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Frühe Väter, späte Väter – was ist besser?

Junge Eltern oder eher reifere? Was mag wohl besser sein? Die Frage treibt die Menschen schon lange um, und immer häufiger kommen sie zum Ergebnis, dass es sinnvoll ist, eine Weile zu warten, bis man Nachwuchs bekommt. Doch ist diese Herangehensweise vielleicht auch ein wenig Verdrängung, um plötzlich festzustellen, dass es „zu spät“ ist? Junge Väter sind anders als ältere, so viel steht fest. Vor- und Nachteile hat letztlich beides. 

„Lass uns noch warten.“ Dieses Argument gehört zu den häufigsten und auch einfachsten, wenn es darum geht, mit dem Zeugen eines Babys noch zu warten. Meist geht es um Karriere, Ausbildung, Selbstverwirklichung. Und natürlich um die Finanzen, die noch nicht ausreichen, einen kleinen „Stöpsel“ zu ernähren. Junge Väter dagegen kommen in vielen Fällen durch einen „Unfall“ zu ihrer neuen Rolle. Und haben nicht selten Schwierigkeiten, sie auszufüllen.

 

 

Klischee oder nicht?

Junge Männer wollen etwas erleben. Sie wollen feiern, sich nicht an eine einzige Frau binden und denken vornehmlich an sich selbst. So weit das Klischee. Tatsächlich kann man das aber nicht so verallgemeinert darstellen. Dennoch: die Gefahr, dass junge Männer mit der Betreuung eines Kindes überfordert sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Zumal zu einer guten Erziehung zwei Menschen gehören, die eine gewisse Reife aufgebaut haben und sich aufeinander verlassen können. Mit einem Kind geht viel persönliche Freiheit verloren, und auch die Partnerschaft kann leiden. Umso wichtiger ist es, dass Vater und Mutter durch eine stabile Beziehung den Herausforderungen besser begegnen können. 

Andererseits: Egal, wie alt man ist, Überforderung kann immer entstehen, sie hängt nicht vornehmlich mit dem Alter zusammen, sondern mit der Lebenseinstellung insgesamt. Hier können junge Väter durchaus im Vorteil sein. Sie sind noch nicht gezeichnet durch Erfahrungen, die in der Vergangenheit zu Verletzungen geführt haben oder eine „freie Sicht“ verbauen. Gerade die fehlenden Erfahrungen können also dazu beitragen, dass eine positive Energie von einem jungen Vater ausgeht, die sich auf das Kind überträgt. Nicht zuletzt erleichtert das frühe Vaterwerden den Zugang zum Kind. Junge Väter sind einfach „näher dran“ am Nachwuchs. Das kann zu einem konstruktiven Reifeprozess führen und zu viel Verständnis für das Kind.

 

Gesellschaftliche Problemfälle: Ältere Väter

Der kleine Tim durfte im Kinderland des Einkaufszentrums spielen, während seine Eltern ihre Einkäufe erledigen. Als sein Vater ihn abholt, ruft die Erzieherin dem kleinen Jungen zu: „Tim, Dein Opa ist da!“ Tim korrigiert die Frau mit einer selbstverständlichen Gelassenheit, die Erzieherin ist peinlich berührt. Und denkt im Inneren: „Mein Gott, so spät noch ein Kind zu bekommen – unverantwortlich!“

In der Gesellschaft haben es späte Väter nicht gerade leicht. Es ist ein bisschen wie mit Männern, die sich in deutlich jüngere Frauen verlieben. Sie haben einen schweren Stand, unterstellt werden Egoismus und Selbstdarstellung. So ganz weit entfernt ist dieser naheliegende Schluss nicht, allerdings in einem positiveren Sinne, als man annehmen würde. Egoismus ist tatsächlich oft einer der Beweggründe, die Männer spät zu Vätern werden lassen. Und zwar der Egoismus vergangener Tage. Nicht selten ist die Geburt eines Kindes im fortgeschrittenen Alter nicht die erste, die betroffene Männer erleben. Sie folgt aber einem bewussteren gedanklichen Prozess, denn die vor vielen Jahren geborenen Kinder haben oft zu wenig Liebe und Aufmerksamkeit bekommen, weil Beruf, Beziehung oder Hobbys (vielleicht sogar alles gleichermaßen) der Väter im Vordergrund standen. Nun, so viele Jahre später, wird vielen Männern klar, dass man die Zeit mit dem Kind nicht mehr aufholen oder zurückholen kann. Der Egoismus des jungen Mannes aus längst vergangenen Zeiten führt also dazu, es nun, später, besser machen zu wollen. Das mag gesellschaftlich nicht besonders anerkannt sein, für die Kinder ist es jedoch wundervoll, wenn sie spüren, wie viel Liebe und Zuwendung sie vom Vater erhalten. Einzig die Erstgeborenen gehen damit nicht immer souverän um, was jedoch nachvollziehbar ist. 

 

Nah dran oder weit entfernt von den Wertvorstellungen?

Wie bereits oben beschrieben, kann es jungen Vätern leichter fallen, Vorstellungen von Werten oder Moral, vielleicht auch von gesellschaftlichen und politischen Überzeugungen mit dem Kind zu teilen. Ein Vater, der bei der Geburt des Kindes das 50. Lebensjahr überschritten hat, wuchs nun einmal in einer gänzlich anderen Zeit auf, mit völlig anderen Werten und im Rahmen einer aus heutiger Sicht komplett veralteten Technologie. Kommunikation über soziale Medien, ein anderes Verhalten hinsichtlich Sexualität und letztlich eine andere Jugendsprache können für späte Väter eine echte Herausforderung werden, während jüngere Väter ihnen eher gewachsen sind. Hinzu kommt die Frage, ob man im fortgeschrittenen Alter den Anforderungen, die Kinder an ihre Eltern stellen, noch voll gewachsen ist. Ab man als Sechzigjähriger noch mit seinem Sohn so herumtollen kann, wie das mit 40 möglich gewesen wäre? Fraglich … 

Doch wenn man es zu Ende denkt, ist all das nur eine Frage der Bereitschaft, aus der Vaterrolle zu lernen und langsam in sie hineinzuwachsen. Hier kann der späte Vater im Vorteil gegenüber seinem jüngeren Gegenstück sein, denn er ist erfahrener, ruhiger und in der Lage, sich die Zeit zu nehmen, die es braucht, um mit den Entwicklungen des Kindes Schritt zu halten. Und an einem Punkt treffen sich die beiden Gegensätze früher und später Vater mit der allergrößten Wahrscheinlichkeit sowieso: Wenn das Kind in die Pubertät kommt. Denn in dieser Zeit versteht (fast) kein Vater sein Kind. Egal, wie alt oder jung er ist.