespieltes Leben ordentlich durcheinandergebracht.

 

Gestellt hatte die Frage mein Freund Ralf. Er ist Anfang 40, ein das Leben genießender Junggeselle. Ralf hat keine Kinder, hatte nie viel mit Kindern am Hut und wird wohl auch nie Kinder haben. Was antwortet man auf so eine Frage? Welche der Versionen der Wahrheit erzählt man? Mir schossen so viele Dinge durch den Kopf.

Ja, es ist eine ganze Menge Stress, Eltern zu sein und die Umstellung ist groß. So hätte ich Ralf erzählen können, dass

… meine geliebte Frau zu einem „Still-Zombie“ mutiert ist, der sich an die letzte durchgeschlafene Nacht kaum mehr erinnern kann.
… sich unsere Gespräche seit Wochen in erster Linie um Themen wie den Schlaf der Kleinen, ihre Entwicklung, zu einem guten Teil aber um ihre Verdauung drehen.
… wir dahingehend verlottern, dass wir zu Hause nur noch Kleidung tragen, bei der es nicht allzu ärgerlich ist, wenn unsere Tochter darauf spuckt.
… unsere Wohnung von strategisch platzierten Spucktüchern und Schnullern übersäht ist.
… wir in diesem Super-Sommer noch kein einziges Mal am See oder im Schwimmbad waren.
… unser Urlaub in diesem Jahr in einem Ferienhaus in der Nähe meiner Schwiegereltern stattfinden wird. Der Ort heißt Kröckelbach – und er ist so aufregend, wie er klingt.
… wir unser abwechslungsreiches kinderloses Leben gegen eines eingetauscht haben, das in erster Linie in den eigenen vier Wänden stattfindet.
Sozialkontakte zur Zeit nur mit anderen Eltern, der Familie oder extrem kinderfreundlichen Menschen stattfinden.
… wir uns fragen, wie es kommt, dass so viele Menschen mehr als ein Kind haben. Denn das letzte mal Sex hatten wir vor Monaten.

 

Andererseits hätte ich Ralf jedoch auch erzählen können, dass

… unsere Lilly das süßeste Kind der Welt ist. Ganz bestimmt! Und ich hätte ihm anbieten können, ihm hunderte Fotos zu schicken, die genau das beweisen.
… es wahnsinnig spannend für uns ist, wem ihrer Eltern die Kleine worin ähnelt.
… sie sich so toll entwickelt. Sie ist so klug - ganz bestimmt hochbegabt ;-)
… Lilly gerade mit Lächeln anfängt. Und wir jedesmal dahinschmelzen, wenn wir sie ansehen (und sie nicht gerade schreit).
… wir Tränen in den Augen haben, wenn wir der Kleinen Popsongs vorsingen, deren Text uns nahe geht (etwa bei „Your Song“).

... wir uns ein Leben ohne Lilly inzwischen weder vorstellen können geschweige denn wollen. Und dass wir jeden Tag mit ihr als kleines Wunder bewusst genießen.

 

All das hätte ich Ralf erzählen können. Aber was ist die richtige Antwort in diesem Fall?
Schließlich sagte ich: „Ralf, die Kleine hat unser Leben völlig umgekrempelt. Es ist eine Menge Stress und sehr anstrengend. Aber es war bei uns eine bewusste Entscheidung - und eine, die wir nicht bereuen. Wir sind sehr glücklich mit Lilly und haben das Gefühl, den Hauptgewinn in der Baby-Lotterie gezogen zu haben“.
Und das ist die reine Wahrheit.