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Windel ade, scheiden tut weh – warum ein Windelkind doch gar nicht so schlecht ist

Ein Kind, das noch nicht trocken ist, hat unbestreitbare Vorteile, findet Mate Tabula. Unter anderem macht es Papa nicht seinen Rückzugsort streitig – das stille Örtchen. Denn man wisse: my Klo is my castle ;-)

Ich bin ein recht gemütlicher Mensch. Ich renne Bussen nicht hinterher, weine nie verpassten Partys nach und wenn mich jemand fragt, ob ich noch eine Tasse Kaffee oder einen Stück Kuchen möchte, sage ich immer ja, aber natürlich. 

Seit ich Kinder habe, ist es mit der Gemütlichkeit natürlich dahin. Ob morgens, nachmittags oder nachts, immer wird man aus dem Tiefschlaf gerissen, weil irgendetwas ist. Hunger, Fieber, Aua oder die unerträgliche Knatschigkeit des Seins.

Der einzige Rückzugsort, der einem als Vater da noch bleibt, um zwischendurch ein bisschen Frieden zu finden, ist die Toilette. Ja, my Klo is my castle, da bin ich Mensch, da darf ich entspannen. Der Mensch, der das stille Örtchen stilles Örtchen genannt hat, hatte 100 Prozent auch Kinder. Manchmal setze mich sogar auf die Schüssel, ohne dass ich wirklich muss. 

 

Invasion des stillen Örtchens 

Als unsere Große trocken wurde und mein Refugium der Stille ebenfalls für sich entdeckte, verkomplizierte sich die Sache. Da wohnten wir in einer kleinen Wohnung mit nur einer Toilette und kaum machte ich es mir gemütlich, um mein Zen wieder zu finden, klopfte sie schon an die Tür. Aus mir unerklärlichen Gründen, vielleicht weil wir zusammen lebten, hatten sich unsere Verdauungszyklen synchronisiert. Sie musste immer zur gleichen Zeit mal wie ich. Ich überlegte ernsthaft, ihr wieder Windeln anzuziehen oder im Garten ein Dixi-Klo aufzustellen. 

Die Lage beruhigte sich, als wir in ein Haus mit zwei Toiletten zogen. Yes, ich hatte wieder mein happy Place, wo ich für ein paar Momente ich sein konnte, die Große hatte ihr happy Place, wo sie sie sein konnte. Und meine Frau ist eine Lady, sie braucht kein happy Place, sie hat eine gut bezahlte Arbeit, die uns alle glücklich macht.    

Seit kurzem macht nun die Kleine ebenfalls Anstalten, aufs Töpfchen zu gehen und ich denke nur wehmütig: Windel ade, scheidet tut weh. Manche wiederum denken bestimmt: Was? Ist doch prima, das Kind wird trocken, wird ja auch Zeit mit drei, unsere wurden schon mit zwölf Monaten trocken. Aber ich glaube, solche Eltern wollen auch, dass ihr Kind mit fünf eingeschult wird, mit sieben zwei Klassen überspringt, mit fünfzehn Abi macht, mit zwanzig Doktor wird, mit einundzwanzig Chefarzt und mit fünfundzwanzig Herzinfarktpatient, weil ihm alles viel zu schnell ging.  

 

Ganz gemütlich in die Hose 

Ich möchte das nicht. Deshalb ermutige ich meine Kleine schön weiter nicht trocken zu werden. Wie oft wollte sie schon aufs Töpfchen und ich sagte:„Aber Schatz, in die Windel ist es doch viel gemütlicher.“ 

Ja, aber was das kostet, denken manche jetzt. Aber was kostet das denn? Eine Windel kostet rund 15 Cent, ein Kaffee außer Haus, der meist nie so gut schmeckt, dass er seinen Preis rechtfertigen würde, kostet rund 3,50 Euro. Das sind 22 1/3 Windeln. Für einen gesparten Kaffee kann meine Kleine also 22 1/3 mal ungestört in die Hose machen, was ist daran bitte teuer? Keine Ahnung, ob das jetzt auch gut für die Umwelt ist, aber für meine Gelassenheit ist es das. 

Und auch unterwegs macht es das Leben leichter. Eine Windel ist quasi das ein Klo to go. Stets für jeden Scheiß bereit. Ohne Windel muss man in den unmöglichsten Momenten ein Gebüsch suchen, wo das Kind sein Geschäft verrichten kann. Aber finde mal das nächste Gebüsch in der Innenstadt, samstags beim Shoppen. 

Wenn man es findet, muss man warten, bis was kommt, wenn überhaupt etwas kommt. Und dann muss man es in die Tüte packen und entsorgen. Und wenn man keine Tüte dabei hat, muss man es schweren Gewissens liegen lassen. Und dann tritt ein Hundebesitzer rein. Das wäre ja furchtbar. Da würde er sich ja wie ein Vater fühlen, der ihn einen Hundehaufen tritt. Da ist es doch umgekehrt besser. Wir brauchen eine Windelpflicht für Hunde. Und Kinder bis fünf. 

 

Es ist noch jedes Kind trocken geworden, oder? 

Ein gleichaltriger Junge, der mit unserer Kleinen in die Spielgruppe geht, ist schon seit einem halben Jahr trocken. Sie wird wahrscheinlich noch ein halbes Jahr brauchen. Ich sehe das locker. Alles zu seiner Zeit.

Ich denke kaum, dass sie mit sechzehn noch Windeln tragen wird. Und wenn schon? Dann gehe ich mit ihr und ihren Freunden ins Kino, wir genießen ungestört den Film und danach gibt es eine frische Windel. Unter uns: Es gibt doch nichts Ungemütlicheres als im Kino, gerade bei der spannendsten Szene den Saal verlassen zu müssen, weil man mal muss. Und ich bin ein gemütlicher Mensch. 

Aber vor allem: Je länger meine Kleine trocken bleibt, desto länger behalte ich meine Oase des Rückzugs, wo ich ungestört noch viele kleine und große Kurzurlaube verbringen kann.  
 

 

Mate Tabula ist Autor, Texter und Geschichtenerzähler aus Germering bei München. Er hat ein Frau, zwei Töchter und eine Schilddrüsenunterfunktion. Mehr über ihn und sein Leben erfahrt ihr hier