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„Eltern haften für ihre Kinder“ – Rechtsirrtümer rund um Kinder, Ehe und Familie

Ganz bestimmt haben auch Sie diesen Satz schon einmal auf einem leuchtend gelben Schild an einer Baustelle gelesen. Natürlich entspricht die Aussage nicht der tatsächlichen Rechtslage. Wie bei so vielen anderen Rechtsmythen, die sich hartnäckig halten.

Rechtsirrtümer entstehen, wenn sich juristisches Halbwissen mit falscher Rechtsauslegung vereint und in der Bevölkerung ausbreitet. Das Heimtückische an ihnen ist: wer den Unsinn auch noch glaubt, kann ganz schön in die Falle tappen. Unser Autor hat recherchiert und eine kleine Auswahl an populären Rechtsirrtümern rund um Kinder, Ehe und Familie für Sie zusammengestellt.

 

1. Eltern haften für ihre Kinder

Hierbei dürfte es sich um den wohl bekanntesten Rechtsirrtum handeln. Dieser Satz auf einem offiziell wirkenden Schild soll den Eindruck erwecken, dass Eltern immer und in jedem Fall für Schäden ihrer Sprösslinge bezahlen müssen. Richtig ist allerdings, dass Eltern nur dann für ihre Kinder haften, wenn sie ihre Aufsichtspflicht schuldhaft verletzen.

Zunächst einmal sind Eltern tatsächlich verpflichtet, ihre Kinder angemessen zu beaufsichtigen (§ 832 BGB). Wie weit diese Aufsichtspflicht jedoch im Einzelfall geht, ist nicht geregelt und hängt individuell von Alter und Entwicklung des jeweiligen Kindes ab. Niemand wird verlangen, dass man seinen Nachwuchs rund um die Uhr auf Schritt und Tritt bewacht. Schleicht sich also beispielsweise ein Achtjähriger nachts unbemerkt aus seinem Bett und zerkratzt auf dem Gehsteig parkende Autos, so kann man den schlafenden Eltern sicherlich keine Verletzung der Aufsichtspflicht vorwerfen.

Zudem können Kinder generell erst ab dem 7. Geburtstag für von ihnen verursachte Schäden belangt werden, im Straßenverkehr sogar erst ab dem 10. Geburtstag. Danach kommt es darauf an, ob ein Kind erkennt, dass es einen Schaden angerichtet hat. Begreift es aufgrund seiner individuellen Entwicklung sein Fehlverhalten noch nicht, kann es auch nicht dafür zur Verantwortung gezogen werden.

In der Praxis ist es also durchaus denkbar, dass Eltern ihre Aufsichtspflicht nicht vernachlässigt haben und das Kind gleichzeitig auch nicht haftbar gemacht werden kann. In diesem Fall würde der Geschädigte auf seinem Schaden sitzen bleiben.

2. Wenn mein Kind eine Verpackung aufreißt, muss ich den Artikel kaufen

In vielen Geschäften sind entsprechende Schilder aufgehängt. Und wenn das so dasteht, dann stimmt das nach Meinung vieler Eltern auch.

Selbstverständlich kann ein Ladenbesitzer in seinen Räumen so viele Schilder aufhängen, wie er will. Allerdings wird dadurch niemand zum Kauf eines Artikels verpflichtet, nur weil die Verpackung aufgerissen wurde. Denn bei jedem noch so kleinen Kauf, auch wenn es nur eine Bonbontüte im Supermarkt ist, handelt es sich im juristischen Sinne um ein Rechtsgeschäft. Dieses kommt ausschließlich durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Im Alltag geschieht das meistens formlos, indem der Kaufmann einen Artikel anbietet und der Kunde diesen an der Kasse bezahlt.

Beschädigt ein Kind die Verpackung, wird dadurch alleine noch keine Kaufabsicht für den Artikel ausgedrückt. Es fehlt nämlich schlichtweg an der dafür notwendigen Willenserklärung. Dementsprechend kann man auch nicht verpflichtet sein, den Artikel zu bezahlen. Ein Schadensersatzanspruch besteht allenfalls für die Verpackung, was aber in den meisten Fällen bereits mit einem Klebestreifen erledigt sein dürfte. Anders sieht es freilich aus, wenn der Artikel selbst beschädigt wurde oder es sich um Lebensmittel handelt, die lose nicht mehr verkauft werden können.

3. Das Elterngeld ist steuerfrei

Die meisten Menschen betrachten das Elterngeld als eine tolle Sache, denn es beträgt bekanntlich satte 65 Prozent des früheren Einkommens und ist dazu auch noch steuerfrei.

Tatsächlich ist das Elterngeld zwar an sich steuerfrei, unterliegt als Einkommensersatzleistung jedoch dem sogenannten Progressionsvorbehalt. Somit zählt es nicht zum steuerpflichtigen Einkommen, aber erhöht den individuellen Steuersatz. Aufgrund der Tatsache, dass vom Elterngeld – im Gegensatz zum normalen Gehalt – keine Lohnsteuer einbehalten wird, ist eine happige Nachzahlung im Folgejahr mehr als wahrscheinlich.

