© Robert Kneschke - Fotolia.com

Was ich als Vater über das Leben mit Kindern gelernt habe

Kinder zu haben ist etwas Einzigartiges – etwas, auf das man sich im Vorfeld kaum vorbereiten kann. Die Liebe von Eltern zu ihrem Kind ist ein Gefühl, das mit Worten kaum zu beschreiben ist. Ein Kind verändert das Leben seiner Eltern elementar und nachhaltig. Ein Vater beschreibt, was er über die Veränderungen, die Kinder mit sich bringen und das Leben mit ihnen gelernt hat.

Seit fast 4 Jahren bin ich nun Vater, seit 8 Monaten sogar zweifacher Vater. Eigentlich dachte ich, durch meine Zeit in der Jugendarbeit und als Jugendtrainer im Sportverein gut auf das Leben mit Kindern vorbereitet zu sein. Meine Mitarbeit bei mehreren Ferienlager, in denen ein paar Dutzend Kinder zu betreuen waren, gaben mir die Gewissheit, dass ich gut darauf vorbereitet sei, irgendwann meine eigenen Kinder zu hüten. MANN, LAG ICH FALSCH!!!

 

Eigene Kinder zu haben ist etwas ganz anderes, als zeitweise die anderer Leute zu betreuen. Das hat mir vor kurzem eine der Erzieherinnen aus unserem Kindergarten bestätigt, die vor ein paar Monaten Mutter wurde. Das Eltern-werden und –sein ist eine sehr ursprüngliche Erfahrung, die einen mit allen Sinnen mitreißt und die von Kinderlosen nicht nachvollzogen werden kann. Meiner Meinung nach ist es bei dieser Erfahrung so, wie bei beim Sex – wer es noch nicht erlebt hat, der kann auch nicht wirklich mitreden.

Der große Satiriker Loriot hat einmal gesagt: „Eltern sind auch Menschen, und sie sind, was die Herstellung und Aufzucht von Nachwuchs betrifft, so was wie ungelernte Arbeiter.“ Recht hat er. Aber die ungelernten Arbeiter lernen – einmal ins kalte Wasser geworfen – sehr schnell dazu. Hier die wichtigsten Punkte, die ich über das Leben mit Kind gelernt habe:

Kinder sind viel zeitaufwändiger als sich Außenstehende vorstellen können

Ein Kind ist in seinen ersten Lebensjahren – ohne große Übertreibung – ein 24-Stunden-Job, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Menschen ohne Kinder denken meist „och, kleine Kinder schlafen ja so viel den Tag über“. Das Problem: sie schlafen nicht berechenbar. Man kann nicht sagen, wann sie genau einschlafen, wie lange sie schlafen oder ob sie Dich im Schlaf nicht brauchen. Wenn sie denn schlafen fängt die Arbeit für die Eltern erst an – aufräumen, putzen, Wäsche, sich selbst waschen, essen – denn zu vielem davon kommt man mit einem kleinen Kind einfach nicht. Und all das ist der Normalfall – ich spreche nicht von einem kranken Kind, das Brech-Durchfall hat.

Mit Kindern lernt man den Wert der eigenen Familie wieder zu schätzen, wenn die Großeltern sich einmal um die Kleinen kümmern oder bei großen Anschaffungen helfen. Ein Sprichwort sagt „es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen“. Inzwischen verstehe ich, was gemeint ist.

Mein kinderloser Bruder kommt uns ab und zu besuchen – er liebt seine Nichten wirklich. Aber spätestens nach zwei Tagen reist er wieder ab, völlig erschöpft, um sich mindestens einen Tag von den Strapazen des Onkel-seins auszuruhen. Diesen Luxus haben Eltern nicht …

Man lernt als Elternteil seine eigenen Grenzen kennen

Eine Situation, die fast jedes Elternteil kennt: man ist so erschöpft, dass man einfach nur weinen möchte oder so genervt, dass man schreiend aus der Wohnung rennen möchte. Wo erlebt man so etwas sonst? Eltern zu sein ist in manchen Situationen wirklich eine Grenz-Erfahrung. Die Kraft weiterzumachen gibt einem die Liebe zum eigenen Kind.

Die Liebe zu den eigenen Kindern ist weit größer, als man sich das zuvor vorstellen konnte

Immer wieder hört man Geschichten von Eltern, die sich ohne zu zögern in absolut lebensgefährliche Situationen begeben haben, um ihre Kinder zu retten. Ich weiß nun, dass ich sicher auch so handeln würde. Die Liebe von Eltern zu ihrem Kind ist nicht rational zu erfassen. Sie wächst mit den vielen Stunden, die man sein Kind ansieht, in den Armen wiegt und umsorgt. Das eigene Kind zu verlieren ist wohl das Schlimmste, das einem im Leben passieren kann.

Man muss als Eltern Prioritäten setzen

Früher habe ich mich gewundert, wie man langsam den Kontakt zu Freunden verlor, die Kinder bekommen hatten. Nun verstehe ich das besser. Als Eltern lernt man schnell, dass die neuen Aufgaben rund ums Kind so aufwändig sind, dass man an anderer Stelle Einschränkungen machen muss. Bei Sozialkontakten, beim Ausgehen, oft auch bei Hobbys und nicht selten auch beim Job. Es ist unmöglich, allen und allem gerecht zu werden. Man muss sich einschränken – zumal man in seiner „Freizeit vom Kind“ häufig Kraft sammeln muss.

