© Arkady Chubykin - Fotolia.com

Seitenwechsel - Wie mich meine Kinder erziehen

Eltern erziehen ihre Kinder. Ein ganz normaler Vorgang. Aber auch die Kinder selbst sind sanfte Lehrmeister ihrer Eltern. Ein paar Gedanken zu diesem Thema von unserem Autor Daniel Polzer.

2.780.000 - Das ist nicht etwa die Summe, die ich gerne im Lotto gewinnen würde - auch wenn der Gedanke ausgesprochen reizvoll wäre - sondern es ist die Anzahl der Suchergebnisse, die Google ausspuckt, wenn es um das Thema „Kindererziehung“ geht. Eine stolze Zahl, die noch durch kilometerlange Regalreihen in den Buchhandlungen ergänzt wird. Es gibt wohl kaum ein Problem, über das nicht schon geschrieben, diskutiert und geforscht wurde. Alles zum Wohle unserer Kinder und zur elterlichen Beruhigung. So weit, so gut.

 

Aber haben Sie sich schon einmal gefragt, wie Ihre Kinder Sie erziehen? Nein?    Kein Wunder! Darüber gibt’s auch keine Literatur. Im Internet ist auch nichts zu finden. Und doch tun sie es. Auf eine ganz leise, unaufdringliche Weise. Tag für Tag. Und manchmal bekommen wir, als Eltern, dies gar nicht mit.

Tierliebe

Ein Beispiel: Meine Tochter wünschte sich sehnlichst ein Aquarium. Sie bekam dieses Aquarium zu ihrem siebenten Geburtstag. Mit 12 Meeresbewohnern.           Sie kümmerte sich rührend um diese Tiere, versorgte sie mit Futter und saß stundenlang vor der Scheibe, um ihr Treiben zu beobachteten. Drei Tage lang. Danach nicht mehr. Sie übertrug mir diese Aufgabe. Nicht direkt, eher unausgesprochen. Sie beachtete die Fische einfach nicht mehr. Sie sind zwar noch Teil ihres Kinderzimmers, aber nicht mehr Teil ihres Lebens. Und mittlerweile habe ich, der ich Fische gar nicht mochte, nicht nur die Fütterung und Pflege übernommen, sondern einigen von ihnen sogar schon Namen verpasst. Verstehen Sie, was ich meine? Ohne, dass je darüber geredet wurde, erzog mein Kind mich zur Tierliebe.

Unsere Tochter wünscht sich nun ein Meerschweinchen. Sie wird es nicht bekommen. Denn ICH möchte mich nicht darum kümmern. Und so gesehen hat mich meine Tochter auch gelehrt, etwas vorausschauender zu denken.

Spielerische Erziehung

Ein anderes Beispiel: das Spielen.                                                                       

Meine Kinder sorgen fast täglich dafür, dass ich in diverse Rollenspiele eingebunden werde. Vom Feuerwehrmann, über den Indianer und Prinzen bis hin zu Hund und Einhorn kann ich nunmehr mühelos die Klaviatur der wildesten Kinderfantasien bespielen. Prinzessin war ich auch schon. Mit Krone.                                               

Ich habe mittlerweile eine schauspielerische Flexibilität erlangt, die ich nie für möglich gehalten hätte. Ganze Theaterstücke könnte ich seit geraumer Zeit allein aufführen. Ohne Scheu. Meine Kinder waren ausgezeichnete Lehrer. Das betrifft auch das Vorlesen. Lesen mit verteilten Rollen? Alle ich? Kein Problem.

Das Fernsehen

Vielleicht noch ein drittes Beispiel. Zu viel fernsehen ist nicht gut. Meine Kinder wissen das, denn oft genug habe ich es ihnen vorgebetet. Es macht lethargisch und schränkt die Kreativität enorm ein. Doch manchmal ist es auch ganz nett. Um zu verhindern, dass ich dieser Versuchung doch erliege, besetzen meine Kinder bei jeder sich bietenden Gelegenheit unser Fernsehgerät und schauen fern. Sie opfern sich quasi für mich auf, um mir körperliche und seelische Nachteile zu ersparen. Ich habe gar keine Gelegenheit, das Gerät zu nutzen. Sind sie nicht großartig?

Wenn ich denn doch gern mal ein Fußballspiel sehen würde, das letzte Formel-1-Rennen der Saison oder irgendetwas anderes, nichts zeichentrickartiges, höre ich meist die Worte: „Papa, lass uns lieber spielen. Du weißt doch, zu viel fernsehen ist nicht gut.“

Ja, meine Kinder sorgen sich um mich.

Noch ein paar Kleinigkeiten

An dieser Stelle könnte ich noch viele Dinge aufzählen, die meine Kinder mir bisher beigebracht haben. Den lange verschollenen Ordnungssinn, die Spaghettizubereitung in allerlei Variationen oder das Erkennen der eigenen Grenzen, um nur einige zu nennen. Auch ein früher Tagesbeginn gehört dazu. Eltern, deren Kind um 7.45 Uhr in der Schule sein muss oder die stolzen Besitzer eines Dreijährigen, der um 5.45 Uhr mit dem Papa Feuerwehr spielen will, werden wissen, was ich meine.

Kein Dank, aber …

Dank für meine Gelehrigkeit bekomme ich nicht. Ganz selten mal ein Lob. Aber wissen Sie was? Das ist mir nicht wichtig. Ich sehe in strahlende Kinderaugen, höre täglich ein fröhliches Lachen und ich kann mir sicher sein, dass mein Nachwuchs auch in Zukunft auf mich achten wird.

Meine Kinder haben mich verändert. Ohne sie wäre ich ein anderer Mensch. Und sicher kein besserer.

In diesem Sinne danke ich Paulina und Maximilian für die wunderbare Erziehung, die sie mir jeden Tag angedeihen lassen.

Ich liebe euch.

 

Der Autor:
Daniel Polzer arbeitet als freiberuflicher Texter und Werbetexter.
Mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt er in Leipzig.