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Kinder und Werbung – Manipulation, bis der Arzt warnt

Sie gehört zum täglichen Leben wie das morgendliche Zähneputzen. Werbung. Und spätestens seit die privaten Radio- und Fernsehsender ihren Erfolgslauf in die deutsche Medienlandschaft angetreten haben, hat sich die Frequenz um einen erheblichen Faktor erhöht. Wir haben uns mehr oder weniger an Werbung gewöhnt, auch wenn sie wirklich nerven kann. Im Zweifel bleibt der Griff zur Fernbedienung oder der Blick in eine andere Richtung. Wie aber steht es um unsere Kinder? Wie wirkt sich Werbung auf den Nachwuchs aus, kann sie womöglich ernsthaft schädigen?

Kinder sind für die Wirtschaft längst zu einer ernstzunehmenden Zielgruppe geworden. Zum einen gibt es eine ganze Menge von ihnen, zum anderen verfügen sie über finanzielle Mittel. Das macht sie für die Werbung interessant. Immerhin 11 Millionen Kinder im Alter zwischen 6 und 19 Jahren bringen es auf durchschnittlich 1.800 Euro. Das hat die „Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ)“ herausgefunden. Hochgerechnet ist das eine stolze Summe, die möglichst in den Konsum gesteckt werden soll.

 

Kinderärzte warnen vor Manipulation

Glaubt man der Werbung, ist alles gesund, alles unbedenklich und jedes beworbene Produkt natürlich das Beste, das es gibt. Im Laufe der Zeit lernen wir, dass Werbebotschaften oft nicht der Realität entsprechen. Kinder sind auf diesem Weg aber noch nicht so weit. Das macht sich die Werbewirtschaft zunutze. Die DGSPJ meldet, dass alleine von den bis zu 40.000 Werbespots, die über das Fernsehen ausgestrahlt werden, gut die Hälfte auf die Zielgruppe Kinder ausgerichtet ist. Vornehmlich geht es um Süßigkeiten, Knabbereien und Limonaden. Die werden in den buntesten und schillerndsten Farben dargestellt. Das Prinzip funktioniert, denn bei den meisten Spots werden die Kinderaugen schnell größer, der Wunsch, die angepriesenen Produkte haben zu wollen, wächst. Ob das Versprochene gehalten werden kann, ist für Kinder in aller Regel unwichtig. Daher sind viele Kinderärzte der Meinung, dass genaues Hinterfragen und eine kritische Sicht auf Werbung durch die Eltern vermittelt werden müssen. Sonst erliegen Kinder dem Sog der Werbung.

Der „Goldene Windbeutel“

In der „Milchschnitte“ ist viel gute Milch. Der „Monte Drink“ weckt neue Kräfte und der Joghurt „Actimel“ versorgt den Körper mit allem, was er braucht. So oder so ähnlich lauten die Werbebotschaften, mit denen Kunden geködert werden sollen. Und mit Kunden sind eben auch immer häufiger Kinder gemeint. An den hier genannten Beispielen wird allerdings deutlich, wie weit entfernt Werbung von der Wirklichkeit sein kann. Alle drei Produkte wurden mit einem Preis ausgezeichnet, zu deren Ehrung wohl kein Verantwortlicher erschienen ist. Sie erhielten die Auszeichnung „Goldener Windbeutel“, den die Verbraucherschutzorganisation „Foodwatch“ alljährlich vergibt. Wer den Preis erhält, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Werbelüge des Jahres formuliert zu haben. Die DGSPJ rät Eltern dazu, mit den Kindern über Täuschungen der Werbung zu sprechen, um sie zu sensibilisieren und einen realistischen Blick zu entwickeln.

Werbelügen aufdecken: Früh übt sich

Die Methoden sind einfach wie genial. Werbung, die speziell für Kinder gemacht wird, ist immer bunt. Und natürlich fehlen oft auch die Lieblingshelden nicht, die für die Erreichung der Verkaufsziele eingesetzt werden. Genussmittel, DVDs, Spielzeug und andere Produkte werden oft „aufgehübscht“, denn wenn Spiderman oder Homer Simpson schon für eine Sache werben, kann sie in Kinderaugen nicht schlecht sein. Es ist gewissermaßen ein Geschäft mit der Leidenschaft und der Identifikation von Kindern mit Ihren Helden aus Film und Comic. Johannes Oepen, der Leiter des Fachausschusses für stationäre Prävention und Rehabilitation der DGSPJ sagt über die Manipulationsmöglichkeiten von Kindern:

  • Bis zum 8. Lebensjahr sind Kinder nicht in der Lage, sich der Faszination von Werbung zu entziehen. Sie nehmen also quasi alles, was ihnen vorgetragen wird, für bare Münze.
  • Kinder zwischen 8 und 10 Jahren haben dagegen schon die Fähigkeit entwickelt, Werbung auch kritisch zu betrachten.

Werbeverbot für die Kleinen?

Nun wäre es einfach, zu sagen, dass Kinder unter 8 Jahren überhaupt keine Werbung sehen sollten. Aber dieses Vorhaben wäre vergleichbar mit dem Verbot von Computerspielen. Beides ist letztlich nicht möglich, ohne Kinder massiv einzuschränken. Die DGSPJ hat Empfehlungen ausgegeben, die helfen sollen, die Macht und den Einfluss von Werbung auf Kinder einzudämmen.

  • Zunächst einmal müssen Eltern Vorbilder sein. Kinder orientieren sich an Erwachsenen, auch in ihrem Umgang mit Werbung.
  • Aufklärung. Kinder müssen verstehen, dass Werbung mit der Realität nichts zu tun hat. Wenn sie wissen, dass es ausschließlich darum geht, etwas zu verkaufen, ist eine pragmatische Sicht auf das Prinzip der Werbung leichter.
  • Aktive Gesundheitsvorsorge. Kinder müssen lernen, dass es gesunde und ungesunde Lebensmittel gibt. Sie sollen verstehen, dass die Werbebotschaften immer auch kritisch hinterfragt werden können und sollen.

Ganz ohne Verbote kommt die DGSPJ mit ihren Empfehlungen nicht aus. So fordert sie Werbeverbote für Genussmittel in der Schule und bei Sendungen für Kleinkinder. Auch Ernährungskurse sollten in Schulen ein wichtiger Bestandteil werden, um das Wissen der Kinder zu erhöhen und somit zu einer kritischen Betrachtungsweise beizutragen. Nicht zuletzt ist es der politische Druck, der Einfluss auf die Werbeindustrie nehmen kann. Offensichtlich falsche Werbeaussagen dürfen nicht als selbstverständlich hingenommen werden. Das Beste aus Elternsicht wäre natürlich, wenn es in Zukunft nicht mehr nötig wäre, den „Goldenen Windbeutel“ zu vergeben. Ob dieses ambitionierte Ziel erreicht werden kann, darf jedoch bezweifelt werden.