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Spielplatz-Mobbing – wenn das eigene Kind nicht mitspielen darf

Eine im Grunde erfreuliche Tatsache ist, dass Kinder sehr verschieden sind. Es gibt die Rabauken, die grobmotorisch durch die Sandkisten pflügen und brüllend die Sandburgen der anderen Kinder zertrampeln und es gibt die schüchternen, vorsichtigen Kandidaten, die lieber erst mal zugucken und sich nicht so leicht trauen, einfach hinzugehen und zu fragen, ob sie mitspielen dürfen. 

 

Spielplatz – auch hier gelten Regeln

Nun ist so ein Spielplatz ja ein Ort mit wenigen, dafür aber recht festen Regeln. 1. Mit Sand wird nicht geworfen. 2. Mit der Schaufel dem Nebenmann auf den Kopf gehauen wird nur, wenn Mama und Papa nicht gucken 3. Das Spielzeug, das herumliegt, darf von allen benutzt werden. Deswegen übrigens pinseln sämtliche Eltern auch immer die Namen ihrer Sprösslinge in sämtliche Eimerchen und Förmchen. Nein, nicht damit nur Clara-Sophie auch mit Clara-Sophies Eimerchen spielt, sondern damit Clara-Sophies Mama am Ende der Spielplatzrunde auch nur Clara-Sophies Spielzeug einsammelt und nicht auch noch die Schippe vom Jonas und den Trecker vom Anton. Soweit also die – relativ – einfach zu beherzigenden Grundsätze.

 

Kennen kleine Kinder „nett“ und „nicht nett“?

Schwieriger wird es, wenn man ein Kind hat, das neu in eine bestehende Gruppe kommt und das vielleicht vom Grundcharakter her noch etwas zurückhaltender ist . Für die Integration von Spielplatz-Neulingen gibt es nämlich keine Regeln. Man sollte meinen – und kann es ja auch vielfach lesen – dass Kinder im Buddelkisten- und Klettergerüstalter noch keine ausgeprägten sozialen Gruppen bilden, geschweige denn, profunde Freundschaften schließen. Man könnte daraus also schließen, dass alle willkommen sind. Meine ganz privaten Beobachtungen sind da andere. Ein neues Kind wird gern mal ignoriert, auch wenn es sich überwindet und höflich fragt „Kann ich auch mitspielen?“. Es wird einfach wie Luft behandelt. Oder eine Weile mit offenem Mund wortlos angestarrt, bevor man sich dann ohne weitere Reaktion wieder dem Burgenbau widmet. Nicht so nett… aber KÖNNEN Kinder in dem Alter tatsächlich schon „nett“? Nun, sagen wir es mal so: sich können auf jeden Fall „nicht nett“, so viel steht fest. Sie können den Neuen oder die Neue einfach wegschubsen und sagen „Geh mal weg, du. Der Kolja ist mein Freund und gar nicht deiner!“ und sie können, wenn das arme neue Kind sich dann enttäuscht allein in eine Ecke zurückzieht und seine Burg allein baut, zu dritt hinrennen, brüllen, dass sie jetzt gerade wilde Tiger wären und gnadenlos dieselbige Burg in Grund und Boden stampfen.

 

Wann geht man dazwischen?

Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, ob da die zusehenden Mütter und Väter nicht eingreifen könnten. Ich habe das selten feststellen können. Kaum jemand geht dazwischen, wenn sein Kind über die Stränge schlägt und tobt und wütet. Sicher müssen Kinder ein Sozialverhalten auch untereinander erlernen, ohne dass die Eltern ständig intervenieren. Aber in manchen Fällen werden deutlich Grenzen überschritten, ohne dass das jemanden zu interessieren scheint. Die Mutter des Obertigers jedenfalls schaute sich seelenruhig an, wie ihr Sohn den Wüterich in der Sandkiste gab. Nur als der es allzu arg trieb, flötete sie engelsgleich herüber: „Aber Schatzi, du musst den anderen doch erklären, dass du gerade ein wilder Tiger bist, sonst verstehen die dich doch gar nicht.“ Ah ja.   

 

Wie lernen Kinder soziales Verhalten?

Ich bin mir nicht sicher, ob Kinder in dieser Altersgruppe wirklich schon „nett“ in dem Sinne einer freundschaftlichen Solidarität können. Vielleicht ist es normal, dass Dinge wie Sympathie und Mitgefühl füreinander bei 3-5-Jährigen noch nicht allzu stark ausgebildet sind. Sie befinden sich ja mitten in einem Lernprozess. Und bei Lernprozessen dieser Art sind es doch eigentlich die Eltern, die unterstützen sollten. Das wiederum aber stelle ich kaum fest. Ich stelle fest, dass die Kinder auch in ihrem schlechten und unsolidarischen Verhalten weitestgehend unkorrigiert bleiben. Drücken wir es noch konkreter und weniger wissenschaftlich aus: Kinder werden vielfach darin bestärkt, sich per Ellenbogen und per klettsandalenbeschuhtem Füßchen in der Buddelkiste selbst zu behaupten, und zwar nach dem Gesetz des Stärkeren. Eltern halten es für wichtig, dass Kinder sich durchsetzen. Im Grunde ist das ja auch durchaus wünschenswert. Aber Werte wie Rücksichtnahme und ein nettes Aufeinanderzugehen, ein Teilen, ein friedliches Miteinander, das sehe ich in sehr vielen Fällen nicht. Und es scheint auch kaum einer zu vermissen.

 

Bildet der Sandkasten unsere Gesellschaft ab? 

Ist es übertrieben oder zeichnet sich im Sandkasten bereits ab, dass wir immer mehr zu einer Gesellschaft von Egoisten und Einzelkämpfern werden, in der es wichtiger ist, sich am Ende des Tages behauptet zu haben, als neue Freunde gefunden zu haben?