Nach Abzug der Steuerlast beträgt das Elterngeld unterm Strich nicht mehr 65 Prozent des früheren Nettogehaltes, sondern bestenfalls noch 50 Prozent. Das sollte man bedenken, wenn sich Vater Staat mal wieder mit als Wohltäter für Familien aufspielt.

4. Ehepaare müssen alles miteinander teilen

Nach der Hochzeit ist der Euro nur noch die Hälfte wert. Dieser Spruch kommt von der verbreiteten Meinung, dass Verheiratete ab der Eheschließung sowohl Schulden als auch Vermögen teilen müssen. Juristisch gesehen ist das allerdings Unsinn. Jedenfalls im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, in dem die meisten Ehepaare leben.

Zugewinngemeinschaft bedeutet nämlich gerade nicht, dass Eheleute alles teilen müssen, sondern dass jeder sein eigenes Vermögen behält. Kommt es zur Scheidung, wird nur der Zugewinn jedes Ehegatten betrachtet – also das, was zwischen Standesamt und Trennung erwirtschaftet wurde. Wer mehr hat, muss dem anderen aber nicht gleich die Hälfte des ganzen Vermögens abgegeben, sondern nur die Hälfte seines Zugewinns.

Umgekehrt haften Eheleute aber auch nicht gegenseitig für ihre Verbindlichkeiten. Nicht für Schulden, die nach der Hochzeit gemacht wurden und schon gar nicht für solche aus vorehelichen Zeiten. Eine Ausnahme bilden selbstverständlich Kreditverträge, die von beiden Ehepartnern unterschrieben wurden.

5. Auf Sex in der Ehe hat man keinen Anspruch

Es soll Leute geben, die ihren Ehegatten scherzhaft auf seine „ehelichen Pflichten“ hinweisen, wenn mal wieder Flaute im Bett angesagt ist. Doch so falsch liegt man dabei gar nicht, denn es gibt tatsächlich eine gesetzliche Verpflichtung zum Beischlaf in der Ehe.

Laut § 1353 BGB sind Eheleute zu einer ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Dazu gehört neben dem Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung nach Meinung des Gesetzgebers eben auch die Geschlechtsgemeinschaft. Experten vertreten sogar die Auffassung, dass man diese auch nicht mit einem Ehevertrag ausschließen kann. Wer also seinem Ehepartner das Schäferstündchen verweigert, verstößt damit genau genommen gegen ein wesentliches Grundprinzip der Ehe. Ob es allerdings schon jemand geschafft hat, diesen Anspruch gerichtlich durchzusetzen, ist diesseits nicht bekannt. Zudem dürfte sich wohl kein Gerichtsvollzieher finden, der auf der Bettkante hockt und den Vollzug der Ehe überwacht...

6. Ehepaare brauchen kein Testament

Viele Verheiratete verzichten auf ein Testament weil sie glauben, durch den Trauschein würde ohnehin alles der Ehegatte erben.

Dieser Irrtum führt dazu, dass es nach dem (unerwarteten) Tod eines Ehegatten zu äußerst unerwünschten Folgen kommen kann. Grundsätzlich gilt, dass niemand verpflichtet ist, überhaupt ein Testament zu machen. Existiert allerdings kein letzter Wille, tritt automatisch die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Diese sieht ganz und gar nicht vor, dass Ehegatten zu gegenseitigen Alleinerben werden.

Vielmehr ist es so, dass Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft nur ein bestimmter Erbteil zusteht. Gegenüber Erben erster Ordnung (Kinder, Enkel, Urenkel) beträgt dieser beispielsweise nur die Hälfte. Das kann vor allem dann zum Problem werden, wenn zu den Kindern ein schwieriges Verhältnis besteht oder Kinder aus früheren Beziehungen existieren. Jeder hat schon mal von Fällen gehört, bei denen der überlebende Ehegatte sein Haus verkaufen musste, um Erbansprüche auszuzahlen. Wer derartige Konstellationen vermeiden will, ist also gut beraten, sich frühzeitig um ein Testament zu kümmern.

7. Der Erzeuger eines Kindes ist immer auch sein Vater

Wenn das so stimmen würde, gäbe es keine „Kuckuckskinder“ und die Familiengerichte bräuchten sich nicht mit zahlreichen Anfechtungsklagen zu beschäftigen.

Im biologischen Sinne ist der Erzeuger eines Kindes freilich immer dessen Vater. Juristisch gilt allerdings der Mann als Vater eines Kindes, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist. Hilfsweise auch derjenige, der die Vaterschaft anerkannt hat. Diese realitätsferne Fiktion macht jene Fälle möglich, bei denen eine verheiratete Frau ihrem gutgläubigem Gatten das Ergebnis ihres Seitensprungs unbemerkt unterschiebt. Heikel kann es aber auch für Männer werden, deren getrennt lebende Frau noch vor der Scheidung ein Kind von einem anderen Mann bekommt. Denn auch in diesem Fall greift die vorgenannte Fiktion, die dazu führt, dass der Mann die rechtlichen Konsequenzen einer Vaterschaft (z. B. Erbrecht, Unterhaltsansprüche) für ein fremdes Kind tragen muss.