Als Elternteil lernt man, sich selbst zurückzunehmen

In der Zeit vor Kindern ist man in der Regel selbst der Hauptdarsteller im Film des eigenen Lebens. Man kann recht frei entscheiden, was man wann wo und mit wem tut. Das ändert sich mit Kindern. Man muss lernen, dass auch eine weitere Person im eigenen Leben eine Hauptrolle einnimmt und ganz spezielle Bedürfnisse hat – die nicht immer mit dem übereinstimmen, was man selbst tun möchte. Man lernt, sich selbst etwas zurückzunehmen. Ein ganz normaler, aber wichtiger Teil des Erwachsen-werdens, der zwar hin und wieder schmerzhaft ist, aber ein Opfer darstellt, das Eltern meist gerne für ihre Kinder bringen.

Kinder verändern ihre Eltern – und das sehr

Junge Eltern bemerken meist schon in den ersten Tagen eine Veränderung an sich. Man wird weicher, man plant mehr und vorausschauender. Man überlegt sich, was passieren könnte und versucht Gefahren frühzeitig aus dem Weg zu gehen. Das hat die Natur so eingerichtet und ist ganz normal. Häufig wird man durch diese Überlegungen auch vorsichtiger, konservativer. Auch Menschen, die sich zuvor nie über Dinge wie Hausbau und Lebensversicherung Gedanken gemacht haben, lassen sich diese Überlegungen zumindest einmal durch den Kopf gehen.

Viele Eltern – speziell Männer - erkennen durch das Leben mit ihren Kindern auch große Zusammenhänge – wie das ganze Spiel zwischen Junge und Mädchen, Mann und Frau etwa von der Natur einzig darauf hinausläuft, einen Partner zu finden, mit dem man Kinder in die Welt setzt. Meist haben Frauen das schon viel früher durchschaut..

Gerade, wenn die Kinder schon etwas größer sind, haben Eltern die Gelegenheit, die Welt durch die Augen ihrer Kinder von Neuem zu entdecken: die Natur und den Wechsel der Jahreszeiten, wie eindrucksvoll ein Flugzeug doch wirklich ist oder wie magisch ein Karussell auf dem Weihnachtsmarkt. Man lernt durch seine Kinder, mehr im Moment zu leben und wird offen dafür, Bekanntes aus einem neuen Blickwinkel zu sehen.

Mit Kind versteht man die eigenen Eltern besser

Häufig verstehen Menschen mit Kindern mit der Zeit ihre eigenen Eltern und deren Entscheidungen – zum Beispiel, warum die einem immer so „langweilig“ vorkamen – besser. Auf jeden Fall setzt man sich als junge Eltern mit der eigenen Erziehung durch die Eltern auseinander. Einiges wird man im Nachhinein verstehen, bei anderen Punkten wird man auch weiter den Kopf schütteln, zum Teil noch heftiger als zuvor.

Als junge Eltern werden Mann und Frau von den eigenen Eltern nun oft endgültig als „erwachsen“ angesehen und mit dem Baby hat man ein Thema, das die Generationen häufig näher zusammenbringt. Zumal Großeltern bei ihren Enkeln häufig wesentlich entspannter sind, als sie das bei ihren eigenen Kindern waren.

Die Partnerschaft verändert sich massiv mit Kind

Ein Baby braucht wahnsinnig viel Aufmerksamkeit und Liebe – und zwar von beiden Eltern. Zeit für den Partner, für traute Zweisamkeit, für gute Gespräche oder gemeinsame Erlebnisse bleibt da oft wenig. Das Sexleben eines Paares verändert sich mit Kindern zwangsläufig und auch dauerhaft. Die Partner sollten darauf achten, dass sie sich gegenseitig weiterhin auch als Mann und Frau sehen und nicht nur als Mama und Papa. Bewusst geplante Auszeiten vom Kind mit Hilfe von Großeltern oder Babysittern können hier helfen – auch, wenn die Pläne nicht immer so aufgehen, wie man sich das vorgestellt hat, wie meine Frau und ich selbst schon erfahren mussten.

Mit Kindern gibt es immer wieder neue Herausforderungen

Eltern lernen schnell, dass, jedesmal, wenn man eine Herausforderung mit Kind unter Kontrolle zu haben glaubt, die nächste auf einen wartet. Andererseits ist fast jedes „Kinder-Problem“ temporär. Ob es die Bauchschmerzen eines Babys, dessen Schmerzen beim Zahnen, das Fremdeln oder die Trotzphase ist. Meine Frau und ich sagen uns, wenn wir uns völlig erschöpft in den Armen liegen „alles nur ne Phase“ und irgendwo ist das auch ein Trost.

Durch die vielfältigen Veränderungen und Herausforderungen, die das Leben mit Kind mit sich bringen, würde man nicht alt, sagen die Leute häufig. Wenn ich mir die Falten und grauen Haare, die ich in den letzten Jahren neu bekommen habe, bin ich mir nicht so sicher. Aber wenigstens ist es das wert, da bin ich mir sicher. Denn durch meine Kinder habe ich in meinem Leben auch einen Sinn gefunden.