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Geschwisterrivalität – Im Kampf um die elterliche Zuneigung

Jedes Kind möchte von seinen Eltern geliebt werden und an erster Stelle stehen. Für Einzelkinder ist das vergleichsweise leicht. Geschwisterkinder stehen dagegen in einem ständigen Wettkampf, um die Gunst der Eltern. Ein ganz natürlicher Prozess, der sich auf die Entwicklung sogar günstig auswirkt, meinen Psychologen.

Die Rivalität unter Geschwistern prägt ein Kind und seine Persönlichkeit, was den Umgang mit Eifersuchtsgefühlen angeht. Emotionale Kontrolle und der Umgang mit den eigenen Gefühlen werden täglich geprobt und verfeinert. Auf diesem Hintergrund entwickelte sich das allgemein anerkannte Wissen, dass Kinder, die mit Geschwistern aufgewachsen sind, allgemein besser teilen können, sozialer sind und auch besser mit Eifersucht umgehen können. Eifersucht ist ein Schutzmechanismus: Ein Kind sieht seine Eltern als „Besitz“ an, den es keinesfalls verlieren möchte und eben auch gegen Geschwister verteidigt.

Integration des zweiten Kindes

Um zu verstehen, wie sich die kindliche Rivalität entwickelt, ist es hilfreich, wie das zweite Kind in der Familie etabliert wird. Dieser Vorgang verläuft in Abhängigkeit vom Alter in drei Phasen:

Phase 1 von 0 bis 8 Monaten

Die Eltern müssen sich bemühen, ihre Aufmerksamkeit gerecht aufzuteilen: Zum einen nimmt die Versorgung des Säuglings viel Zeit und Kraft in Anspruch, zum anderen braucht das Erstgeborene jetzt besonders viel Zuwendung. In dieser Zeit gibt es verschiedene Strategien, wie Eltern dieses Pensum meistern. Entweder kümmert sich die Mutter um das Neugeborene und der Vater übernimmt die Fürsorge für das ältere Kind oder die Mutter versorgt hauptsächlich die Kinder, während der Mann Haushalts- und organisatorische Aufgaben weitgehend übernimmt. Bei der dritten Möglichkeit wechseln sich die Eltern in allen Aufgaben ab.

Phase 2 von 9 bis 16 Monaten

Die ersten Konflikte treten auf. Das zweite Kind wird mobiler und greift in die Aktionen und Spiele des älteren Kindes ein. Auch hier verhalten sich Eltern unterschiedlich: Entweder halten sie sich soweit wie möglich aus den Konflikten heraus, fordern das ältere Geschwisterkind zum Verständnis und zum Nachgeben auf oder vermeiden Konflikte dadurch, dass jedes Elternteil ein Kind betreut.

Phase 3 von 17 bis 24 Monaten

Das Verhältnis zwischen den Geschwistern balanciert sich aus. Oft werden die Konflikte weniger, jedes Kind hat seinen Platz in der Familienhierarchie gefunden.
Je nachdem, wie Eltern in dieser Zeit reagieren, welches Temperament die Geschwister besitzen, welche Qualität die Elternbeziehung hat und welcher Erziehungsstil angewandt ist, tritt die Geschwisterrivalität in unterschiedlicher Intensität zum Vorschein. Besonders stark ist sie in der Regel unter Brüdern ausgeprägt, bei gemischtgeschlechtlichen Geschwistern ist die Rivalität am geringsten.

Vermeiden Sie, dass Feuer zu schüren

Die Rivalität unter Geschwistern ist ein ganz natürliches Gefühl, dass Eltern allerdings keinesfalls unterstützen oder verstärken sollten. Um zu vermeiden, dass der Kampf um die Liebe und Aufmerksamkeit der Eltern dramatische Ausmaße annimmt, sollten Sie folgende Verhaltensweisen vermeiden:

  • Vergleichen Sie Ihre Kinder nicht. Sprüche wie „Dein Bruder kann schon viel besser essen als Du, obwohl er zwei Jahre jünger ist!“ sind kontraproduktiv. Sie führen nicht dazu, dass Ihr älteres Kind besser isst, sondern nur dazu, dass es dem jüngeren Bruder diese Bevorzugung so bald wie möglich heimzahlt.
  • Gibt es mehr als zwei Kinder, muss darauf geachtet werden, dass das Mittelkind nicht auf der Strecke bleibt. Ihnen fehlt die Zeit, in dem es die volle Aufmerksamkeit der Eltern hatte und es wird zusätzlich mit der Aufmerksamkeit konfrontiert, die alle auf das Nesthäkchen verwenden. Nicht nur die Eltern, auch Verwandte und Freunde sollten darauf achten, dem Sandwichkind genügend Aufmerksamkeit zu schenken.
  • Verlangen Sie keine Unterordnung und bestimmen Sie das älteste Kind nicht zum Aufpasser, dem alle anderen gehorchen müssen.
  • Ergreifen Sie im Geschwisterstreit keine Partei für eines der Kinder. Am besten vermeiden Sie überhaupt, Schiedsrichter zu sein und versuchen, die Kinder den Konflikt selber klären zu lassen, indem Sie sie zum Gespräch ermutigen.
  • Behandeln Sie nicht alle Ihre Kinder gleich. Sie sind Einzelpersonen mit individuellen Stärken und Schwächen und sie verlangen auch individuelle Beachtung. Deshalb kann Gleichmacherei Geschwisterrivalität eher noch verstärken als sie zu reduzieren. Wird bei einer Leistung des älteren Kindes das jüngere automatisch mit belohnt, erkennt das ältere die Ungerechtigkeit darin und fühlt zurecht, dass das jüngere Kind bevorzugt wurde, da es die Belohnung erhielt, ohne etwas zu leisten.

 

Je größer der Altersunterschied, umso geringer die Rivalität

Liegt der Abstand zwischen den Geschwistern bei drei oder mehr Jahren, wird Eifersucht immer seltener. Die Interessen der Kinder sind altersgemäß zu unterschiedlich als dass es zu echten Konflikten kommen könnte. Die älteren Kinder haben bereits Kontakte außerhalb der Familie geknüpft und können auch einmal auf die Zuwendung der Eltern warten, da sie bereits einsichtig genug sind, um zu erkennen ,dass ein kleines Kind pflegebedürftiger ist als sie selbst es sind.

 

Jedes Kind ist etwas ganz besonderes

Jedes Kind muss individuell für das, was es tut, ermutigt, gelobt aber auch sanktioniert werden. Das stärkt das Selbstbewusstsein, das Kind fühlt sich geliebt und gesehen. Folgende Punkte sind hilfreich, um Geschwisterrivalitäten im Rahmen zu halten:

  • Heben Sie die Stärken jedes Kindes hervor, am besten gerade dann, wenn es sich in ihren Augen „unmöglich“ benimmt
  • Loben Sie ganz konkret, wenn ein Kind etwas besonderes geleistet hat und verteilen Sie ebenso konkret Belohnungen oder Sonderrechte
  • Sorgen Sie dafür, dass Ihre Kinder auch außerhalb der Familie Bindungen knüpfen und dort Anerkennung und Aufmerksamkeit erhalten.

Respektieren und akzeptieren Sie vor allem auch die Rivalitätsgefühle Ihrer Kinder. Sie müssen diese Gefühle äußern dürfen und Ihnen auch Raum geben können. Jedes Kind muss zu Wort kommen, seine Meinung sagen oder einfach Frust ablassen können.