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Mund auf und fertig – mit den Kindern beim Zahnarzt

Vor einem Besuch beim Zahnarzt haben viele Kinder großen Respekt – und ihre Eltern mindestens ebenso! Unser Kolumnist Mate Tabula berichtet von einem ereignisreichen Termin bei „Dr. Best“ zusammen mit seiner Familie.

Zahnarztbesuche mit Kindern können manchmal zu richtigen Horrortrips werden. Dabei stehe ich als Vater eher nicht so auf Gruselaction, sondern bin mehr so der Riesenradtyp. Einsteigen, entspannt eine Runde drehen, wieder aussteigen, nach Hause gehen und dann auf Netflix Zeichentrick schauen.  

Ich erinnere mich noch lebhaft an den letzten Besuch bei Dr. Best. Da hat die Große die halbe Praxis zusammengeschrien. Zugegeben, nicht, weil sie etwa Angst vor der Behandlung hatte, sondern weil ich ihr im Warteraum verboten hatte, die Seiten der Illustrierten rauszureißen. „Aber wenigstens die von der Bunten, Papa, ja?“, hat sie mich angefleht. Aber so sehr ich auch „Okay, wenigstens die“ sagen wollte, habe ich den Kopf geschüttelt.   

Glücklicherweise ist sie jetzt ein Jahr älter und benimmt sich vor Fremden zivilisierter, aber dafür ist diesmal die Kleine beim neuen Zahnarzt mit am Start. Und die hat aktuell von Anstand und Benehmen so viel Ahnung wie die Skandalrapper Farid Bang und Kollegah.

Der Warteraum, dem Patienten vertrauen 

Zur Unterstützung ist meine Frau dabei und das ist gut so. Denn da muss ich ihr später nichts von dem geschmacklos eingerichteten Wartezimmer erzählen. Sie kann selbst die Augen verdrehen aufgrund der Kunstkritzeleien an den Wänden, n-tv in Endlosschleife auf dem Flatscreen in Kleinkinderhändehöhe und einer rotleuchtenden Laufreklame, auf der Sätze erscheinen wie „Ihre Zufriedenheit ist unsere Triebfeder. Ihr strahlendes Lächeln die Frucht unserer Arbeit.“ Ich denke mir weitere Botschaften aus wie, „Eine gesunde Mundflora ist wie der Sonnenuntergang auf Jamaika. Eine gründliche Zahnreinigung wie die Pina Colada, die ihn vollkommen macht.“ 

Ein bisschen träume ich mich weg aus dem Wartezimmer des Zahnarztes, auch weil es mich stark an den Check-In-Bereich eines Flughafens erinnert. Gleich kommt bestimmt die Durchsage: „Familie Tabula zu Gate 8 bitte, Familie Tabula zu Gate 8. Ihr Flieger nach Kingston Town startet in Kürze “, als mich das Geschrei meiner Großen aus dem Tagtraum herausreißt. 

Der Bär ist los 

Wie zu ihren besten Zeiten schreit sie erneut die Praxis zusammen, diesmal aber nicht wegen eines Illustrier-Zerstörverbots, sondern wegen einem Plüschbären aus dem Duty-Free-Shop, äh, der Spielecke. Sie hatte ihn zuerst gesehen, doch die Kleine zuerst in der Hand. 

„Schluss jetzt, alle beide“, ermahnt sie die Mama, worauf die Kleine zu weinen beginnt, worauf sie von der Mama getröstet wird, woraufhin ich den Plüschbär in den Arm nehme und tröste, weil keiner mehr mit ihm spielen will. 

Was raus muss, muss raus

Für einen kurzen Moment herrscht paradiesische Stille, als die Kleine ihr Gesicht wie ein Wrestler mit stark gespielten Schmerzen verzieht. „Was hast du, mein Schatz?“, frage ich und sie antwortet, „Kacka!“ 

Dann wiederholt sie ihre Antwort lauter, damit es auch wirklich jeder im Wartezimmer mitkriegt, dass sie gerade ihre Windeln füllt. Leute, schaut, Jana, kacka, gut, ja? 
Die zwei Herren im Anzug schmunzeln, die grimmige Rentnerin verzieht keine Miene. Früher hätte es paar hinter die Löffel gegeben, denkt sie sich vielleicht, aber gottseidank ist früher vorbei, denke ich und bin stolz auf meine Kleine. Hoffentlich behält sie das Selbstbewusstsein auch als Erwachsene und berichtet lautstark über ihre neuesten Kreationen. Aber bitte ohne Windel dann. 

Papa putzt die Zähne schön? 

Irgendwann werden wir aufgerufen und lernen den neuen Zahnarzt unserer Töchter kennen. Er ist eine Sie und das genaue Gegenteil ihres Wartezimmers – stilsicher und kinderfreundlich. Nach kurzem Smalltalk mit der Großen öffnet die auch bereitwillig den Mund und wird sogleich von Frau Doktor gelobt. „Super sieht das aus. Wer putzt dir denn so die Zähne sauber?“. „Der Papa natürlich“, antworte ich geistesgegenwärtig und meine Frau boxt mich. „Ich natürlich auch“, sagt sie.  

Die Kleine verweigert zunächst die Behandlung, aber die große Schwester gibt ihr Mut. „Jetzt komm. Ist gar nicht schlimm. Du machst einfach den Mund auf und fertig. Schau. So.“ 

Sie führt es ihr und die Kleine ahmt es bereitwillig nach.

Und dann ist es auch schon vorbei. Meine zwei Heldinnen winken Frau Dr. Best zum Abschied und dürfen sich aus der Spielzeugkiste eine Kleinigkeit mit nach Hause nehmen, während ich realisiere, dass Zahnarztbesuche mit Kindern gar keine Horrortrips sein müssen, wenn man als Eltern ganz entspannt dabei bleibt.     

 

Mate Tabula ist Autor, Texter und Geschichtenerzähler aus Germering bei München. Er hat ein Frau, zwei Töchter und eine Schilddrüsenunterfunktion. Mehr über ihn und sein Leben erfahrt ihr hier