Natürlich kann ein gehörnter Mann die rechtliche Vaterschaft anfechten. Allerdings kostet ein solches Verfahren Geld und kann sehr lange dauern. Außerdem wird er den zu Unrecht gezahlten Unterhalt in den meisten Fällen nicht mehr sehen.

8. Für Kinder muss man nur bis zum 18. Geburtstag aufkommen

Viele Eltern gehen davon aus, dass die Unterhaltspflicht für ein Kind mit der Volljährigkeit automatisch endet.

Diese Auffassung ist komplett falsch, denn die Unterhaltspflicht für ein Kind endet grundsätzlich nicht am 18. Geburtstag. Vielmehr hat der Gesetzgeber bei Unterhaltsansprüchen unter Verwandten überhaupt keine Befristung vorgesehen. Theoretisch würde die Unterhaltspflicht erst mit der Eheschließung oder dem Tod des Kind völlig erlöschen. In der Praxis ist es allerdings meistens so, dass der Kindesunterhalt mit Abschluss der ersten Berufsausbildung eingestellt werden kann. Ab dann wird von einem Kind erwartet, dass es finanziell auf eigenen Beinen steht.

Wer Barunterhalt schuldet, kann außerdem nicht einfach mit der Volljährigkeit seine Zahlungen stoppen. Schließlich gibt es in den meisten Fällen einen vollstreckbaren Titel über den Kindesunterhalt, etwa eine gerichtliche Entscheidung oder eine Jugendamtsurkunde. Enthält der Titel keine zeitliche Befristung, kann er solange vollstreckt werden, bis er ausdrücklich aufgehoben bzw. vom Berechtigten zurückgegeben wird. Wer kurzerhand nicht mehr zahlt, muss sich nicht über eine Gehaltspfändung oder Besuch vom Gerichtsvollzieher wundern.

9. Bei einer Scheidung muss immer der Mann zahlen

Besonders durch Scheidungen unter Prominenten entsteht bisweilen der Eindruck, dass eine Frau nur zu heiraten braucht und dann für den Rest ihres Lebens finanziell ausgesorgt hat.

Tatsächlich ist es aber so, dass das deutsche Familienrecht kein bestimmtes Geschlecht bevorzugt. Zudem bekommt hierzulande auch kein Geschiedener alleine deshalb Geld, weil er einmal verheiratet gewesen ist. Es ist auch ein Mythos, dass man bei einer Scheidung eine Abfindung bekommt, so wie man das von den Filmstars aus den USA kennt. Solche Zahlungen sind in Deutschland schlichtweg vom Gesetzgeber nicht vorgesehen und können daher auch nicht eingeklagt werden.

Nach einer Scheidung gilt das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit, wonach jeder Geschiedene selbst für sich sorgen muss. Unterhalt gibt es nur noch in wenigen Ausnahmefällen, wenn man einen der gesetzlichen Unterhaltstatbestände (z. B. Arbeitslosigkeit, Kinderbetreuung, Krankheit) erfüllt. Man bekommt also nicht etwa Geld dafür, dass man verheiratet gewesen ist, sondern weil man aus einem anerkannten Grund nicht selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann.

Die Annahme, dass immer nur Männer bei einer Scheidung zur Kasse gebeten werden, ist also an sich unbegründet. Dass es in der Praxis aber meistens Frauen sind, die Unterhalt bekommen liegt in der Natur der Sache. Schließlich leben die Kinder nach einer Trennung in den meisten Fällen bei der Mutter.

10. Mit einem gemeinsamen Rechtsanwalt kann man Geld sparen

Viele Paare meinen, dass sie mit einem gemeinsamen Anwalt viel Geld bei der Scheidung sparen können.

Einen gemeinsamen Rechtsanwalt gibt es aber gar nicht, denn ein Rechtsanwalt ist im Gegensatz zum unparteiischen Notar ein reiner Interessenvertreter. Er wird dafür bezahlt, dass er für seinen zahlenden Mandanten das beste Ergebnis herausholt. Auch wenn sich ein Paar gut versteht und sich in allen Punkten einig ist, so gibt es bei einer Scheidung aber naturgemäß immer nur entgegengesetzte Interessen. Vertritt der Rechtsanwalt ein Paar gemeinsam, so würde er den Straftatbestand des Parteiverrats (§ 356 StGB) erfüllen und stünde mit einem Bein im Gefängnis.

Dennoch hört man immer wieder von Paaren, sie hätten sich einen gemeinsamen Rechtsanwalt genommen. In diesem Fall wurde nur der Ehepartner anwaltlich vertreten, der den Scheidungsantrag gestellt hat, weil es hierfür einen gesetzlichen Anwaltszwang gibt. Der andere Ehepartner ist hingegen nicht verpflichtet, sich ebenfalls einen Anwalt zu nehmen. Allerdings ist er vor dem Familiengericht weitgehend rechtlos, weil er keine eigenen Anträge stellen und sich nicht gegen Ansprüche verteidigen darf.